Kapitel 28

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Dante

Mit einem Drink in der Hand lehnte ich an der Scheibe des VIP Bereichs und sah hinab. Der Club leerte sich langsam, unter der Woche blieben die Leute zum Glück nie so lange wie am Wochenende. „Ich bin echt im Arsch Boss. Brauchst du mich noch?" Massimo trat zu mir an die Scheibe. Er war erst vor einer Stunde zurück gekommen, sein Gespräch mit unserem Kontaktmann am Hafen lief etwas aus dem Ruder. Massimo hatte einiges abbekommen, ehe er das Gespräch wieder unter Kontrolle hatte. Mitleid hatte ich keins, Massimo war ein harter Kerl, er hielt ein paar Schläge aus. Außerdem war genau das sein Job.
Und ich bezahlte ich ihn gut dafür.

„Nein, wir können alles weitere morgen besprechen. Geh ruhig, ich komme auch gleich" verabschiedete ich ihn und trank weiter so wie den ganzen Abend schon. Der Drink in der Hand sollte mich davon abhalten, ständig aufs Handy zu gucken, ob Amalia sich gemeldet hatte, was sie natürlich nicht hatte. Warum sollte sie auch?
Sie war sauer auf mich.
Wahrscheinlich sogar zu recht.
Unser Streit am Samstagabend war heftig gewesen, aber nötig. Zusehen wie high sie wirklich war und wie sehr sie die Kontrolle verlor ließ mich komplett durchdrehen. Sie brachte sich in Gefahr, wissentlich und wiederholt. Irgendwie hatte ich mir selber eingeredet, dass die Male in denen ich sie zu Beginn unsere Beziehung komplett high irgendwo abholen musste, nichts weiter als Ausrutscher gewesen waren. Ich war mir zu einhundert Prozent sicher gewesen, dass sie so etwas nicht mehr tat.
Sie war ein Partygirl ja, aber ein Junkie?
Amalia wirkte nie high auf mich, wenn sie bei mir gewesen war. Entweder konnte sie es wirklich gut geheimhalten oder ich wollte es nicht sehen. Samstagnacht war es jedoch anders gewesen. Egal wie sehr ich es gewollte hätte, ich hätte es nicht übersehen können.
Genau wie zuvor mit diesem Typen an der Bar hatte sie mich auch in der Gasse zu einer Reaktion gezwungen. Ich konnte es nicht hinnehmen, dass sie sich das antat, auch wenn mir die Doppelmoral nicht entging. Ein Großteil meines Geschäfts bestand aus dem Handel mit Drogen, Amalia hatte nicht unrecht, dass ich wahrscheinlich sogar an ihrem Konsum mitverdiente. Doch genau deshalb, weil es ein Teil meines Lebens war, wollte ich nicht, dass sie dieses Dreckszeug nahm. Jeden Tag sah ich, was die Drogen früher oder später aus den Menschen machten. Sie war noch so verflucht jung. Wieso warf sie ihr Leben dermaßen achtlos weg?

Müde strich ich mir übers Gesicht. Seit zwei Tagen grübelte ich jetzt über dieses Mädchen und kam nicht voran. Vor lauter Verzweiflung hatte ich sogar die Profile ihrer wenige Freunde hier in Palermo durchsucht und war direkt fündig geworden. Ihr nachzuspionieren war nicht richtig gewesen, aber ich wollte sehen, dass es ihr gut ging. Sie hatte sich seit 2 Tagen nicht gemeldet und ich machte mir Sorgen. Sie allein wegzuschicken in ihrem Zustand war ein Fehler gewesen. So high wie sie gewesen war, hätte jemand bei ihr sein müssen, um auf sie aufzupassen.
Ich hätte bei ihr bleiben und auf sie aufpassen sollen, ganz egal wie wütend ich auf sie war.
Ich hätte bei ihr sein sollen. Dummerweise hatte jemand anders diesen Job für mich übernommen.
Als ich das Bild sah, das dieser kleiner Schwede von ihr gepostet hatte, sah ich rot. Am liebsten wäre ich sofort in meinen Ferrari gestiegen, zu ihm gefahren und hätte ihn ein paar Kugeln verpasst. Das er es wagte sich zu nehmen was mir gehören sollte, war schwer zu schlucken. Dabei hatte ich es geahnt, ich hatte es vom ersten Moment an gewusst.
Er war scharf auf sie.
Jeder Mann war das.

Amalia hatte mir zwar gesagt, dass nichts zwischen ihnen gelaufen war, aber das änderte nichts. Es machte mich rasend, dass er jetzt bei ihr war, ganz egal, ob er sie fickte oder nicht. Die beiden verband etwas, das wir nicht hatten.
Sie vertraute ihm.
Bedingungslos.
Er wusste von ihrem Drogenkonsum, denn er war immer mit ihr zusammen, wenn sie nicht bei mir war. Und sie hatte ihm von uns erzählt, hatte ihn ins Vertrauen gezogen, weil sie jemanden brauchte, der sie hielt, der ihre Tränen trocknete, wenn ich sie wieder mal verletzte. Dieser kleine schwedische Pisser war ihr sicherer Hafen, in den sie sich flüchtete, wenn die Welt zu hart zu ihr war.
Fuck, wieso ausgerecht er?
Warum kam sie nicht zu mir?
Warum versteckte sie sich nicht bei mir?
Ich wusste warum.
Weil ich nicht die Lösung war, sondern Teil das Problems. Sie hatte sich in seine Arme geflüchtet, weil ich sie von mir gestoßen hatte. Ich war ein verfluchter Idiot, aber ich konnte nicht anders. Ich hatte Angst um sie. Einer musste es ja haben, denn Amalia schien selbst vor überhaupt nichts Angst zu haben, was immer mehr zum Problem wurde. Ihr Mangel an Respekt vor den Drogen, den damit verbunden Blackouts und dem, was Männer mit ihr tun würden, wenn sie sie so fanden, machte mich rasend. Sie war so schutzlos und gleichzeitig so verflucht selbstsicher.
Und stur.
Gott war die Kleine stur.

Sie ließ sich nicht helfen, sie wollte nicht das man sich einmischte und vor allem wollte sie keinen Rat annehmen. Sie war sich so sicher, dass sie wusste was sie tat, dass es keinen Platz gab für eine anderer Meinung. Das ist sie am Samstag vor die Wahl gestellt hatte war ein Akt der Verweiflung gewesen. Ich wollte sie wach rütteln, wollte das sie reagiert. Tja das hatte sie.
Jedoch nicht annähernd so wie ich erwartet hatte. Offensichtlich war sie nicht so verrückt nach mir wie ich nach ihr. Für sie war das hier nichts weiter als Sex. Guter Sex, keine Frage, aber scheinbar auch nicht mehr. Es war nicht genug, ich war nicht genug, um die Drogen aufzugeben.
Fuck, was hatte ich erwartet?
Sie war stinkreich, jung und gelangweilt. Amalia wollte nicht vernünftig sein, sie wollte zügellos sein, dass liebte ich doch so an ihr.
Aber war sie wirklich so?
Oder war sie doch jedes Mal high gewesen, wenn sie bei mir gewesen war, so wie sie behaupt hatte? Wenn ja, kannte ich sie dann überhaupt?

Das leere Glas noch in der Hand verließ ich den VIP Raum gegen halb 4 und lief in die Richtung des kleinen privaten Aufzugs der zu meiner Wohnung führte. Ich war so müde von all den Gedanken an Amalia, dass ich nur noch schlafen wollte, in der Hoffnung, dass ich morgen eine Antwort darauf hätte, was ich mit diesem sturen, wilden und wunderschönen Mädchen anstellen sollte, das ich gegen jede Vernunft nicht in Ruhe lassen konnte.
Der Aufzug kam ruckelnd zum stehen. Schon als die Türen sich öffneten hörte ich, dass Massimo wohl doch nicht so müde war, wie er behauptet hatte. Aus seinem Zimmer kamen eindeutige Geräusche, offensichtlich war er nicht allein.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Das war so typisch für ihn, mir vorzugaukeln er würde ins Bett gehen und sich stattdessen noch die halbe Nacht mit einer Frau in den Laken zu wälzen. Fast beneidete ich ihn um den bedeutungslosen Sex mit der Fremden.
Für mich kam das nicht in Frage.
Nicht mehr.
Wieder wünschte ich mir, Amalia wäre hier bei mir, anstatt bei dieses Schweden.

Ich war schon fast an Massimos Zimmer vorbei, als ich eine Stimme hörte, die mein Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Fick dich."
Das war Amalia. Sie war hier. Das war sie die da schrie. Nein das war unmöglich. Sie konnte es nicht sein, sie durfte es nicht sein.
„Bitte mich nochmal nett darum und ich tue es." hörte ich im nächsten Moment Massimo provokant erwidern. Nein, das würde er nicht wagen. Er würde nicht... fuck doch er würde.
Sofort griff ich nach der Türklinke und riss die Tür auf. Der Anblick von Amalia, halbnackt aufs Bett gedrückt, die zarten Arme im Griff von Massimos großer Hand und er über ihr, weckte die Dunkelheit in mir. Er wagte es sie anzufassen. Mein Mädchen. Und er tat das ganz offensichtlich gegen ihren Willen. Angewidert wand sie sich unter ihm, versuchte verzweifelt ihm auszuweichen, während er versuchte sie zu küssen.
Ausgerechnet sie.
Meine Amalia.
Das würde er bereuen.

Palermo at Midnight Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt