Miranda Grey

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„Du hast mich angelogen." sage ich kleinlaut und gehe um den Tisch, weil Harry auf mich zukommt. „Du heißt gar nicht Harry. Du wusstest wer ich bin, stimmt's?" Wie zwei verrückte machen wir runden um den Tisch.

„Bleib stehen." sagt er und ich schüttele den Kopf. „Hope, bleib stehen bevor ich mich ganz vergesse."

„Sag mir die Wahrheit." er bleibt stehen und sieht mich an. Dann springt er über den Tisch und bleibt genau vor mir stehen. Ich weiche einen Schritt zurück und er macht einen auf mich zu. Das geht so lange, bis ich gegen die Wand knalle. Jetzt trennt uns nur noch ein Schritt. Ich sehe mich um und dann bleiben meine Augen bei einem Gegenstand stehen. Eine Waffe. Sofort nehme ich sie und ziele auf Harry. „Ein Schritt noch und ich schieße." sage ich und merke, wie meine Hände zu zittern beginnen. Harry scheint zwar nicht überzeugt davon zu sein, doch er bleibt wo er ist. „Wieso bin ich hier?"

„Wo wärst du denn lieber?" er dreht sich um, geht zur Couch die in der Mitte vom Raum steht und setzt sich hin. „Hier oder im Knast?" verblüfft sehe ich ihn an. „Antworte." befiehlt er nach einiger Zeit und ich zucke mit den Schultern.

„Was hat das mit meiner Frage zutun?" Schön langsam werden meine Hände müde und ich lasse sie sinken, jedoch lege ich die Waffe nicht weg.

„Wie viele Jahre kriegen Mörder?" er stellt seine nächste frage und mein Herz beginnt zu rasen. Wieder zucke ich mit den Schultern.

„Lebenslänglich." antwortet er knapp und steht auf. Sofort ziele ich die Waffe wieder auf ihn. „Also." wieder macht er einen Schritt in meine Richtung. „Wo wärst du lieber?" Als er keine Antwort von mir kriegt lächelt er. „Miranda Grey. Geboren am 14.07.1980. Verstorben am 12.12.2019." Es herrscht stille. Ich sage nichts, weil ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll. „Verstorben ist nicht das richtige Wort." wieder eine kleine Pause. „Sie wurde getötet, stimmt's?" wieder lasse ich die Hände sinken und warte, dass er weiterspricht. „Getötet von ihrem Freund, hieß es. Doch die Puzzles haben nicht zusammengepasst. Er war gar nicht in der Stadt, als sie starb. Die einzige die da war, war ihre Tochter. Hope Grey. Doch niemand beschuldigte sie. Wie denn auch? Das brave Mädchen, so nannten dich die Nachbarn, würde ihrer Mutter niemals etwas antun. Sie sammelt sogar die Nacktschnecken auf, damit niemand auf sie drauf tritt, hieß es." wieder eine kleine Pause. „Doch dann hat der Ex deiner Mutter einen Bekannten beauftragt, der sich mit dir anfreunden sollte, um einiges herausfinden. Er sollte dich in seine Wohnung locken und dort einsperren, doch dies hat nicht funktioniert, da du nicht wirklich mit ihm gesprochen hast. Er kam jeden Tag in das Restaurant wo du gearbeitet hast. Er beobachtete dich, folgte dir nachhause und machte Fotos von dir. Dann suchte er die Tatwaffe in deiner Wohnung. Er fand sie nicht, da ich vor ihm dort war. Verdammt er ist sogar in deiner scheiß Wohnung gewesen und es ist dir nicht aufgefallen. An dem Abend als ich dich entführte, verfolgte er dich. Sie wussten das du sie getötet hast, hatten aber weder ein Geständnis noch die Tatwaffe. Das heißt, sie wollten dich. Er sollte dich entführen, einsperren und dich foltern, bis du zugibst, dass du es warst." Ich lasse mich langsam die Wand runter gleiten und sehe ihn an.

„Aber dein Vater sagte, dass du mich verwechselt hast."

Harry lacht auf und schüttelt den Kopf. „Mit einer Blondine die blaue Augen hat und um die 1.60 groß ist?" er kommt zu mir und nimmt mir die Waffe aus der Hand. „Mein Vater sollte mich eigentlich gut genug kennen um zu wissen, dass ich so einen Fehler niemals zulassen würde." er öffnet die Tür und wartet das ich raus gehe.

Im Wohnzimmer angekommen redet er weiter. „Ich habe damals meiner Mutter versprochen auf dich aufzupassen. Sie hat dich sehr gemocht." er schaut auf seine Hände und scheint in Gedanken vertieft zu sein. „Irgendwie tat ich es für sie aber irgendwie auch, weil mir viel an dir lag. Damals als wir Kinder waren, haben wir uns doch gut verstanden, oder?" jetzt sieht er zu mir. Ich nicke. „Aber du hast mir nie erzählt, dass deine Mutter dich in den Keller gesteckt hat."

„Sie hat schlimmeres getan." sage ich und schließe die Augen.

„Wieso hast du sie getötet?" ich überlege kurz ob ich darüber reden soll, aber er weiß sowieso schon das meiste, also macht es keinen großen Unterschied.

„Sie hatte ein Kind." sage ich und sehe wieder zu Harry. „Ich habe zwar sie gehasst, doch ihn liebte ich über alles. Er hat mir geholfen über alles hinweg zu kommen. Er war mein Neuanfang. Doch er weinte sehr viel. Ich versuchte ihn immer zu beruhigen wenn er nachts weinte, denn sie hasste es geweckt zu werden. Seine erstes Wort war ‚Mama'." Ich lächle als ich mich an diesen Abend erinnere. Genau an seinem Geburtstag als er ein Jahr alt wurde, sagte er das Wort, welches mein Herz zum schmelzen brachte. „Er dachte ich wäre seine Mutter. Immer wenn er mich sah, schrie er ‚Mama' und hob die Hände. Das war ein Signal dafür, dass ich ihn auf den Arm nehmen soll. Ich nahm ihn überall mit, nur um ihn nicht alleine mit ihr zu lassen. Eines Tages ist er mit Fieber aufgewacht und da es stark geregnet hat, ließ ich ihn alleine mit ihr. Ich lief zur Apotheke und holte Medikamente, ich war gerade mal 15 Minuten weg. Als ich zurückkam saß sie unten auf dem Sofa und ich lief rauf in unser Zimmer. Ich hob ihn hoch und sein Kopf fiel einfach auf meine Schulter. Ich sagte seinen Namen und rüttelte ihn, doch er bewegte sich nicht." weil ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann, beginne ich zu weinen. Harry sitzt da und bewegt sich kein Stück. Nicht einmal atmen höre ich ihn. „Ich weinte und bettete, doch er atmete nicht mehr. Langsam legte ich ihn wieder in sein Bett und schrie nach meiner Mutter. Ich holte das Handy heraus und wollte den Notruf wählen, doch dann wurde es mir aus der Hand gerissen. Ich sagte ihr, dass er nicht mehr atmete und sie sofort einen Krankenwagen rufen soll, doch sie starrte mich nur an." Ich erinnere mich genau, wie ich vor ihr stand und sie anflehte Hilfe zu holen, doch sie tat nichts. „Dann sagte sie ‚Ich weiß das er nicht mehr atmet. Ich konnte dieses Geräusch nicht mehr hören. Also habe ich ihn zum schweigen gebracht' und zeigte auf den Polster, welches neben dem Bett auf dem Boden lag. Sie ging aus dem Zimmer, Harry. Einfach so. Als hätte sie nicht gerade etwas schreckliches getan. Also ging ich in ihr Schlafzimmer, holte die Waffe und ging dann runter. Als sie die Waffe sah, verdrehte sie die Augen und lachte. Sie sagte ich soll mich nicht dumm aufführen, denn sonst würde sie dasselbe mit mir tun, doch ich zielte die Waffe auf sie und schoss. Ich habe noch nie geschossen, Harry, geschweige den eine Waffe in der Hand gehalten, doch ich schoss ihr genau zwischen die Augen. In ihr scheiss Hirn." Ich atme tief aus und reibe mir die Hände auf die Hose, da sie schwitzen. „Genau in ihr verficktes Hirn."

Harry steht auf, zieht mich auf die Beine und umarmt mich. Er umarmt mich so fest, dass ich Angst habe zu ersticken, doch ich lasse es zu. „Es tut mir so leid." flüstert er und drückt mich noch fester an sich.

Gescheiterte EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt