Avana
07.06.652unedited
Er roch schlecht.
Nach altem Schweiß, veralteten Klamotten und einem Hauch von Blumen. Und nach Blut. Mir wird übel und ich recke mein Kopf nach hinten, um ein wenig frische Luft abzubekommen, aber es scheint ihn zu stören, denn er fängt an zu murren und mit einem Ruck drückt er mich wieder an sich.
Ich will mich beklagen, ihn von mir wegdrücken und abhauen, aber ich kann nicht. Meine Arme haben keine Kraft mehr und meine Füße, oh man, meine Füße fühlen sich kaputt an. Sie pulsieren vor Schmerzen, also belasse ich es dabei. Ich werde mich wohl vorerst nicht wehren.
Aber ich halte meine Luft an, so lange es geht und dann atme ich aus dem Mund ein, um anschließend wieder die Luft anzuhalten. So wird sein Geruch ein wenig erträglicher, auch wenn ich durch das ganze Luftanhalten das Gefühl bekomme, zu ersticken.
Nach einer Weile schließe ich meine Augen und merke, wie müde ich bin. Was für Kopfschmerzen ich habe. Und irgendwann schaffe ich es sogar, einzuschlafen. Im Halbschlaf vergeht die Zeit schneller und ich nehme sein Geruch weniger wahr.
Irgendwann, da schmeißt er mich unsanft auf den Boden und vor lauter Schreck schreie ich auf. Die Bande lacht und ich drücke meine Tränen weg.
Ich hasse es hier.
Ich hasse sie alle.
Mein Rücken tut weh, mein Ellbogen blutet leicht und ich bleibe auf dem Boden, weil ich nicht mehr weiterweiß.
»Steh auf«, sagt die Frau mit so einer Tonlage, dass ich mir nicht anders helfen kann, als ihr zu gehorchen. Die Blätter auf dem Boden rascheln, die Wiese ist zu lang und nass und viel zu kalt. »Guck mich an.« Ich möchte nicht. Mein Atem ist schnell und ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich wütend bin, oder von meiner Angst ihr gegenüber. Einige Sekunden ist es still und ihr Blick bohrt sich tief in mich ein, sodass ich mich doch geschlagen gebe und sie anblicke. »Wir sind da.«
Bei den Worten gucke ich mich ein wenig um, aber ich sehe nichts Bemerkenswertes. Nichts, was anders ist. Dieselben großen Bäume, die den Himmel verstecken, derselbe Boden, mit derselben Wiese. Nichts ist anders. »Wo sind wir?«, frage ich also und muss mich räuspern. Meine Stimme klingt ungewohnt rau.
»Barlon's Tunnel zum Hauptquartier.« Ich verstehe rein gar nichts. Was soll Barlon sein? Und was ist ein Tunnel? »Und wir müssen uns beeilen, bevor der Magnar anfängt zu verrotten und nicht mehr essbar ist. Zum Glück ist es im Tunnel kalt, sodass wir ein wenig mehr Zeit gewinnen.« Essbar? Sie wollte den Magnar essen? Und was für ein Tunnel, verdammt?! Ihre Hände schieben mich beiseite und ich stolpere leicht. Sie kniet sich da hin, wo ich gerade noch gestanden habe, und streicht mit ihrer Hand den Boden entlang. Dann greift sie etwas, seufzt zufrieden auf und ich staune, als sie den Boden einfach anhebt, als wäre es irgendein Deckel. Ich schlucke bei dem Anblick des großen und dunklen Loches, an der eine Leiter, die nach unten führt, befestigt ist.
»Hüpf rein, Äffchen.«
»Nein!«, rufe ich ohne groß nachzudenken. Ich mache einige, kleine Schritte nach hinten und pralle gegen Silas, auf den ich immer noch wütend bin, weil er mich einfach auf den Boden geworfen hat. »Nein«, verdeutliche ich noch einmal. Ich wusste, dass sie mich töten wollen, aber dass sie mich in ein Loch im Boden, der keine Ahnung wohin führt, schmeißen wollen – das hätte ich niemals erwartet.
Sie kommt mir entgegen, greift einengend nach meinem Handgelenk und zieht mich zu sich, sodass ich gezwungen bin, ihr in die Augen zu sehen. »Du wirst dich mir nicht wiedersetzen. Ich war so nett und habe dich mitgenommen und so dankst du mir? Hätte ich dich wie ein Äffchen weiter auf Bäumen klettern lassen, hoffend, dass du so im Wald überlebst, wärst du wahrscheinlich schon in einigen Stunden gestorben. Du wärst tot. Ein Kind, dass keine Ahnung von unserer Welt hat, keine Ahnung von den Wäldern und den Tieren, die dort lauern und warten, dich fressen zu können – du warst leichte Beute, als du dich im Wald alleine vergnügt hast. Ich habe dein Leben gerettet. Hör auf zu jammern! Dich zu töten ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist es, den Magnar zum Hauptquartier zu bringen, bevor sein Fleisch verrottet und wenn du mich davon abhältst, dann wirst du es bereuen. Verstanden?«
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Lieder des einsamen Waldes: Im Bann der Ewigen
FantasíaIn einer von der Natur bestimmten Welt existieren Internate auf der ganzen Erde, in denen Menschen in gläsernen Vitrinen geboren werden. Ihre Bestimmung ist düster: Sobald sie das siebte Lebensjahr erreichen, besteht für sie die Chance, auserwählt z...