Wie es dazu gekommen ist, dass Harry und ich gerade in einem Restaurant sitzen und auf unser Essen warten, kann ich weder Toni noch Alissa erklären. Vor sechs Monaten trafen wir uns alle bei Alissa und Amanda zuhause und auch Harry und Toni kamen dazu. Amanda stellte uns eine Arbeitskollegin von sich vor, Tiffany. Eine wundervolle Person, sofort verstanden wir uns mit ihr und Toni ganz besonders gut. Zwei Tage später trafen die zwei sich und seitdem muss ich mir jeden Tag anhören wie toll sie ist. Auch von Tiffany höre ich nur wie toll Toni ist. Ziemlich niedlich. Auch zu Paige habe ich Kontakt aufgenommen, weil Marco mich darum gebeten hat, als ich sie ins Telefon schluchzen hörte, bereute ich es sofort, dass ich es nicht schon früher getan habe. Dann trafen wir uns alle bei mir, sogar Harry lud ich ein. Es fühlte sich so komisch an, so viele Menschen um mich zu haben. Ich habe mich in dieses Gefühl verliebt. Noch nie habe ich so viel Liebe und Geborgenheit gespürt, wie in den letzten sechs Monaten. Diese Menschen bedeuten mir so viel. Auch Harry's und Toni's Freunde kamen, John, ihn kannte ich schon und sofort entschuldigte er sich für alles, obwohl er damals so nett zu mir war. Dann waren da noch Lukas und Enzo, ziemlich coole Typen und super freundlich. Dann machte Enzo eine WhatsApp Gruppe und fügte uns alle hinzu und nannte sie ‚Selbsthilfegruppe'. Wieso? Enzo erklärte es ganz simpel, er sagte nämlich ‚Wir haben alle einen Schaden und hatten nicht die beste Kindheit und oben drauf, haben wir alle Therapie gemacht, deswegen passt dieser Titel zu uns'. Er hatte recht, deswegen heißt die Gruppe immer noch so. Wir haben viele Nächte zusammen verbracht und eine Nacht beschlossen wir, unsere Geschichte zu erzählen. Ich war so erstaunt darüber, denn als wir uns kennenlernten hätte ich nie gedacht, dass wir so viel gemeinsam hätten. Jeder kämpfte mit seiner Vergangenheit. Dann fingen wir an uns unsere Geheimnisse anzuvertrauen, denn Paige sagte, schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden. Auch ich erzählte über mich und meine Kindheit und die Sache mit meiner Mutter, erzählte ich auch. Mit so viele Tränen, Umarmungen und so viel Verständnis für das was ich getan habe, habe ich nicht gerechnet, doch ich bekam sie von jeden einzelnen. Seitdem treffen wir uns so oft wie wir es schaffen und verbringen unsere Freizeit zusammen. Wir fahren oft über das Wochenende weg oder unternehmen in der Stadt etwas. Vor zwei Wochen fragte mich Harry, ob ich mit ihm Essen gehen würde und da wir so viel Zeit miteinander verbringen und uns gut verstehen, sagte ich zu. Deswegen sitzen wir hier und lachen gerade über die Geschehnisse von letzter Woche.
„Wo würdest du gerne leben?" Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und zucke mit den Schultern. „Da muss doch ein Ort sein, wo du immer schon hinwolltest."
„Karibik." sage ich knapp und nehme ein Schluck von meinem Wasser. „Ich liebe es."
Harry legt den Kopf schief und lächelt. „Ernsthaft? Das würde doch sowas von langweilig werden nach einiger Zeit." Sofort schüttele ich den Kopf.
„Ich würde es lieben. Oder einfach dort, wo es keine Menschen gibt, einfach irgendwo im Wald-." sofort höre ich auf zu reden. Auch Harry's Miene ändert sich. Kurz herrscht Stille, denn wir beide wissen nicht was wir sagen sollen. „Wo würdest du denn gerne leben wollen?" Um die Situation nicht noch unangenehmer zu machen, stelle ich ihm eine Gegenfrage.
„Wahrscheinlich auch eher irgendwo am Meer. Ein kleines Häuschen direkt am Meer, wäre doch schön, nicht wahr?" ich nicke und Harry lächelt. „Es tut mir so leid." flüstert er.
„Was genau tut dir denn leid?" er zuckt mit den Schultern und legt sein Besteck zur Seite.
„Einfach alles. Ich wollte dich beschützen, doch ich hätte es anders machen müssen. Ich hätte mit dir reden müssen, dich einfach über die Sache aufklären müssen." Er legt seine Hand über meine und ich lasse es zu. „Ich hatte einfach Angst, dass dir etwas passiert."
„Ich glaube dir. Auch wenn ich mir wünschte, du hättest es mir erzählt, aber es ist nunmal passiert und die Zeit zurückdrehen können wir auch nicht." Ich schaue auf seine Hand die immer noch auf meiner liegt und als er meinen Blick sieht, entfernt er sie sofort. „Kannst du mich dorthin bringen?" Verwundert sieht er zu mir.
„Ernsthaft?" ich nicke nur. Er scheint kurz zu überlegen und nickt dann schließlich. „Im Sommer ist es wirklich schön dort. Wann möchtest du hin?"
„Morgen?" Er lächelt und nickt. „Gleich in der Früh könnten wir ja losfahren?" Harry nickt wieder und bezahlt unser Essen und wir verlassen gemeinsam das Restaurant.
„Darf ich dich heimfahren?" Ich bin nie mit Harry gefahren, aber da wir versuchen wieder normal miteinander umzugehen, beschließe ich ja zu sagen. Er hält mir die Türe auf und ich steige ein.
Als wir vor meinem Wohnhaus stehen, steigen wir aus. „Du solltest echt nicht in dieser Gegend wohnen, Hope. Das ist echt eine beschissene Gegend." sagt Harry als er die Betrunkenen und Obdachlosen sieht, die nicht weit entfernt vor den Eingang stehen.
„Das war eigentlich als eine Übergangslösung gedacht, bis ich einen Job finde." Ich krame meinen Schlüsselbund heraus und wir gehen zum Eingangsbereich. „Da ich jetzt genug gespart habe und mein Vertrag in zwei Monaten abläuft, muss ich mir sowieso etwas Neues suchen."
„Hoffnungslose Hope." flüstert jemand und abrupt drehe ich mich um.
„Joe, du sollst aufhören mich ständig zu erschrecken." Joe lächelt mich an und gibt ein leises ‚Sorry Madam' von sich. Ich nehme den Sandwich und die Wasserflasche aus meiner Tasche und überreiche sie ihm. „Morgen gibt es wieder Pizza." Dankend nimmt er die Sachen und schickt mir einen Luftkuss zu.
„Du bist mein Schutzengel." Joe ist 55 Jahre alt und ab und zu reden wir miteinander. Wenn er nicht allzu betrunken und ansprechbar ist, natürlich. Er hat seine Frau verloren und ist danach so tief gesunken, dass er seinen Job und seine Wohnung verloren hat. Doch immer wieder sagt er, dass er glücklich ist, denn hier draußen hat er Freunde. Er tut mir leid, doch helfen lässt er sich auch nicht. Deswegen kriegt er täglich eine Kleinigkeit von mir. Ich verabschiede mich von ihm und sehe dann zu Harry, der mich mit zusammengezogenen Augenbrauen ansieht.
„Wieso bist du so?" fragt er und verwirrt sehe ich zu ihm. „Naja, so wie du bist halt eben. Zu nett." er fährt sich durch die Haare und sieht sich kurz um. „Diese Gesellschaft hat so jemanden wie dich nicht verdient." Ich lächle, denn das ist das süßeste was er überhaupt jemals gesagt hat.
„Danke, ich nehme es mal als Kompliment."
„Du kannst ja bei mir wohnen?" Sofort schüttele ich den Kopf. „Mein Apartment ist groß genug für uns beide. Gib doch die Wohnung jetzt schon zurück und zieh zu mir, ich verspreche dir, dir deinen Freiraum zu lassen." wieder schüttele ich den Kopf. „Ich bitte dich ja nicht mich zu heiraten, wir können daraus ja eine Art WG machen?" wieder nur ein Kopfschütteln. „Gut, Sturkopf, ich hole dich morgen um 10 Uhr ab?" Harry und ich verabschieden uns und ich gehe hinauf und Harry fährt davon.
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Gescheiterte Entführung
Fanfiction„Ich werde niemandem etwas sagen, ich verspreche es." Sage ich leise und der Mann lacht und schüttelt den Kopf. „Ich verspreche es." Wiederhole ich. „Dein Haus steht mitten im Wald. Du hast ein Hochgesichertes System. Deine Fenster haben Schlösser...