Die Abenteuer der Wyrians

Ein seltener Besuch

Der langjährige Hauptmann hat bisher jede Schlacht mit Mut und Raffinesse beschritten, doch nun, als er sich direkt in das gewaltige Nest von der Mutter der Augentröpfler begibt, hat er das Gefühl, lebendig von dieser verschlungen zu werden. Das Blut gerinnt ihm in den Venen. Sein bleich gewordenes Gesicht starrt an der gegenüberliegenden Wand auf die Mordinstrumente, die die kleine, rundliche Frau vor ihm entworfen hat. Er weiß, dass ein falsches Wort ein Arm oder Bein einfordern könnte - wenn das denn als seine Strafe ausreichen würde.

Hax versteht nicht, wie Kess vor seiner Ehefrau keine Angst empfinden kann. Möglicherweise liegt es daran, dass Kess darum vorwiegend Rüstungen oder andere schützende Materialien entwickelt, um nicht nur andere, sondern auch sich selbst im Notfall beschützen zu können. Obwohl er selbst Schusswaffen entwickelt, empfindet Hax Kess gegenüber keinen Respekt. Taph ist eben eine Person, mit der sich niemand ungefragt anlegen sollte. Sie würde nicht zögern zu Waffen zu greifen, die sie eben noch wie ihren wertvollen Schatz aufpoliert hat.

"Was verschafft mir die Ehre, Hax?" Während sie ihn anstrahlt, hat sie ein energisches Lodern in den Augen, das ihn leise schlucken lässt. Er überspielt das Zittern seiner Hände, indem er seinen Kinn darauf betet und zwingt sich ein schiefes Lächeln auf. Womöglich war es ein Fehler, dass er nach dem Fehlschlag beim eigentlichen Problem direkt zu dessen Ehefrau schreitet, in der Hoffnung, dass diese mehr Verständnis zeigt. Doch allein der Blick suggeriert ihm, dass er das Thema um eine gewisse Person nicht anreißen sollte.

Gleichzeitig hat er nicht damit gerechnet, dass er ausgerechnet mitten in eine Teeparty hineinplatzen würde. Wie in einer Therapiegruppe sitzen die Übeltäter allesamt um einen sandbraunen, abgerundeten Birkentisch, der durch seine U-Form eine vertraute Atmosphäre schafft. Sie erinnert Hax an einen Besprechungsraum im Militärgebäude. Vielleicht sollte er dort den Bestand der Einrichtungsgegenstände überprüfen lassen. Kess würde er den Diebstahl zutrauen.

Er macht nicht einmal vor seiner eigenen Frau halt, wenn es um Korruption geht. In Hax Augen hat Kess ein Problem mit Glücksspielen. Er macht nicht einmal vor dem Spiel namens Leben halt. Wenn Taph seine Sucht herausfinden würde, dann würde ihm ein Augentröpfler einen angenehmeren Tod verschaffen.

"Das würde ich auch von euch gern wissen." Seine dicken Augenbrauen ziehen sich zusammen, während er müde um sich schaut. Fana und Glan, die direkt im Zentrum Platz genommen haben, begegnen ihn mit Irritation und Neugier. Bisher ist er nur zweimal Taph besuchen gegangen und das war nur, weil er Raxa für die nächste Mission abholen musste. Freiwillig würde er sich nicht hierher verirren. Da ist ihm das Gruselkabinett, indem seine Tochter schläft, weitaus lieber.

Doch Glan und Fana haben weder ein Anliegen, noch sind sie zu einem Treffen gezwungen worden. Dabei besteht ihr Haus aus Waffen, Fallen und Gegenstände, die nicht nur schwere Verbrennungen hervorbringen können. Das Vertrauen in Taph muss zweifellos gottesgleich sein. Genauso wie das von Kess. Im Nachhinein betrachtet, ist es nicht verwunderlich, dass er sich ausgerechnet eine starke, begabte Schmiedin zur Frau genommen hat.

Schließlich hatte er schon von klein auf eine Schwäche für diese Art von Frauen. Kia ist nicht umsonst Kess erste Liebe gewesen. Sie ist stark und wie ein Tornado - wenn sie einmal wütet, hinterlässt sie nichts außer Verwüstung und Chaos. Doch auch Hax hat sich eine solche Frau damals ausgesucht und trotz der weiten Entfernung weiß er, dass sich seine Gefühle niemals verändern werden. Er ist und bleibt eben ein hoffnungsloser Romantiker.

"Ach, wir reden nur ein wenig über Kess", gibt Fana unverblümt von sich. Ihr schadenfrohes Grinsen trifft Hax eiskalt. Glan nippt unbeirrt an seinen Zitronentee und rümpft seine Nase, bevor er aus seinem Mund ein Minzblatt hervorzaubert.