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Clay

Es ertönte ein direkter Schrei im Treppenhaus. Sofort hatte ich erkannt, dass es George war. Instinktiv wollte ich hinausrennen und nach ihm schauen, doch es ging nicht.
,,Was war das?'' fragte Kassy.
,,George.''
,,Wie kommst du auf George? Ich habe gerade eben noch mit ihm gesprochen, es war alles in Ordnung'' entgegnete sie.
,,Bitte geh einfach nach ihm schauen.'' Ich musste wissen, ob es ihm gut ging.

Während Kassy nach George schaute, kümmerte ich mich um Mika. Ich hatte mich nur für zwei Sekunden umgedreht, da stand er auf und lief ins Treppenhaus. Ich konnte ihn noch gerade kurz bevor er die Stufen hinauflaufen wollte zurückziehen. Ich hatte keine Ahnung was da los war und auf Mika musste alleine durch Silver besondere acht gegeben werden.

Nachdem ich Mika zurück in die Wohnung gescheucht hatte, blieb ich draußen an der Haustüre stehen und lauschte. Weder Kassys noch Georges Stimme ertönte mehr. Man hatte mein Gesicht nicht gesehen, da war ich mir sicher. Doch dann machte es klick, ich schaute auf das Tattoo. Das Tattoo, welches wir vier uns damals stechen lassen hatten. Als Zeichen, dass wir ein Team waren. Auch wenn von diesem Team heute nichts mehr zu sehen war. Colin war der einzige mit dem ich nach wie vor in Kontakt stand. Mitch hatte sich eines Tages einfach verpisst und Silver? Der Typ war seinen eigenen Weg gegangen, bis er von Mika erfahren hatte.

Ein Klopfen riss mich aus den Gedanken.
,,George?'' rief Kassy seinen Namen. Wenn George das Tattoo gesehen hatte wusste er, dass ich hier war. Wusste, dass ich direkt vor seiner Nase war. Mein Herz begann zu rasen. Ich konnte nur hoffen, dass er es nicht gesehen hatte. Doch wie ich die Situation einschätzte, hatte er das.

Kassy rief mehrmals nach George, doch er öffnete die Türe nicht mehr.
,,Kassy'' rief ich sie nun, woraufhin sie zurückkam.
,,Lass gut sein, er wird nicht mehr mit dir reden.''
,,Aber wieso?'' fragte sie irritiert.
,,Weil er weiß, dass ich bei dir bin.''
,,Hat er dich gesehen?''
,,Was er gesehen hat, reicht ihm, um zu wissen, dass ich es bin'' antwortete ich ihr.

Meine Gedanken kreisten sich darum, was er gerade dachte, was er fühlte und was er als Nächstes tun würde mit dem Wissen, dass ich mich im selben Haus wie er befand. Zwei Jahre waren vergangen seit wir uns das letzte Mal gegenüber gestanden hatte. Zwei Jahre in denen ich mich nach ihm gesehnt hatte, obwohl ich kein Recht dazu hatte.

Wenige Minuten später beschäftigte sich Kassy mit Mika im Wohnzimmer als es an der Türe klopfte. Kassy stand auf und wollte zur Türe gehen, doch ich hielt sie auf. Mein Gefühl wusste genau wer sich hinter der Türe befand und wieso er hergekommen war. Es würde nichts mehr bringen ihm auszuweichen. Erst recht, da er nicht locker lassen würde, bis er mir gesagt hatte, was er sagen wollte.

Mit rasendem Herzen lief ich zur Türe. Meine Hand lag bereits auf dem Griff, doch zögerte sie hinunterzudrücken. Zwei Jahre lang hatte ich Angst vor diesem Moment. Ja, ich Clay Cason hatte verdammt nochmal Angst einem einfachen Typen wie George in die Augen zu schauen. Einem Typen, der meinetwegen das Licht seines Lebens verloren und beinah draufgegangen wäre, während er bereits geistig am Ende war. Den ich auf eine Art und Weise liebte, die uns beide zerstörte.

Ich atmete tief durch und öffnete sie. Als sein Gesicht zum Vorschein kam, stockte mir der Atem. Seine verführerischen braunen Augen hingen in meinen fest. Sein Blick sagte mir bereits so viel. Wie viel er alleine schon darunter litt mich in diesem Augenblick zu sehen. Mir direkt in die Augen schauen zu müssen. Er blinzelte nicht einmal.

Plötzlich spürte ich nur noch meine Wange pochen, er hatte mir eine Backpfeife verpasst, die ich nicht kommen sah. Ansonsten hätte ich seine Hand mit Leichtigkeit abgefangen.
Ich biss mir auf die Unterlippe und musterte ihn.
,,Das habe ich wohl verdient'' entgegnete ich ihm.

Mir fiel die Art wie er atmete auf. Unregelmäßig, ängstlich, nervös, wütend.
Er presste seine Lippen zusammen, seine Augen wurden glasig.
,,Verdammtes A - '' er brachte nicht einmal mehr eine einfache Beleidigung hervor.
,,Ich weiß'' versicherte ich ihm. Ich wusste, dass ich ein Arschloch war.
Ich wusste, dass er meinetwegen durch Leid ging, den er ohne mich wahrscheinlich nicht einmal kennen würde. Wenn er doch nur wüsste, dass es mir nicht anders ergangen war. Dass ich genauso gelitten hatte. Doch das würde er mir niemals glauben.

Als er seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und sie seinen Wangen hinunterliefen, drehte er sich um und wollte gehen, doch ich griff instinktiv nach seiner Hand. Wie erstarrt blieb er stehen und rührte sich keinen Zentimeter.
,,Es tut mir leid, George.''
Langsam drehte er sich wieder zu mir um. Sein Blick war verletzt, enttäuscht und hasserfüllt.
,,Wenn es dir wirklich leidtun würde, hättest du es mir schon eher gesagt.''
,,Und nur weil du dich entschuldigst, heißt es nicht, dass ich dir vergebe.''

,,Ich weiß nicht, ob ich dir je vergeben kann und damit rede ich nicht von der Art wie du mich behandelt hast. Sondern davon, dass du dich nach dem Unfall nie wieder blicken lassen hast. Nicht einmal eine einfache Nachricht kam von dir, nichts.'' Er stoppte und atmete durch, ehe er weitersprach.

,,Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchmachen musste und das nur weil ich mich in dich verliebt hatte. Dir gefallen und dich nicht verlieren wollte, egal unter welchen Umständen. Ich habe so sehr versucht dich zu vergessen und jetzt muss ich wieder deinen Anblick ertragen. Mit dem Gefühl leben zu wissen, dass du dich direkt unter mir befindest. Zu wissen, dass ich dir so verdammt egal bin, während mich dein Gesicht nachts wach hält.''

,,George...''
,,Sprich meinen Namen nie wieder aus'' entgegnete er sofort.
,,Um Frieden mit mir selbst schließen zu können war das hier einfach nötig. Ich will nie wieder etwas mit dir zu tun haben." Seine Worte trafen mich direkt im Herzen. Aber was hatte ich erwartet? Dass er sich mir um den Hals schmiss und sagte wie sehr er mich vermisst hatte?

Ich war nicht mehr dieselbe Person wie vor zwei Jahren noch, doch nun war es zu spät. Zu spät Sachen ändern zu wollen, die schon längst nicht mehr rückgängig machen zu waren. Sachen, die ihn womöglich den Rest seines Lebens prägen würden. Seine Worte waren keine Ansage, es war ein Abschied. Der Abschied, den er nie bekommen hatte.


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Keine Ahnung was ich sagen soll, deshalb: Crazy

Soft; but not my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt