Kapitel 7

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Die Sightseeing-Tour dauerte länger, als ich erwartet hatte. Es wurde bereits dunkel, als wir endlich eine Pause einlegten.

"Eigentlich haben wir jetzt alles Wichtige gesehen", sagte Bokuto, der die Stadt natürlich sehr gut kannte und wusste, worauf es ankommt.

"Dann können wir ja hier Schluss machen", schlug ich vor.

Bokuto machte wieder die Pose mit den Fingern und setzte einen nachdenklichen Ausdruck auf. Ich glaube das machte er, weil er glaubte, dass das irgendwie cool und mysteriös aussieht. Aber für uns könnte er sich das sparen. Wir sind nicht seine Fangirls und auch nicht Akaashi.

"Ja", stimmte Hinata mir zu, als Bokuto immer noch nicht geantwortet hatte. "Ich würde mich jetzt gerne langsam mal ins Bett machen. Morgen müssen wir schließlich früh raus. Willst du auch Kotaro?"

Ich hatte keine Ahnung, ob er wirklich ins Bett oder einfach nur Bokutos Erzählungen entkommen wollte.

Dieser schüttelte nur den Kopf. "Ich kann jetzt sicher noch nicht schlafen. Ich dreh lieber noch ne Runde. Bis morgen, Shoyo. Und bis hoffentlich bald, Kageyama!" Er grinste.

Irgendwie musste ich zugeben, dass er schon eine freundliche und sympathische Seele war. Obwohl er mich kaum kannte, hatte ich das Gefühl, dass er sich ehrlich gefreut hatte, mich wieder zu sehen.

Dann verschwand Bokuto auch schon um die nächste Ecke. Ich schaute ihm noch einen Moment nach, unsicher, was ich jetzt tun wollte. "Kotaro ist ein ehrlicher Mensch. Du kannst ihm ruhig glauben", kommentierte Hinata, als hätte er meine Gedanken gelesen. "Und ich hab mich auch gefreut, dich wieder zu sehen"

Mein Blick schnellte zu Hinata. Dieser schaute mich einfach nur an.

"Ich mich auch", antwortete ich.

"Also… zum Hotel muss ich dann da lang", sagte Hinata und deutete mit dem Daumen auf die Straße hinter sich.

Ich nickte und dann wusste ich plötzlich, was ich jetzt noch machen wollte. "Darf ich dich noch ein Stück begleiten?"

Überrascht begegnete Hinata meinem Blick, nickte dann aber.

Er antwortete nichts darauf, sondern mied für einen Moment meinen Blick. War er plötzlich schüchtern geworden?

Den ganzen Weg über schwiegen wir und ich schaffte es nicht, ein Gespräch anzufangen, obwohl ich mich gerne noch ein wenig mit meinem ehemaligen Teamkameraden unterhalten hätte.

Ich wusste auch nicht genau, was es war, aber ich hatte das unglaubliche Bedürfnis, noch einen Moment länger bei Hinata zu bleiben. Jetzt, wo wir seit Jahren das erste Mal wieder alleine waren.

Als mir das bewusst wurde, stieg Panik in mir auf. Hinata würde bald schon wieder mit seinem Team zurück nach Hause fahren und wer wusste, ob wir uns dann außerhalb von Spielen nochmal wiedersehen würden. Wahrscheinlich nicht. Und obwohl ich die letzten zwei Jahre genauso gut ohne ihn ausgekommen war, wollte ich ihn jetzt nicht einfach so gehen lassen.

Also fragte ich: "Ich habe nach der Saison ein paar Tage frei. Würdest du mit mir in den Urlaub fahren wollen?" Oh man, in meinem Kopf hatte sich das wirklich besser angehört. "Ich meine, wir haben uns erst gestern wiedergesehen, aber…"

"Ja", unterbrach mich Hinata und ich stockte. "Das möchte ich" Als ich es endlich wagte, ihn anzuschauen, sah ich ein ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht. Das Licht einer Laterne, unter der wir stehen geblieben waren, beleuchtete sein Gesicht auf einer Seite in orangenen Licht. Es sah so verdammt schön an ihm aus.

Kleine Schmetterlinge, die ich vor Jahren vergessen geglaubt hatte, tanzten in meinem Bauch.

Ich nickte. "Gut, dann meld dich einfach nochmal, ja? Dann können wir alles weiter besprechen." , meinte ich, da ich merkte, dass wir bereits am Hotel angekommen waren. Ich wollte ihn nicht auch noch bis aufs Zimmer begleiten. Das wäre seltsam gewesen. Also würde ich jetzt bald die Fliege machen müssen.

"Ist gut", antwortete Hinata.
Er steckte seine Hände in die Taschen seiner dünnen Jacke und zog die Schultern hoch. Offensichtlich hatte er genauso wenig wie ich damit gerechnet, dass es heute noch so spät werden würde und sich für eine leichtere Jacke entscheiden.

Aber anscheinend fröstelte es ihm mehr als mir, weshalb ich ihm schnell noch eine gute Nacht wünschte und mich selbst auf den Rückweg machte.

Nachdem ich um die nächste Straßenecke gebogen war, löste sich langsam meine Blase auf, in der ich mich die letzten Stunden befunden hatte. Was hatte ich da gerade gemacht? War ich denn noch ganz dicht? Ich hatte mir das doch überhaupt nicht überlegt! Ich kannte Hinata doch gar nicht mehr richtig, so lange wie wir uns nicht mehr gesprochen hatten.

Am liebsten wäre ich zurück gerannt und hätte ihm gesagt, dass ich Mist gebaut hatte und alles nochmal überdenken wollte, aber das würde alles nur noch schlimmer machen. Nein, besser wäre es, ich könnte die Zeit zurückdrehen und das Ganze ungeschehen machen. Aber das war unmöglich.

Ich irrte noch eine ganze Weile durch Tokyo herum, da ich glaubte, dass ich mich jetzt sowieso nicht entspannen konnte. Irgendwann jedoch gab ich es auf und machte mich auf dem Weg zu meinem Zimmer, wo ich mich schließlich ins Bett fallen ließ. Dort vergrub ich mich tief in die Decke, in dem Versuch, den heutigen Tag einfach zu vergessen.

***

"Du hast was?" Marins Gesicht tauchte auf dem Bildschirm meines Handys auf.

"Ich hab Shoyo gefragt, ob er mit mir in den Urlaub fährt", wiederholte ich zerknirscht, was ich ihr bereits geschrieben hatte. Nachdem sie die Nachricht gelesen hatte, hatte sie mich sofort über Face-call angerufen. Das machte sie immer, wenn sie Neuigkeiten besprechen wollte. Meistens waren es ihre Neuigkeiten, über die wir sprachen, da ich recht wenig über mein eigenes Leben sprach. Diesmal aber hatte ich irgendwie das Gefühl gehabt, mit jemanden darüber reden zu müssen und da war mir nur Marin eingefallen.

Sie war eine Schulfreundin. Wir waren auf der Karasuno in dieselbe Klasse gegangen. Mit der Zeit hatten wir uns kennengelernt, aber erst im dritten Jahr waren wir richtig Freunde geworden.

Und obwohl viele von unseren Mitschülern vermuteten, dass wir ein Paar gewesen waren, war das zwischen uns nie ein Thema gewesen. Wir waren einfach nur gute Freunde, was für mich mehr Wert hatte als alles andere. Sie war einfach immer für mich da gewesen.

“Wie ist es denn dazu gekommen?” Martin klang skeptisch. Zurecht. Ich verstand mein Vergangenheits-Ich ja selber nicht. Ich erklärte ihr, was in den letzten zwei Tagen passiert war.
“Irgendwie war es einfach ein Bauchgefühl. Ich würde gerne wieder mit ihm reden…”, endete ich meinen Bericht.

“Okay, warte. Ihr habt kaum allein miteinander gesprochen? Tobio, er ist praktisch ein Fremder für dich” Marin durchbohrte mich geradezu mit ihrem Blick. Am liebsten hätte sie durch den Bildschirm gefasst, das wusste ich. Und hätte sie nicht am anderen Ende des Landes gewohnt, hätte sie wahrscheinlich schon vor meiner Haustür gestanden.

Ich schüttelte den Kopf. “Nein, wir sind drei Jahre zusammen zur Schule gegangen", antwortete ich trocken.
“Aber ihr habt euch auch über zwei Jahre nicht mehr gesehen”

Als ob ich das alles nicht selbst wüsste. “Ich weiß, dass es dumm ist, aber ich möchte es gerne versuchen. Vielleicht ist es die einzige Möglichkeit”

“Pass einfach auf dich auf, ja Tobio? Pass auf, dass du nicht wieder verletzt wirst.” Natürlich wusste Marin von der Sache, die zwischen mir und Hinata vorgefallen war. Sie war nicht live dabei gewesen, aber ich hatte ihr ein wenig davon erzählt.

“Ja. Es ist ja auch noch ein wenig hin. Wenn ich ein mieses Gefühl bekomme, kann ich die Sache immer noch abblasen", erklärte ich. Dabei wusste ich nicht, ob ich eher mich oder sie damit beruhigen wollte.

You are my future and my past (Kageyama x Hinata FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt