Kapitel 17

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Astrid

Nächsten Mittwoch fiel einfach jedem auf, wie glücklich unsere Chemie Lehrerin Frau Lemon eigentlich war. Die ganze Zeit über lächelte sie und sah über alles hinweg. So gut wie jeder bekam eine eins für die Doppelstunde. Und hinterher in Technik war es fast dasselbe. Herr Hamada schien das Lächeln und die Nettigkeit nicht wegzubekommen.
   »Bin ich die Einzige, der das aufgefallen ist?«, fragte ich später in der Pause. Zu unserer Überraschung stand nun ein großer Picknicktisch unter dem Baum, wo wir immer saßen.
   »Nein, mir ist das auch aufgefallen!«, sagte Raffnuss.
   »Ganz ehrlich, wem ist das nicht aufgefallen?«, sagte Eugene.
   »Also entweder hat er ihr endlich einen Antrag gemacht oder sie ist schwanger«, meinte Hicks. Ich sah ihn verwirrt an. »Die beiden sind schon seit längerem ein Paar.«
   Oh, das wusste ich gar nicht. Nach der Pause liefen wir zum Musikraum, aber davor fanden wir eine Menge von Schülern, die sich an die Wand drängte.
   »Was ist denn da los?«, fragte Jack.
   Das wollten wir herausfinden. Ich tippte einem Mädchen auf die Schulter, welches sich als Heidrun entpuppte. Sie sah mich an, aber ihr Blick wurde nicht angeekelt oder sonst was, sie lächelte einfach breit weiter.
   »Äh, was ist hier los?«, fragte ich zögerlich.
   »Das Datum vom diesjährigen Weihnachtsball wird endlich vergeben!«, sagte sie glücklich.
   »Darüber freut ihr euch?«, fragte Hicks, der auf einmal neben mir stand.
   »Du verstehst das nicht, du bist ein Junge, aber wir Mädchen können uns endlich mal richtig aufhübschen, stimmt's?«, antwortete Heidrun und boxte mit freundschaftlich in die Schulter. Bevor ich etwas sagen konnte, kamen ihre Freundinnen und zogen sie davon.
   »Was war denn das gerade?«, fragte Raffnuss vollkommen verdutzt.
   »Ich habe keine Ahnung«, antwortete ich. Wir warteten bis eine Lücke frei war und wir das große Plakat sehen konnten. Am fünfzehnten Dezember erst, eine Woche vor den Ferien.
   In Musik war heute Beethoven unser Thema, zum Essen gab es heute Lasagne und im Gemeinschaftsraum besprachen die Mädels, wann der beste Zeitpunkt wäre die Kleider zu kaufen. Sie sagten Anfang November, sonst wären die besten schon weg.
   Das taten wir dann auch. Am ersten Samstag im November fuhren wir alle in die Stadt. Die Jungs hatten sich zuerst gesträubt und gesagt, dass sie doch alle einfach nur Anzüge tragen werden, aber Anna wollte, dass wir alle fuhren.
   In dem riesigen Einkaufszentrum, wo wir an Hicks' Geburtstag gewesen sind, fanden wir einen Laden, der extra Kleider für solche Veranstaltungen verkaufte. Ein paar Mädchen von unserer Schule sahen wir ebenfalls, aber nicht allzu viele.
   »Dieses Jahr ist egal, was wir tragen, oder?«, fragte Raffnuss. »Wieder irgendeine scheiß Vorschrift?«
   »Nein, wir dürfen tragen, was wir wollen«, sagte Elsa, die, wie ich herausfand, im Ballkomitee war. Sie gestalteten auch das Forum.
   »Also, ich glaube ich werde ein grünes tragen«, überlegte Anna. Ich wusste gar nicht, was ich nehmen sollte. Während die Jungs sich vor die Umkleidekabinen setzten, suchten wir uns Kleider raus. Jeder Ständer hatte eine andere Farbe von Kleidern. Eigentlich sah der Laden wie ein riesiger Regenbogen aus. Anna suchte bei den grünen, Elsa bei den blauen, Rapunzel rosa, Raffnuss so gut wie jeden Ständer und ich blieb bei den roten stehen.
   Irgendwann zog ich ein schönes heraus. Es war hellrot, ging bis zu den Knien und die Ärmel endeten am Ellenbogen. Um die Taille hat es ein Band, welches einen Ton heller als das Kleid war. Ich suchte meine Größe und wartete dann auf die anderen. Alleine wollte ich es den Jungs nicht vorführen.
   Es dauerte bis die anderen fertig waren. Elsa war die erste, die etwas gefunden hatte. Ihr Kleid war babyblau, hinten länger als vorne und trägerlos. Um ihre Taille war ein silbernes Band mit Mustern. Anna kam als nächstes, ihr Kleid war hellgrün mit einem weißen Band und einer Schleife um ihre Taille. Es war ebenfalls trägerlos. Rapunzels hatte auch keine Träger, war zartrosa mit einer schwarzen Schleife um ihre Taille. Raffnuss war die letzte, da sie sich für keine Farbe entscheiden konnte, aber am Ende nahm sich ein pflaumenlilanes Kleid mit einem weißen dünnen Band um ihre Taille, ebenfalls ohne Träger. Jetzt kam ich mir seltsam vor, weil ich die einzige war, die welche hatte.
   »Macht nichts, wir haben uns aber nicht vorher abgesprochen«, versprach Rapunzel mir. Dann verschwanden wir in den Umkleidekabinen. Meins passte mir, nur bekam ich den Reißverschluss auf dem Rücken nicht ganz zu. Fast zeitgleich machten wir die Vorhänge auf.
   »Du siehst super aus«, sagte Eugene sofort zu Rapunzel. So ein Schleimer. Elsa machte mir den Reißverschluss schnell zu.
   »Sieht doch toll aus«, meinte sie. Sie hatte da gut reden, ihr Kleid sah perfekt an ihr aus. Als Raffnuss endlich ihren Vorhang aufmachte, klappte Rotzbakkes Mund fast bis zum Mittelpunkt der Erde, hätte Fischbein es nicht hoch gedrückt.
   »Ich hasse Kleider«, beschwerte sie sich und zog es nach oben.
   »Ich mag es«, sagte ich.
   »Du siehst ja mal so gar nicht wie meine Schwester aus«, meinte Taffnuss verblüfft.
   »Halt die Klappe«, meinte sie und zog den Vorhang wieder zu.
   »Ich schätze wir kaufen die dann?«, meinte Anna. Ich zuckte mit den Schultern. Das war das erste Mal, dass ich auf einen Schulball ging, keine Ahnung wie man das machte.
   »Wir holen die«, antwortete Elsa und verschwand wieder, Anna und Rapunzel ebenfalls. Ich wollte auch gehen, als mir der Reißverschluss einfiel. Super, ganz toll gemacht, Astrid.
   »Soll ich dir helfen?«, fragte Hicks, der auf einmal neben mir stand.
   Ich zuckte zusammen, nickte dann aber und hielt meine Haare weg. Er machte ihn auf und zog dann den Vorhang zu. Ich atmete aus, meine Wangen wurden heiß und ich sah im Spiegel, dass ich rot geworden war. Schnell zog ich mich um und wartete dann.
   Anna schleifte uns noch in einen Schuhladen. Er war zweistöckig und anscheinend kannte Anna sich aus, denn sofort rannte sie nach oben, wo anscheinend die High Heels waren. Rapunzel grinste mich an, aber ich schüttelte nur den Kopf, woraufhin sie einen Schmollmund machten.
   »Nein, vergiss es. Ich werde keine hohen Schuhe tragen, niemals. Lass mich meine Ballerinas aus London tragen, okay?«, bot ich an. Damit gab sie sich zufrieden.
   Zusammen mit den Jungs setzte ich mich hin, während die Mädels Schuhe suchten.
   »Ist ja nicht so, als hätten die schon genug«, meckerte Jack, woraufhin Elsa ihn auf den Hinterkopf schlug. »Au!«
   »Selbst Schuld«, meinte sie und streckte ihm die Zunge raus. Wenigstens wussten sie, wer der Dominantere in ihrer Beziehung war.
   Raffnuss war die erste, die welche fand. Ich glaube, dass sie einfach nur keine Lust mehr hatte, denn es waren einfache weiße High Heels. Rapunzel und Anna hatten beide welche mit Riemchen. Annas waren ebenfalls weiß mit den Riemchen am Knöchel, während Rapunzels schwarz waren und die Reimchen über ihre Fußoberseite gingen. Elsa war die letzte, ihre glitzerten silber.
   Als wir in Richtung Smoothie Bar liefen, hielt Hicks mich ein Stück zurück. Ich sah ihn verwirrt an.
   »Ich wollte mit dir reden. Alleine.«
   Wir warteten, bis die anderen außer Hörweite waren und liefen dann weiter. Ich sah, dass er nervös war, denn er rang mit seinen Händen.
   »Und?«, fragte ich, obwohl ich so ein Gefühl im Bauch hatte, dass ich schon längst wusste, was er fragen wollte.
   »Na ja, du weißt die gehen alle zusammen zum Ball und wir beide sind die einzigen die übrig sind und deshalb hatte ich nur gedacht, ob wir zusammen hingehen können, natürlich als Freunde, wenn du willst. Aber du musst auch nicht, wenn du gar nicht willst, ich kann auch -«
   Ich hielt ihm den Mund zu. »Du redest manchmal echt zu viel, weißt du das? Und ja, ich gehe gerne mit dir zum Ball, so als Freunde.«
   Er lächelte, als ich meine Hand wegnahm. Dann kamen wir endlich an der Smoothie Bar an.

Wochen später war der Weihnachtsball. Ich wusste gar nicht wo die Tage hin waren, auf einmal war es Dezember und es gab wieder Nikoläuse in den Märkten, Tannenbäume an jeder Ecke und der Weihnachtsmarkt in der Innenstadt war eröffnet worden.
   Wir hatten heute extra kürzer Schule, damit das Forum noch fertig geschmückt und wir fertig gestylt werden konnten. Es begann um sechs Uhr abends und endete gegen zehn Uhr, wir waren erst eine halbe Stunde später dort.
   Als Hicks mich an meinem Zimmer abgeholt hatte, hätte man mich als Ampel benutzen können, so rot war ich geworden. Er sah ja schon so gut aus, Brille hin oder her, aber in einem Anzug ... Nein, nein, das ging einfach nicht. Darin sah er zu gut aus. Und jetzt hier, bei all den Mädchen, die sich irgendeinen Jungen gesucht hatten, weil sie Hicks nicht haben konnten, zu sein, war Folter.
   »Alles in Ordnung?«, fragte er dann.
   »Ja«, krächzte ich hervor. Meine Hände fingen an zu schwitzen und mir wurde wieder warm.
   »Hey, ganz ruhig«, sagte er und zog mich am Arm mit. Am Buffet gab er mir einen Becher. »Da ist Wasser drin, keine Sorge.«
   Ich trank ihn leer. Dann blieben wir dort erst mal eine Weile stehen und redeten. Ich sah zwischendurch zur Menge hinüber, die zum Lied tanzte, welches gerade lief und entdeckte Heidrun. Sie sah toll aus, das musste ich einfach zugeben. Ihr Kleid war ein schönes weinrot, welches bis zum Boden ging. Sie hatte ebenfalls keine Träger (was war hier los?), am oberen Rand des Kleides war es silbern verziert. Ihre langen schwarzen Haare hatten sie nach oben gesteckt.
   Als sie meinen Blick erfasste, lächelte sie, was aber schnell wieder verging und sie sah weg. Ich war verwirrt, war irgendetwas passiert?
   »Kommt dir Heidrun im Moment auch so seltsam vor?«, fragte ich Hicks.
   »Vielleicht wird sie wieder wie früher.«
   »Was meinst du?«
   »Heidrun war nicht immer so gewesen, eigentlich war sie ziemlich nett gewesen. Aber auf einmal fing sie an sich so aufzuführen. Keine Ahnung wieso, aber ich mochte es nicht, wie die anderen auch.«
   »Und wann hat sie angefangen mit dir zu flirten?«
   »Letztes Jahr irgendwann. Oder doch Anfang dieses Jahres? Keine Ahnung mehr.« Er zuckte mit den Schultern und ich belies es dabei.
   Wir gesellten uns zu den anderen, die an einem Tisch standen. Elsa hatte ihre Haare zu einem seitlichen Fischgrätenzopf geflochten, Anna hatte ihre gewellten Haare ebenfalls über der Schulter liegen. Rapunzel hatte versucht ihre kurzen Haare ein wenig zu locken, während Raffnuss' Haare wunderschön gewellt nach unten glitten. Meine waren ebenfalls gelockt und fielen mir fast bis zu meinem Hintern.
   »Und? Wie findest du deinen ersten Ball bis jetzt?«, fragte Kristoff.
   »Ganz schön laut«, rief ich zurück.
   Wir redeten und tranken, aßen und beobachteten die anderen Pärchen und lachten über die Mädchen, die Hicks verträumt ansahen und mich mit Blicken durchbohrten.
   »Ihr könnt nicht immer euren Traummann haben, Ladies«, rief Elsa, woraufhin wir lachten. »Glaubt mir, ich weiß das.«
   »Wie bitte?«, sagte Jack sofort, was uns noch ein Lachen entlockte. Als dann Photograph von Ed Sheeran ankam, zog Elsa ihn mit, wie auch alle anderen Mädels ihre Begleitung.
   »Ihr beide solltet auch gehen«, sagte Fischbein zu Hicks und mir, die zurückgeblieben waren.
   »Wirklich?«, fragte Hicks.
   »Ja, geht nur, mir geht es gut.«
   Wir tanzten zusammen zum Rhythmus. Ich beobachtete die anderen; Elsa gab Jack gerade einen Kuss, damit er nicht mehr so sauer auf sie war; Anna und Kristoff lachten; Eugene und Rapunzel genießten den Tanz.
   Da fiel mir etwas ein. »Hast du Merida gesehen?«
   Hicks sah mich verblüfft an. »Wieso?«
   »Ich weiß nicht, ich habe so ein ungutes Gefühl.« Fast schon panisch sah ich mich um. Nirgendswo waren ihre roten Locken zu sehen.
   »Hey«, sagte Hicks und drehte mein Gesicht zu ihm. Seine grünen Augen stachen in meine, mein Herz begann Flick-Flacks zu machen. »Kümmer dich nicht um sie, okay? Genieß den Abend einfach.«
   Ich atmete tief durch und nickte lächelnd. Danach tanzten wir weiter.
   Richtung zehn Uhr machten wir uns auf den Weg nach Hause. Zuerst dachte ich, dass draußen ein Schneesturm herrschte, aber es war einfach nur eiskalt. Hicks, der Gentleman der er war, gab mir seine Jacke zum drüberziehen. Danach fuhren wir zusammen zum Stützpunkt.
   Ich zog mich erst um, bevor ich runter zum Gemeinschaftsraum zu den anderen ging.
   »War das nicht ein toller Abend gewesen?«, fragte Anna immer noch aufgeregt. Sie hatte sich ebenfalls umgezogen, wie die anderen.
   »Ich fand's schön«, sagte Elsa und legte ihren Kopf auf Jacks Schulter.
   »Ich auch«, stimmte ich zu.
   Wir redeten noch eine Weile, bis ich anfing zu gähnen und manche ansteckte.
   »Ich geh schon mal«, sagte ich und verließ den Raum. Vor der Tür wurde mir flau im Magen, ich kannte das schon. Dennoch schüttelte ich es ab, aber im Aufzug krampfte sich mein Magen zusammen. Was ist, wenn das wirklich wie in meinem Albtraum war? Dann würde ich gleich das Gebrülle hören ...
   Da war kein Gebrüll. Vorsichtig ging ich aus dem Fahrstuhl, der sich wieder schloss. Es war still, ich lief leise den Flur entlang und schaute um jede Ecke. Als ich um die letzte Ecke bog und schon dachte, dass ich nur verrückt sei, blieb ich auf der Stelle wie eingefroren stehen und sah meinem Vater direkt in die Augen.

Meine Rettung, bevor ich zur Sexsklavin wurdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt