Der blauviolette Sternenhimmel funkelt magisch über Mori. Vereinzelt sind silberne Sternschnuppen zu erblicken. Doch innerhalb der Stadt ist es totenstill. Lediglich aus einem kleinen Arbeitszimmer ertönen von Mal zu Mal Geräusche in Form eines unheilvollem Raunens, gefolgt von einem verzweifeltem Schnaufen und einem dröhnenden Schrei, der durch das offene Fenster nach außen dringt und bis zum Ende der Stadt geleitet wird.
Der Verursacher bemerkt sein störendes Verhalten nicht, weshalb eine wutentbrannte Okala die Tür aufreißt, um dem Täter zu überführen.
"Kannst du nicht leiser sein? Es gibt Tantros, die schlafen möchten."
Ihr Haar steht wild ab, während sie, in einem geblümten Yukata gekleidet, vor ihm steht. Ihr Zorn, verstärkt durch die Dunkelheit, verpufft innerhalb von Sekunden, als sie in die leeren Augen des Rotschopfes sieht.
"Was hast du jetzt schon wieder?", brummt sie verstimmt, "wenn du Taph vermisst, weißt du, wo die Tür ist." Sie schielt zu dem Notizbuch, über dem er gebeugt sitzt.
"Das ist es nicht", er fährt sich durch sein üppiges Haar, "Hauptmann Hax rechnet mit neuen Entwürfen und Prototypen, aber ich schaffe es nicht, eine einzelne Idee auf das Blatt zu bekommen."
Sie nähert sich ihm und verschränkt ihre Arme vor der Brust. Nun kann sie seinen Frust deutlich verstehen. Wenn sie bei ihrer Näherei keine Fortschritte macht, dann ärgert sie das ebenfalls.
"Manchmal hilft ein Tapetenwechsel oder gutes Essen. Möglicherweise brauchst du ein wenig Abstand von der Arbeit, damit dir etwas einfällt."
Kess sieht sie überrascht an. Er hat nicht damit gerechnet, dass sie seine Probleme ernst nimmt und ihm helfen will.
"Ich mache uns einen Mitternachtssnack. Komm mit." Mit diesen Worten bedeutet sie ihm, ihr zu folgen. Irritiert von der freundschaftlichen Geste der normalerweisen kratzbürstigen Gastgeberin stolpert er ihr unbeholfen nach. Nachdem sie leise die geschnörkelte Wendeltreppe hinunter gelaufen sind, verschwindet Okala in der dritten Tür. Als Kess diese hinter sich schließt, knarrt sie, weshalb er mit Mimik und Gestik ermahnt wird. Er schluckt und lässt seine Schultern hängen.
In der erdbeerroten, großräumigen Küche angekommen, macht sich Okala bereits auf den Weg zum Kühlschrank, während sich Kess nachdenklich auf einen der gepolsterten Stühle setzt. Seine überkreuzten Füße rutschen leicht durch den glatt, glänzenden Natursteinboden. Motivierende, beruhigende Sprüche finden sich auf den cremefarbenen Wänden wieder.
Der Raum erscheint ihm mehr als fremd, da sie sich normalerweise im Esszimmer oder im Wohnzimmer aufhalten. In Zeiten wie diesen vermisst er sein Zuhause. Doch sein Stolz gebietet es ihm nicht, dass er einknickt.
Ein leises Seufzen entrinnt ihm. Okala riskiert einen Blick über die Schulter und verdreht die Augen.
"Das ist anstrengender als dein übliches Benehmen." Sie schüttelt ihren Kopf und setzt einen Zimt-Apfel-Tee auf, während sie den bereits vorbereiteten Obstsalat durchmischt und in handgemachte Keramikschalen füllt.
"Sag mal", fängt sie neugierig an, "gab es einen bestimmten Grund, warum du dich für diesen Job entschieden hast? Was inspiriert dich dabei? Was macht dir daran Spaß?"
Ihre Augen blicken ernst in seine, während sie ihm die Schale mit Keramikbesteck serviert. Von der Frage überrumpelt, vergräbt er sein Gesicht in die Hände.
"Verstehe. Es hat etwas mit Kia zu tun." Mit diesen Worten steigt ihm das Blut ins Gesicht. Seine knallroten Ohren pochen. Damit haben beide nicht gerechnet, weshalb eine kurze Stille erfolgt.
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Die Abenteuer der Wyrians
FantasyRaxa Wyrian hat mehr Schlachten erlebt, als viele seiner gleichaltrigen Kameraden und dennoch kann er sich davon nicht losreißen seine Familie und Freunde beschützen zu wollen. Doch sowohl Hauptmann Hax als auch seine Schwester Kia Wyrian wissen, da...