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Abends als es bereits anfing dunkel zu werden kam ich erst Zuhause wieder vom Joggen an. Fürs Fitnessstudio fehlte mir im Augenblick die nötige Kraft durch den ganzen Schlafmangel, daher entschied ich mich ein wenig Joggen zu gehen. Auch das half mir um herunterzukommen.

Jetzt wo der Bengel der neuen Nachbarin etwas von seinem Trip heruntergefahren war plagten mich andere Sachen um wirklich schlafen zu können. Ich hatte momentan einfach wieder viel zu viel im Kopf. Sachen über die ich eigentlich nicht einmal ansatzweise nachdenken wollte, wie Clay.

Als ich gerade an der Haustüre ankam, sah ich sie den Müll herausbringen.
,,Oh, hey'' begrüßte sie mich.
,,Hey'' grüßte ich sie zurück und nahm den letzten Stöpsel der Kopfhörer aus den Ohren.
,,George war dein Name, richtig?'' Etwas irritiert darüber, dass sie meinen Namen kannte, nickte ich. Ich war mir ziemlich sicher ihn nie ihr gegenüber erwähnt zu haben. Zudem ich erst das zweite Mal mit ihr sprach.

,,Ich bin Kassy'' stellte sie sich vor.
,,Tut mir leid, dass wir uns letztens über andere Wege kennenlernen mussten. Ich hoffe, dass es inzwischen besser geworden ist.''
,,Auf jeden Fall, danke'' versicherte ich ihr.
,,Nichts zu danken, das ist das mindeste. Immerhin war das Haus vor mir noch Kinderfrei gewesen'' scherzte sie.

,,Okay ich muss wieder rein, der kleine wartet. Wir sehen uns'' verabschiedete sie sich. Ich wartete noch einen Moment bis sie hereingegangen war, ansonsten wäre es ziemlich komisch gewesen, da ich ja ebenfalls dort hinein musste. Als ich das Treppenhaus hinausgelaufen war schloss sie gerade die Türe.

Als ich an ihrer Türe im Treppenhaus stand, zwang mich irgendetwas in mir stehenzubleiben.
,,Man spannt nicht die Nachbarn aus'' ertönte diese Stimme in meinem Kopf. Noch immer ließ mich der Gedanke, dass er genau wie Clay klang, nicht los. Doch wieso sollte Clay sich bei Kassy aufhalten? Sie wirkte nicht wie jemand auf die er sich einlassen würde. Naja, dasselbe hätte man über mich damals auch sagen können. Es lagen Welten zwischen uns.

Obwohl Unruhe in mir tobte, blieb ich noch relativ ruhig. Ich war mir ziemlich sicher, dass es wer immer auch dort war nicht um Clay handelte. Clay wusste, wo ich wohnte, er war schließlich selbst hier gewesen. Würde er es wirklich wagen herzukommen? Mir so nah zu sein? Nein, das konnte unter keinen Umständen er gewesen sein. Es würde einfach keinen logischen Zusammenhang mit Kassy ergeben.

Doch, wenn er es wirklich war?
Verdammt nein ich musste aufhören damit.
Aufhören ihn noch immer zu suchen, obwohl ich wusste dass er mir nicht guttat.
Aufhören zu hoffen, dass er sich je wirklich für mich interessiert hatte.
Sonst wäre er zurückgekommen, hätte nach mir gesucht. Sich auf seine verdammten Knie gelegt und mich um Verzeihung gebeten. Auch wenn es nicht hieß, dass ich ihm unbedingt vergeben hätte. Doch das alles hatte er nicht ansatzweise getan. Er war untergetaucht, verschollen - weg von mir geblieben. Nicht ein einziges beschissenes Zeichen gab es von ihm.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich wusste nicht, ob es mich wütender machte, was er mir angetan hatte, dass ich wirklich so bedeutungslos gewesen, während er alles für mich gewesen war oder ihn dennoch vermisste.
,,Fuck!'' schrie ich unüberlegt, während ich noch immer im Treppenhaus direkt vor Kassys Haustüre stand.

Schnell rannte ich die Treppen schon hoch, schloss meine Türe auf und ließ sie hinter mir wieder zufallen. Mein Herz raste, wie konnte ich so impulsiv handeln. Ich konnte nur hoffen, dass diesen Schrei mir niemand zu ordnen konnte. Ich hatte keine Lust eine Beschwere für Lärmbelästigung von dem alten Jens zu erhalten. Das tat der alte nämlich so gut wie bei jedem hier. Würde mich nicht wundern, wenn Kassy bereits eine kassiert hatte und der Bengel daher ruhiger geworden war.

Gerade als ich nur wenige Schritte von der Türe getreten war klopfte es an. Erstarrt blieb ich stehen und hoffte, dass die Person verschwinden würde. Konnte man mir den Schrei doch zu ordnen? Mit leisen und langsamen Schritten lief ich zur Türe zurück und schaute durch den Türspion. Diesmal fluchte ich lautlos, denn Kassy stand davor.

Ehe sie erneut klopfte, öffnete ich die Türe und widmete ihr ein verkrampftes Lächeln, zugegeben war es etwas unangenehm. Schließlich hatte ich vor wenigen Minuten draußen erst mit ihr gesprochen. Besorgt musterte sie mich.
,,Ist alles in Ordnung? Ich habe dich schreien gehört und dachte, dass etwas passiert wäre.''
,,Tut mir leid...ich hatte wohl meine fünf Minuten'' entgegnete ich ihr etwas scherzend und kratzte mir am Hinterkopf.
,,Oh'' kam es verwundert, dennoch erleichtert von ihr.
,,Dann bin ich froh, dass dir nichts passiert ist'' lächelte sie.

,,Mika!'' ertönte plötzlich diese männliche Stimme wieder, ehe der Sohn von Kassy halb zu sehen war. Er rief nach seiner Mama und wollte die wenigen Stufen zu ihr hochlaufen, doch wurde zurückgezogen. Es war dieselbe Hand, dieselbe Hand von letztes Mal. Diesmal war jedoch mehr zu sehen, der halbe Arm.

Er war nur für eine Sekunde zu sehen, doch dieses Tattoo am Unterarm. Es war dasselbe Tattoo wie Clay es am Unterarm hatte. Das Tattoo, was sie alle trugen. Mitch, Colin, Silver und er. Es war ausgeschlossen, dass jemand Wildfremdes dieses Tatto tragen konnte und dann auch noch an derselben Stelle. Es war eine Vier in einem Feuerring.

Als ich meine Gedanken und diese Tatsachen realisierte, zog sich alles in mir zusammen. Meine Kehle schnürte mir die Luft zum Atmen zu. Mein Körper konnte sich keinen Zentimeter bewegen.
,,George?'' hörte ich Kassy meinen Namen sagen, doch konnte nicht reagieren.
,,Ich...sorry...' bekam ich nur leise und verzögert heraus, ehe ich ihr die Türe vor der Nase zuknallte.

Während ich mit dem Rücken die Türe hinunterrutschte, da meine Knie schwach wurden und mich nicht mehr aufrecht halten konnten versuchte ich mich zu beruhigen, doch mit jeder weiteren Sekunde wurde es schlimmer. Mein Herz raste so schnell wie noch nie. Ich konnte nicht glauben, dass er es wirklich war.

Die ganze Zeit war er direkt unter mir, im selben Haus. Er ging durch dieselbe verdammte Haustüre wie ich und ich wusste es nicht. Doch er? Er wusste es. Er wusste, dass ich hier war. Alles in mir schrie danach ihn zu konfrontieren, auch wenn ich dabei zusammenbrach.


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Glaubt ihr, dass George ihn eher konfrontieren oder sich zurückziehen wird?🧐

Soft; but not my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt