Blutbefleckte Hände

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Als Kia die Höhle endlich gefunden hat, stockt sie, als sie das grässliche Monstrum vor sich erblickt. Sie muss ihren Kopf in den Nacken leben, um in seine herausquellenden, gelben Augen zu blicken. Es hat zwei weit aufgerissene Kiefer, die mit blutigen Überresten von Gedärmen gefüllt sind. Vereinzelte Hände verschiedener Wesen versuchen Halt zu finden, um aus seinem Maul zu fliehen.

Kia hört die Hilfeschreie der bereits halbverdauten Seelen. Sie weiß, dass sie ihnen nicht helfen kann. Der Dämon hat sich über sein nächstes Opfer gebeugt. Aus seinen Armen gleiten schwarze, feine Fäden, die er um seine Opfer wickelt, um sie bewegungslos zu machen.

Mit einem gespaltenem Schädel und riesige Zungen als Beine würde jedes normale Lebewesen das Weite suchen. Doch Kia hatte lange eine große Faszination an Wesen wie diese gehabt. Dies änderte sich mit einer teuflischen Begegnung.

Das Kusado bemerkt ihre Anwesenheit nicht. Sie kann sich ungehindert an das schreckliche Wesen heranschleichen. Mit jedem Schritt wird der Geruch der Fäulnis intensiver. Sie unterdrückt angestrengt den Würgereiz.

Es ist zu sehr auf sein Opfer fixiert. Kia blickt vorsichtig an dem Dämon vorbei und erkennt ihren Bruder wieder. Sie zieht harsch die Luft ein und bereut es im gleichem Atemzug. Sie röchelt leise und ringt mit sich selbst keinen großen Laut von sich zu geben.

Sie blinzelt mehrmals und schaut erneut zu ihm. Raxa liegt ohnmächtig auf den matschigen Boden. Ihr ganzer Körper spannt sich an. Mit einem Mal verschwimmt ihre Sicht und sie wird von einer Panik heimgesucht, die sie starr werden lässt. Ihr Bruder ist ein starker Krieger, der niemals einem albernen Dämon zum Opfer fallen würde - niemals. Und doch liegt er hier. Hilflos im Delirium. Schutzlos ausgeliefert.

Sie weiß, dass er sterben wird. Doch was hätte die Reise dann für einen Sinn? Er ist ihre Familie. Kann sie ihn einfach sterben lassen? Wäre das richtig?

Sie sieht zu wie er immer schwächer wird und weiter in die Scheinwelt abtaucht. Ihr Herz rast ihr wild gegen die Brust. Die Adern pulsieren. Kia muss sich entscheiden. Will sie weiter an ihre Prinzipien festhalten oder wird sie ihn retten? Je länger sie wartet, desto schwerer fällt es ihr. Doch sie weiß, dass sein Leben an einem winzigen Faden hängt.

Er stöhnt vor Schmerzen. Ihre Augen tränen. Sie beißt sich auf die Unterlippe und greift das Monster rücklinks mit ihrer Magie an. Der ganze Raum erfüllt sich mit Licht, während ihr inneres sich von der Schuld und der Last befreit, die jeglichen Zweifel mit hinfort spült.

Das Monster kreischt und wird in Stücke zerrissen, bevor es mitsamt seiner Überbleibsel und dem Licht ins Nichts verschwindet. Raxa röchelt und keucht. Sie schaut auf ihre Hände und seufzt leise. Letztendlich hat sie sich doch eingemischt. Doch fühlt sie keinerlei Reue. Raxa ist ihr wichtiger als sie es für möglich gehalten hat. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf ihrem Gesicht.

Auch wenn Raxa schwach ist, so erkennt er seine Schwester vor ihm, die sich erleichtert auf ihn stürzt und ihn hochzieht. Ihre Kräfte überraschen ihn erneut.

Er möchte ihr einige Fragen stellen. Sein Mund öffnet sich. Doch kein Ton ertönt. Seine Kehle ist zu trocken. Schon lange hat er sich nicht mehr so kraftlos gefühlt.

"Wir müssen dich erstmal in Sicherheit bringen", sagt sie in einem sanften Ton. Kia stützt ihn, bevor sie einen Schritt behutsam vor dem anderen setzt. Seine Beine fühlen sich taub an. Das Gehen fällt ihm schwer. Doch dank seiner Schwester schaffen sie es aus der Höhle raus. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Dünen. Der Himmel strahlt in einem kräftigen Rot. Doch je höher sie blicken, desto gelber und kühler erscheinen die Farben. Die Nacht bricht bald herein. Das könnte weiteres Ungeziefer anlocken. Kia muss sich beeilen.

Die Abenteuer der WyriansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt