19. Kapitel - „Du bist alles, aber kein Fehler."

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Ich träumte von meinem Vater. Damals, wo alles noch so unbeschwert war, so leicht. Wir waren frei und ohne Sorgen, konnten alles machen, worauf wir Lust hatten. Es war eine tolle Zeit, die ich wohl nie wieder vergessen würde. Es erinnerte mich daran, dass einmal alles noch selbstverständlich war. Alles in dem alten Leben war selbstverständlich. Ein Zuhause, eine Familie, Essen, Trinken – einfach alles war da. Doch alles kann sich von einen auf den anderen Tag verändern.

Das letzte was ich in den Traum sah, war das schmerzverzerrte Gesicht meiner Mutter und ihre letzten Worte hallten durch meinen Kopf: „Alles wird gut, mein Schatz. Ich bin bald wieder bei dir, das verspreche ich dir." Das Versprochen hatte sie nie eingehalten.


Mit einem Zucken erwachte ich und hektisch schaute ich mich um. Ich lag nicht mehr auf dem Boden, sondern im Bett. Neben mir lag jemand. Unverkennbar Logan. Er schlief seelenruhig, sein halber Oberkörper war nicht von der Decke verdeckt. Ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich schaute mich weiter um. Draußen war es hell, also schon morgens. Lustlos warf ich die Decke hoch und raffte mich schwerfällig auf. Meine Füße versanken in den weichen, flauschigen Teppichboden und sofort fühlte ich mich irgendwie wohl. Mit einem leichten Lächeln ging ich durch den Raum, vorbei an den Schrank, wo gleich ein riesiger Spiegel dran war. Ich blieb stehen und drehte langsam meinen Kopf zu dem Spiegel. Als ich mein Spiegelbild erblickte erschrak ich. Meine Augen waren knallrot und sogar ein wenig angeschwollen. Meine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab und... ich sah einfach nur vollkommen scheiße aus. Hatte ich denn so viel geweint? Gott, das war gresslich. Ich trat an den Spiegel heran und klemmte meinen Pony hinters Ohr, um einen besseren Einblick auf mein Gesicht zu haben. Ich fand es schon immer zu rundlich, doch Tyler meinte, das würde mich nur niedlicher aussehen lassen. Mir war bewusst geworden, dass er das nur zu mir sagte, weil ich seine kleine Schwester war.

Ich seufzte und im nächsten Moment klopfte es sachte an der Tür. Erneut entfuhr mir ein Seufzen und die Tür wurde geöffnet. Im Spiegel sah ich, dass es Abigail war. Sie lächelte zögernd.

„Darf ich rein kommen?", fragte sie vorsichtig und ich nickte schlaff. Die Tür schloss sich wieder und sie kam auf mich zu. „Wie geht es dir?"

„Gut.", antwortete ich nicht sehr überzeugend. „Abgesehen davon, dass ich schrecklich aussehe."

„Ach, Mensch, zeig mal her." Sie stellte sich zwischen mich und den Spiegel und betrachtete mich ausgiebig. Sanft rückte sie meinen Kopf hin und her, dabei lag ein Lächeln auf ihren Lippen. „Ich finde dich niedlich. Vielleicht sollten wir dir mal bessere Klamotten und ein Make-up besorgen."

Ich lachte leise und entfernte mich mit gesenktem Blick von ihr.

„Das hilft mir wohl nicht bei meinen Problemen."

„Vielleicht nicht, aaaaber." Sie trat wieder vor mich. „Du brauchst sowieso neue Schuhe, dann können wir dir auch gleich eigene Sachen besorgen."

„Nein, danke.", lehnte ich erneut ab und mein Blick fiel zu Logan, um zu schauen, ob wir ihn störten. Nö, er schlief seelenruhig weiter. „Ich glaube, das ist nicht so meine Welt."

„Hast du es schonmal gemacht?", warf sie ein.

„Nein."

„Also kannst du es auch nicht wissen." Sie lächelte mich breit an. „Komm schon, Mel." Ich warf ihr einen forschenden Blick zu.

„Er hat dich dazu angestiftet, oder?", fragte ich skeptisch. „Dean."

Sie sackte zusammen und seufzte. Also stimmte es.

„Denkt er, es wäre gut für mich?" Ich lachte abfällig und setzte mich ans Bettende. „Oder will er mich jetzt doch loswerden?"

„Er will dich nicht loswerden.", widersprach sie einfühlsam. „Eher das Gegenteil. Schätzchen, er will wirklich das beste für dich."

Andere Welten - Nichts wie es einmal warWo Geschichten leben. Entdecke jetzt