Epilog

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Astrid

Nervös lief ich auf und ab. Meine Finger rangen miteinander und wollten einfach nicht aufhören. Ich war noch barfuß, denn sonst wären die Sohlen spätestens jetzt schon durch.
Du kannst das, schärfte ich mir ein. Ist ja nicht so, als würden dich gleich keine Ahnung wie viele Menschen anglotzen, weil du einen Weg entlang gehst.
Ich lief schneller, doch dann ging die Tür auf. Elsa trat hinein.
»Du bist knallrot im Gesicht, alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein, es ist gar nichts in Ordnung. Ich kann das nicht Elsa, ich dreh noch durch. Ich muss von hier weg, vielleicht sollte ich durchs Fenster oder -«
Sie drehte mich zu sich und hielt mich fest. »Du schaffst das schon, okay? Niemand wird hier durch das Fenster verschwinden, klar?«
»Du hast leicht reden, mich werden gleich alle anstarren!«
»Du hast ja gesagt.«
Ich zog meine Augenbraue hoch, war das ihr Ernst?
»Sieh es mal so: Das hier ist die letzte Hürde, bis zu deinem Traumleben. Du musst nur da rausgehen, durch diesen Gang laufen und dem Priester nachsprechen. Scheiß doch auf das Geglotze der Menschen, das hier ist dein Tag, das wird dein Augenblick. Und Hicks', aber der tut hier nichts zur Sache.«
»Nein, nur nicht.« Ich verdrehte die Augen. Es klopfte und dieses Mal kam mein Vater herein.
»Seit ihr dann so weit?«, fragte er mit einem breiten Lächeln.
»Astrid hier braucht sehr wahrscheinlich noch eine Minute, ich geh schon mal.« Mein Dad und ich blieben alleine zurück.
»Du erinnerst mich heute sehr an Caroline«, sagte er zu mir, als er vor mir stand.
»Ach ja?«, fragte ich.
»Sie war damals genauso nervös gewesen, wie du heute und glaub mir, ich verstehe das. Zuerst dachte ich, dass sie gar nicht mehr kommen würde, weil sie uns so lange hat warten lassen, aber dann stand sie dort, in diesem wunderschönen Kleid und lächelte mich an.«
»Wie hat sie es geschafft den Weg entlang zu laufen?«
»Sie hat mit ihrem Vater geredet und mich immer wieder angesehen. Man sah ihr an, dass sie erleichtert gewesen war, als sie endlich vorne stand. Auf der Feier hinterher hatte sie sich betrunken, was dazu führte, dass unsere Hochzeitsnacht einen Tag später stattfand.«
Wir lachten. »Wirklich?«
»Ja, ich habe sie ins Bett getragen, weil sie nicht mehr laufen konnte, so voll war sie gewesen.«
»Okay, kein Alkohol, merk ich mir«, sagte ich und lachte nochmal mit ihm.
»Sie wäre stolz auf dich, Astrid. Hicks ist ja mal wohl ein besserer Fang als dieser Typ von damals«, meinte mein Vater angeekelt.
»Komm mir bloß nicht mit dem.« Ich verdrehte die Augen. Dann seufzte ich. »Ich wünschte, Mom wäre hier.«
»Das ist sie, sie ist immer da. So lange du sie nicht vergisst und in deinem Herzen bei dir trägst, wird sie immer da sein.«
Ich umarmte ihn. »Pass auf, Rapunzel bringt mich um, wenn ich dir deine Haare oder Make-Up versaue.«
Dann zog ich mir meine Schuhe an. Es waren keine hohen, darauf hatte ich verdammt nochmal bestanden. Wie ich schon damals für den Weihnachtsball gesagt hatte: Ich werde niemals hohe Schuhe tragen. Mein Dad hielt mir seinen Arm hin. Tief einatmend nahm ich ihn und ging mit ihm zusammen hinaus.
»Lass mich bloß nicht fallen, Dad«, sagte ich, als wir vor der Tür standen.
»Niemals«, antwortete er. Ich hörte die Orgel, sah wie die Türen sich öffneten und Menschen sich hinstellten.
»Kennst du noch Großmutters Apfelkuchen?«, fragte mein Vater mich überraschend.
»Ja, wieso?«, sagte ich.
»Sie hat ihn extra für heute gemacht, nur für dich und Hicks.«
Ich wusste nicht, wieso er jetzt auf dieses Thema gekommen war, bis mir auffiel, dass es ein Ablenkungsmanöver gewesen war, damit ich nicht durchdrehte, denn schon gab mein Vater mich an Hicks weiter.
»Abgelenkt?«, fragte der mich.
»Aber ganz schön«, antwortete ich, immer noch verwirrt.
»Du siehst wundervoll in diesem Kleid aus.« Seine Augen leuchteten und er lächelte mich an. Meine Wangen wurden natürlich rot. Wirklich? Ich hasste meinen Körper manchmal.
Die Orgel verstummte, alle setzten sich und wir beide blieben hier oben. Zur Hälfte hörte ich dem Priester gar nicht, erst, als ich ihm nachsprechen musste, war ich wieder voll da.
»Somit erkläre ich Sie hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen«, beendete er es und natürlich tat mein frisch getrauter Ehemann das liebend gern. Es wurde gejubelt, bis wir in dem Raum waren, den wir gemietet hatten. Dort legte ein DJ seine Playlist auf, Hicks und ich schnitten die Torte an und bedankten uns bei meiner Großmutter für den Kuchen.
»Der ist aber nur für euch zwei, falls ihr nachher noch Hunger bekommt«, meinte sie und zwinkerte uns zu. Hicks fing mit meiner Großmutter zusammen an zu lachen, während ich meinen roten Kopf an seiner Brust verstecken wollte.
Uns wurde gratuliert und gratuliert und gratuliert, bis ich ungefähr Raffnuss' Gratulation schon zehnmal gehört hatte. Dann bekam ich aber Hunger, schnappte mir ein Stück Torte und setzte mich endlich hin. Hicks brauchte nicht lange, bis er bei mir war.
»Nicht mal an meinem Geburtstag wird mir so viel gratuliert«, meinte er und ich lachte.
»Ehrlich, Rapunzel, wie bist du in das Kleid gekommen?«, fragte Heidrun.
Tja ja, Rapunzel und Eugene, das erste Paar, das geheiratet hatte und in ungefähr vier Monaten zu dritt sein wird. Jack und Elsa waren danach gekommen, aber noch nicht schwanger, glaube ich zumindest, obwohl Elsa öfter mal ihren Bauch streichelte. Vergesst das, sie ist schwanger, eindeutig. Kristoff und Anna hatten letztes Jahr im August geheiratet. Ach ja, Fischbein hatte nun auch endlich eine Freundin: Heidrun. Ja, Heidrun. Hat sich herausgestellt, dass sie eine Schwäche für liebenswerte, süße, schüchterne Nerds hatte. Raffnuss und Rotzbakke waren noch nicht so weit und verlobt, genau wie Fischbein und Heidrun. Taffnuss, ach kommt, das ist Taffnuss. Wahrscheinlich wird seine Freundin ihm einen Antrag machen.
»Mit viel Motivation und Gequetsche«, antwortete Rapunzel, woraufhin wir lachten. »Nein, nein, nur ein Scherz. Es sieht enger aus, als es ist.«
»Du musstest ja nicht den Reißverschluss schließen«, murmelte Eugene in die Runde, was uns noch einen Lacher entlockte.
»Wann macht ihr es offiziell?«, fragte ich an Elsa und Jack gestellt, nachdem ich dieses Gestreichel ein wenig beobachtet hatte.
»Was?«, fragte sie scheinheilig.
»Niemand streichelt seinen Bauch so oft wie du, außer man ist -«
»DU BIST SCHWANGER?!«, rief Anna dazwischen.
»- Schwanger«, beendete ich es.
»Ja, okay, du hast Recht«, gab Elsa dann zu.
»Wow, Gratulation!«, sagte Heidrun und die anderen gratulierten ebenfalls.
»Wir wollten es nicht unbedingt an eurem Hochzeitstag sagen«, meinte Elsa.
»Das ist doch egal«, sagte ich darauf.
»Wann habt ihr euch dazu entschieden, ein Baby zu bekommen?«, fragte Eugene.
»Gar nicht, es war ein Unfall«, antwortete Jack.
»So schnell kein Kondom gefunden?«, neckte ihn Hicks. Wir lachten.
»Ha ha ha, warte du nur, bis dir das mit Astrid passiert«, konterte Jack.
»Wird es nicht, ich denke nämlich mit meinem Gehirn.« Wir lachten wieder, so lange, bis ich Bauchschmerzen bekam.
»Wieso bin ich eigentlich mit euch befreundet? Ihr mobbt mich immer alle voll«, schmollte Jack dann.
»Das ist wie die Frage, warum du mich geheiratet hast. Ich ärgere dich zwar so gut wie immer, aber du findest mich trotzdem toll, weil du nämlich nicht mit deinem Gehirn denkst«, sagte Elsa und lächelte ihn verschmitzt an. Ich konnte nicht mehr vor lachen.
»Das tu ich mir heute nicht an.« Jack stand auf und ging davon.
»Vor allem ist es die Hochzeit seines besten Freundes. Ja, Jack kann sich gut Menschen für's Leben aussuchen«, sagte Kristoff und wir lachten nochmal.
Elsa stand dann aber auch auf und ging ihn suchen. Jack nahm es manchmal einfach zu ernst. Oder es lag daran, dass seine kleine, mittlerweile dreizehn Jahre alte Schwester einen Freund hatte. Ganz ehrlich, ich konnte verstehen, weshalb es ihn aufregte. Mit dreizehn einen Freund, lief ja bei ihr.
Als wir das Büfett eröffneten, tauchte Jack seltsamerweise wieder auf.
»Tut mir leid, okay? Zu wissen, dass man in neun Monaten Vater wird und eine kleine Schwester hat, die einen Freund hat, den man nicht leiden kann, sie aber nicht auf einen hören will, weil sie gerade ihre Rebellenphase durchmacht.« Er holte tief Luft. »Da braucht es nicht mehr viel, bis man überkocht. Außerdem denke ich gar nicht nur mit meinem Penis.«
»Doch, tust du«, sagten Hicks und ich zusammen.
»Ernsthaft?«, fragte er nur und verdrehte die Augen, als wir anfingen zu lachen.
Am Tisch war aber alles wieder vergessen, weil das Essen so lecker schmeckte. Dreimal ging ich zum Büfett, um mir etwas zu holen. Wenn schon, denn schon. Rapunzel ging ganze achtmal, obwohl Eugene die letzten vier alleine ging. Nach dem Essen kam Raffnuss mit der bescheuertsten Idee des Tages auf.
»Muss Hicks dir nicht noch dieses Band vom Bein ziehen?«
»Ja, das hat er noch gar nicht«, stimmte Anna zu und grinste mich an, während sie mit den Augenbrauen wackelte.
»Äh, he he he«, machte ich und schaute verlegen in die Runde. »Ja, ähm, also, ich hab es zurückgegeben.«
»Was?«, sagten die Mädchen beinahe zeitgleich.
»Ja, das war mir doch ein bisschen zu peinlich.«
»Astrid, das ist eine Tradition«, sagte Elsa und stand auf. »Zum Glück wusste ich, dass irgendwie so was passieren würde, also habe ich extra eins auf den Rücksitz getan. Bis gleich!«
»Nein, nein, Elsa, bitte, wenn du meine Freundin bist, tu mir das nicht an!«, flehte ich, aber es war zu spät. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen.
»Vergiss es, an Traditionen kommst du nicht vorbei«, sagte Anna warnend.
Und so saß ich zehn Minuten später auf einem Stuhl, bedeckte mein ampelrotes Gesicht mit meinen Händen, während Hicks mir das Band vom Bein biss. Ich war so erleichtert, als es endlich ab war. Das war so peinlich, ich meine, meine Großmutter hatte zugeschaut! Und mein Vater! Bei Gott, darüber würde ich nie hinwegkommen.
Aber dann kam unser Hochzeitstanz und ich war mehr als glücklich, denn wir waren nicht die einzigen auf der Tanzfläche dabei. Eugene tanzte mit seiner schwangeren Ehefrau, Jack entschuldigte sich mal wieder bei Elsa, Heidrun schwebte im siebten Himmel, Raffnuss ließ sich von Rotzbakke massieren, Kristoff und Anna schauten zu und Taffnuss redete mit seiner Freundin an der Bar. In diesem Augenblick hätte ich mir gewünscht, dass meine Mutter mal kurz mit meinem Dad vorbei tanzte.
Irgendwann im Laufe des Abends stritten sich die Zwillinge wieder, Rapunzels Kind war wach und sie ließ uns fühlen, wenn wir wollten, Jack redete mit Elsa endlich über seine Ängste mit dem Vater werden, Kristoff und Anna tanzten, Fischbein, Rotzbakke und Heidrun spielten Karten und ich lag an Hicks gelehnt, der einen Arm um mich gelegt hatte.
»Alles in Ordnung?«, fragte er mich. »Du bist so ruhig.«
»Ich genieße es nur.«
»Das kannst du ab jetzt noch viele Jahre tun.« Er küsste mich ins Haar.
»Ich weiß, und das werde ich. Weißt du was mein Vater mir heute morgen erzählt hat?«
»Nein.«
»Er sagte, dass meine Mutter so betrunken war an ihrem Hochzeitstag, dass sie ihre Hochzeitsnacht verschieben mussten. Er hat sie ins Bett getragen, so voll war sie gewesen.«
»Ach, deswegen hast du heute keinen Schluck Alkohol getrunken.«
Ich sah zu ihm hoch. »Ganz genau, denn unsere Hochzeitsnacht ist heute und nicht morgen.«
Er lächelte. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.« Er beugte sich vor und küsste mich zärtlich auf den Mund.

ENDE

Meine Rettung, bevor ich zur Sexsklavin wurdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt