Kapitel 14

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Arora

16.09.668

»Kommen Sie rein«, sagte der Professor, nachdem ich mich schon in sein Büro gedrängt hatte. Er schloss die Tür und drehte sich zu mir. Ich wusste, ich war gerade ziemlich energisch, doch ich konnte es nicht verhindern. Er deutete auf seine Couch, doch ich blieb stehen.

»Sind Sie sich sicher, dass es eine Rebellion gab?«, fragte ich sofort, ohne drum herum zu reden.

Er zog seine Augenbrauen hoch, sein Mund öffnete sich leicht. Meine unruhige Art schien er nicht zu verstehen. Wie auch? Er wusste nicht, was Crimson mir gesagt hatte. Er wusste nicht, dass sie darauf angedeutet hatte, dass ich ihm zu schnell vertraute. Und ich wusste es auch nicht. Sie hatte ihn nicht erwähnt – vielleicht hatte sie ihn gar nicht gemeint. Doch es hatte sich so angefühlt, als ob.

»Natürlich.« War das alles, was er sagen wollte?

»Ich verstehe es nicht!«, platzte es aus mir raus. Ich spürte die Überforderung in mir, die sich breit machte. Schon seit der ersten Nachricht von Gerda bildete sie sich in mir und nun platzte sie. Ich hatte es tief in mir festgehalten, hatte nicht zugelassen, dass sie sich ausbreitete, doch ich war nicht mehr stark genug. »Sie erzählen mir von irgendeiner Rebellion, die damals einen Unsterblichen getötet haben soll, und kein anderer weiß davon Bescheid! Wie kann es sein, dass andere Professoren mir versichern, dass es nie eine Rebellion gab?« Ich konnte meine Worte nicht mehr zurückhalten. Ich wusste, dass er mein Professor war und ich ihm meinen Respekt erweisen sollte, doch hier und jetzt war es mir nicht mehr möglich.

Er schien meine aufgewühlten Emotionen jetzt zu verstehen, denn nun kam er auf mich zu, mit so einem besorgten Gesichtsausdruck, dass ich mich fast schon wichtig fühlte. Als würde er sich um mich sorgen. »Ich verstehe, Sie haben mit anderen Professoren geredet. Das hätten Sie nicht tun sollen.« Ich schüttelte den Kopf, als er mir noch näher kommen wollte und er verstand.

»An meiner Stelle hätten Sie dasselbe getan«, sagte ich. »Ich kenne Sie nicht. Sie sind der erste Professor, der seit ich lebe hier neu anfängt, und erzählen mir etwas, was mir sonst niemand erzählt hat. Eine Rebellion! Kein Professor hat jemals eine Rebellion erwähnt. Sie schon. Ich musste sicher gehen, dass Sie die Wahrheit sagen. Ich war mir unsicher!« Ich seufzte auf, bedeckte meine Augen mit meiner Handinnenfläche.

»Und Sie haben festgestellt, dass Sie mir nicht glauben?«

Als ich meine Hand senkte und ihn ansah, fühlte ich mich sicher. Ein Gefühl, was mir in letzter Zeit fremd war. Ich kannte ihn nicht lange, das stimmte wirklich, doch ich fühlte mich bei ihm sicher. Ich glaubte ihm. Und irgendwie glaubte ich ihm auch nicht.

»Ich weiß es nicht«, teilte ich ihm wahrheitsgemäß mit. »Ich brauche mehr, als nur ein Buch über die Rebellion, um Ihnen zu glauben.«

»Bitte, setzen Sie sich hin.« Erneut deutete er auf die Couch. Ich atmete aus und versuchte mich zu beruhigen, ehe ich mich auf seine gemütliche Couch hinsetzte. So wie gestern setzte er sich zu mir, diesmal ein wenig näher, dass ich wieder seinen Duft riechen konnte. »Ich bin nun seit einiger Zeit Professor und habe an zwei weiteren Internaten arbeiten können. Das erste Internat erlaubte es mir, über die Rebellion zu sprechen. Dort war das kein Problem – das Thema wurde in den Belehrungen thematisiert und das wars. Im anderen Internat lief es genau anders ab: Die Rebellion war ein Thema, was niemand ansprechen durfte und das habe ich dort direkt gesagt bekommen. Es war mir verboten, darüber zu sprechen, denn sonst müsse man mich versetzen. Sie haben mir nicht erklärt, warum, doch so war es. Ich durfte es nicht hinterfragen. Wohlmöglich darf man es hier auch nicht ansprechen, und deshalb verleugnen es andere Professoren auch.«

Was sollte mir das Ganze bringen? Sollte es mich vielleicht überreden, ihm mehr Glauben zu schenken? Es funktionierte nicht. Es verwirrte mich umso mehr.

»Warum erzählen Sie mir von einer Rebellion, über die sie wohlmöglich nicht sprechen können?« Ich wollte es wissen. Warum benebelte er meine Gedanken mit verbotenen Themen, die ich nicht wissen durfte?

Er schüttelte den Kopf, so, als wisse er es selbst nicht.

»Haben Sie keine Erklärung dafür?«, hakte ich nochmal nach.

»Ich... Ich hatte einfach das Bedürfnis, Ihnen davon zu erzählen. So als müssten Sie es wissen. Ich fühlte mich verpflichtet.« Er lehnte sich zurück.

Ich tat ihm gleich. Immer noch verstand ich es nicht. Er fühlte sich verpflichtet, doch warum?

Wir saßen auf seiner Couch, einige Minuten schweigend, als er die Stille brach: »Möchten Sie einen Beweis?«

Meine Augen wanderten zu ihm, verwirrt von seiner Frage. »Ein Beweis?«

»Es ist mir wichtig als Ihr Professor glaubwürdig zu sein. Schließlich werde ich Sie über das ganze Jahr belehren und Sie sollen meinen Worten Glauben schenken können. Ich habe einen Fehler gemacht, als ich Sie in ein Geheimnis verwickelt habe, welches Sie nicht erfahren durften und nun wissen Sie nicht, ob Sie mir glauben können. Zurecht. Ich möchte Ihnen zeigen, dass die Rebellion echt ist und danach müssen wir kein Wort mehr darüber verlieren.«

Ich wusste zwar nicht, wie er mir das beweisen wollte, doch der Gedanke daran beruhigte mich ein wenig, sodass ich nicht anders konnte, als sein Angebot anzunehmen.

Lieder des einsamen Waldes: Im Bann der EwigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt