Es war ein Fehler

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Ich komme aus der Dusche und ziehe mich an. Langsam öffne ich die Türe und gehe raus. Als ich im Wohnzimmer ankomme, bleibe ich neben der Couch stehen und weiß nicht was ich tun soll. Ich sehe mich um, finde aber nichts. Keine Bilder. Nichts.
Ich gehe um die Couch und sehe ein Laptop. Langsam gehe ich näher und bleibe abrupt stehen, da ich Harry entdecke. Er steht in der Küche, mit dem Rücken zu mir. Als hätte er meinen Blick gespürt dreht er sich um.

„Komm her." Sagt er und dreht sich wieder um. Ich gehe auf ihn zu und setze mich hin. „Das Essen ist gleich fertig." Ich nicke und konzentriere mich auf seine Hände, die gerade dabei sind Tomaten zu schneiden.

„Darf ich dir eine Frage stellen?" Er schüttelt den Kopf und fügt noch ein ‚Nope' hinzu.
„Wieso bin ich hier?" Trotz seiner Antwort stelle ich ihm die Frage und warte. Er sieht mich an, sagt aber nichts. „Bitte, antworte."

„Das war ein Fehler. Ich habe dich einfach verwechselt." Er nimmt zwei Teller heraus und legt die Lasagne drauf. Nimmt dann den Salat und legt alles auf die Kücheninsel. „Iss." Sagt er und beginnt selbst zu essen. „Ich habe dich einfach verwechselt." Sagt er und schüttelt den Kopf.

„Nur weil du einen Fehler begangen hast, sitze ich hier fest?" Sage ich und muss mich echt zusammenreißen um nicht loszuheulen. Er legt seinen Besteck weg und sieht nicht gerade glücklich aus.

„Es hätte schlimmer enden können, also beschwer dich nicht." Zischt er und lehnt sich zurück.

„Es hätte gar nicht dazu kommen dürfen." Sage ich leise und beiße ein Stück ab.

Wir reden kein Wort, während wir aufessen. Harry nimmt das Geschirr und legt es in den Geschirrspüler. Er steht auf und geht ins Wohnzimmer und ich setzte mich auch auf die Couch. Er nimmt seinen Laptop und geht ins Zimmer nebenan. Als er zurückkommt, hat er seinen Laptop nicht in der Hand. Was ist wohl in dem Zimmer? Diese Gedanken verfliegen schnell als er das Zimmer absperrt und die Schlüssel in seine Hosentasche steckt. Irgendwann zieht er die Hose auch aus, Hope. Schon wieder diese Stimme. Diesmal hat sie jedoch recht, ich könnte versuchen an die Schlüssel zu kommen.

„Fanny." Sagt Harry aus dem nichts und setzt sich auch hin. „Sie kommt zweimal die Woche zum putzen vorbei." Ich könnte vielleicht doch etwas früher hier weg. Er schaltet den Fernseher aus und schaut wieder zu mir. „Denk nicht einmal dran." Als wüsste ich nicht, worauf er hinaus will, schaue ich ihn verwirrt an. „Sie weiß was wir hier treiben. Denk nicht mal dran, dass sie dir irgendwie helfen könnte." Ich falte die Hände und schaue auf den Boden. Ich komme hier nicht raus.

Harry steht auf und geht um die Couch. „Ich will dir den Keller zeigen." Als er diese Wörter ausspricht, wird mir schlecht. „Ich will einfach nicht, dass du auf dumme Gedanken kommst." Er öffnet die Tür und sagt ich soll vorgehen. Ich komme unten an und habe das Gefühl, ich müsste kotzen. In der Mitte vom Keller liegt eine Matratze, neben der Matratze liegen Ketten und Klebeband. Was zur Hölle?

Ich mache einen Schritt zurück und stoße gegen Harry. „Ich will hier weg, bitte." Sage ich leise und drehe mich zu ihm. „Bitte." Schluchze ich auf und drehe mich wieder zur Matratze. Meine Augenlider geben langsam nach und mir wird schwarz vor den Augen.

12 Jahre zuvor.

„Sieh sie dir mal, das ist doch alles lächerlich." Zum dritten Mal wiederholt er diesen Satz. Ich kann es nicht mehr hören. Ich weine vor mich hin. Meine Hände spüre ich auch nicht mehr, da sie das Klebeband wieder einmal zu fest gemacht hat. Mir kratzt die Nase. Ich habe Hunger. Ich will wieder hoch in mein Zimmer.

„Mama, ich verspreche ich werde mich benehmen." Auch ich sage diesen Satz zum dritten Mal, kriege jedoch wieder keine Antwort. „Darf ich wieder in mein Zimmer, bitte?"

„Schätzchen, wir machen das nicht um dich zu ärgern, aber anders lernst du nicht. Ich habe dir jetzt zum zweiten Mal gesagt, dass du dein Zimmer aufräumen sollst, aber du hast es nicht getan." Frustriert fährt sie sich durch die Haare und schaut zu meinem Stiefvater.

„Schatz, sie ist doch erst 10 Jahre alt. Sie wird das alles schon noch lernen. Aber jedes Mal, wegen Kleinigkeiten sie in den Keller zu stecken, ist keine Lösung." Sagt er und sieht zu mir.

Er kommt auf mich zu und fährt mit den Fingerspitzen über meine Tränen. „Hope, wenn du nicht jede Woche im Keller schlafen willst, dann solltest du dich anfangen zu benehmen." Diesmal fährt er mit seinem Zeigefinger über meine Lippen, nimmt aber schnell die Hand weg, als meine Mutter ihm die Hand auf die Schulter legt.

„Es hat dich nicht zu interessieren wie ich sie erziehe." Schreit sie ihn an und zieht ihn weg. „Fass sie nicht an." Sie hält ihn an seinem Kragen und zieht ihn runter zu sich. „Ich will das du nur mich so anfasst." Angeekelt sieht sie mich an und lächelt. „Tun wir es doch vor ihr." Sagt sie und sieht zu ihm.

Sie küssen sich und er beginnt ihr die Kleidung auszuziehen und ich schließe so fest ich kann die Augen.

Papa hat damals immer gesagt, wenn Mama unten schreit, dann singe ein Lied in deinen Gedanken. Konzentriere dich auf das Lied und nur auf das Lied und ich verspreche dir, alles andere wird verschwinden. Das tue ich auch, ich singe. Nicht laut. Ich singe und denke and meinen Papa. Ich wünschte er wäre hier. Oder ich bei ihm. Aber er ist im Himmel. Er hat es dort gut und eines Tages werde ich ihn wiedersehen. Das hat er mir versprochen. Ich lege mich hin und singe weiter. Ich singe solange, bis ich einschlafe.

Gescheiterte EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt