Kapitel 43

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Arora

08.10.668

Samstag

Als das Blenden der Sonne mich aus meinen Schlaf weckte und Abel's Herzschlag in meinen Ohren pulsierte, wälzte ich mich in der Wärme die mich umgab. Einige Sekunden des Lauschens verrieten mir, dass der Herzschlag des Professors lauter war als das Fließen des Wassers und ich verweilte weiterhin in seinen Armen, nicht bereit, diese schöne Musik verstummen zu lassen.

Irgendwann nahmen aber auch die schönen Dinge ein Ende. Ich entfernte mich von Abel, der mit abgewandtem Blick sofort aufstand und sich mit dem Rücken zu mir zu strecken begann. Ich verhinderte ein Seufzen und begab mich auch auf die Füße und das war die Sekunde, als ich es merkte.

Mein Körper fühlte sich gut an.

Die Kopfschmerzen, die mich schon seit Tagen geplagt hatten, waren endlich verschwunden. Meine Beine und Füße pochten nicht mehr. Meine Schultern waren entspannt, meine Zehen gewärmt, mein Rücken gestärkt. Es ging mir gut.

Eine seltsame Energie durchflutete mich, anders als alles andere, was ich bisher gefühlt hatte. Ich war aufgeladen. Wach. Bereit, durch den ganzen Wald zu sprinten und danach vielleicht sogar ein Freudentanz zu machen, dass ich endlich die Wälder hinter mir gelassen hatte.

Die Vorbereitung auf unsere weitere Wanderung begann. Ich stellte sicher, meine leere Wasserflasche mit dem Wasser des Baches zu füllen und zusätzlich so viel davon zu trinken, wie es mein Magen aushielt. Das Mädchen im Wasser hatte recht gehabt und ich versprach mir, nie wieder an ihren Worten zu zweifeln.

Sie war real. Die Version von ihr in meinen Träumen vielleicht nicht, doch irgendwo auf dieser Welt hatte sie gelebt, lebte wahrscheinlich heute noch, und sie war meine Freundin gewesen. Bisher hatte ich jede Nacht von ihr geträumt. Nur diese Nacht waren meine Träume leer gewesen. Blank. Bunt, aber dennoch irgendwie schwarz. Ein mulmiges Gefühl schwankte in mir drin, doch ich verdrängte es und vertraute darauf, sie dann wiederzusehen, wenn es für unseren Weg zur Zone wichtig war. Sie war bestimmt beschäftigt damit, die Tür zu meinen Erinnerungen zu durchqueren und ich musste sie lassen.

Genauso sehr, wie ich Abel lassen musste.

Er verhielt sich mir gegenüber anders. So anders, dass er der Beschreibung, die May ihm gegeben hatte, nun mehr ähnelte, als die Beschreibung, die ich ihm in meinem Kopf gegeben hatte. Die sanften Augen vermieden nun alle meine Blicke, die vollen Lippen waren geschlossen und verloren keinen Laut der tröstenden Worte, die er mir normalerweise zusprach. Die letzte Nacht waren wir wieder der Wärme wegen eng umschlungen gewesen. Mein Herz wäre mir beinahe aus der Brust gesprungen, doch er hatte kein Wort gesagt. Sich keinen Millimeter bewegt.

Ich hätte nicht gedacht, dass ihn meine Worte so mitnahmen. Dass ich ihn tatsächlich so sehr verletzt hatte, dass ihm jegliche Konversation und Interaktion mit mir zuwider war. Am liebsten hätte ich es angesprochen und versucht ihm zu erklären, dass auch ich eine Verbindung zu ihm spürte, dass auch ich eine gewisse Zuneigung hatte, doch ich biss mir jedes Mal auf die Zunge und tadelte mich selbst.

Meine Wut ihm gegenüber war noch da und er hatte mich gefragt, hatte eine Konversation mit mir darüber führen wollen, doch ich hatte ihn abgewiesen, Mehrmals. Wenn er nun dasselbe Bedürfnis wie ich hatte, dann würde ich es ihm nicht verweigern. Er durfte auch schweigen, Er durfte auch verletzt sein.  Also ließ ich ihn schweigen und ich schwieg im Gegenzug mit.

Nach unseren Vorbereitungen und einem schnellen Frühstück begaben wir uns wieder in den Wald. Die Stunden vergingen, doch mein Körper verspürte immer noch keinen Schmerz, auch wenn wir nur liefen und liefen und ich eigentlich energielos und erschöpft sein musste. Ich dankte innerlich der fremden Winthra und hoffte darauf, dass sie weitere Wasserquellen auf dem Weg verzaubert hatte. Anfänglich hatte ich die Wälder nicht richtig genießen können, da die langen Wanderungen meinen Körper auf eine Art und Weise belasteten, die mein ganzes Fleisch schmerzhaft prickeln ließ. Aber jetzt... jetzt tanzte ich regelrecht durch die Gegend, auch wenn die Lieder des Waldes noch stumm waren und mir nur mein eigenes Summen und das Rascheln der Blätter blieb.

Lieder des einsamen Waldes: Im Bann der EwigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt