Inzwischen hatte ich meine Jeans wieder an und schloss gerade den Riemen meiner Sandalen, als er plötzlich vor mir stand. „Nein"
Mehr sagte er nicht.
Ich erhob mich, griff an ihm vorbei nach meiner Tasche und sagte ruhig „Doch. Es ist das Beste, es ist egal wie sehr wir einander vielleicht noch immer lieben, wir können dem anderen nie geben, was er braucht. Bitte, lass mich gehen"
Dantes Augen waren zwei schwarze Abgründe. „Wohin soll ich dich gehen lassen? Zu ihm?"
„Natürlich zu ihm, er wartet unten auf mich. Ich wollte in einer Stunde wieder bei ihm sein. Die Zeit ist fast um."
Bestimmt schob ich ihn bei Seite, doch er folgte mir auf dem Fuße.
„Er wartet unten??? Er sitzt da unten in meinem Club, während du hier oben bei mir bist?" jetzt brüllte er, doch es war eher die Fassungslosigkeit als die Wut, die seine Stimme anschwellen ließ.
„Ja, das habe ich doch gerade gesagt" erwiderte ich gereizt, während ich auf den Knopf für den Fahrstuhl drückte. Die Türen glitten fast augenblicklich auf, doch ich konnte nicht eintreten. Dantes massiger Körper versperrte mir den Weg. „Weiß er was du hier tust? Mit mir? Weiß er das wir miteinander schlafen?"
Diesmal nickte ich bloß, es gab nicht mehr dazu zu sagen. Dachte ich. Denn Dante schien das bedauerlicherweise anders zu sehen.„Das kann unmöglich war sein! Welcher Mann sitzt denn bitte entspannt ein Stockwerk tiefer und wartet auf seine Frau, während diese einen anderen fickt!? Was für eine kranke Ehe führt ihr Zwei eigentlich?" er tobte mittlerweile. So laut wie er schrie würde man ihn unten sicher hören, wenn dort nicht immer noch die lauten Bässe der Musik wummern würden.
„An unsere Ehe ist gar nichts krank. Sie ist vielleicht anders, aber das macht sie nicht schlechter, sondern eher besser. Wie ich schon sagte, Rurik und ich haben keine Geheimnisse. Nicht eins. Genau deshalb weiß er was wir hier tun, deshalb wartet er auf mich. Nicht jeder ist so engstirnig wie du Dante. Rurik versteht das ich meine Freiheiten brauche" keifte ich, doch es war mehr ein verzweifelter Versuch ihn von Wahrheit abzulenken.
Die Wahrheit hinter Ruriks und meiner Ehe zu verraten, wäre das Ende von allem. Niemals würde ich es ihm sagen. Er würde es nicht verstehen, doch vor allem würde er es nicht akzeptieren. Wenn er es rausbekommt, würde er durchdrehen.
„Deine Freiheiten?!" brüllte er fassungslos. Das ganze Konzept unsere Ehe schien in komplett zu überfordern. „Das hier hat doch nichts mit dem ausleben seiner Freiheit zu tun. Verdammt Amalia ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass das niemals die Art von Ehe sein kann, die du führen willst. So bist du nicht. Wenn du liebst, dann liebst du mit allem was du hast. Du gehst All in, ohne Rücksicht und ohne Kompromisses. Und du erwartetest das selbe von der Person, die dich liebt. In einer Beziehung mit dir ist kein Platz für jemand anders, ich weiß das, ich war immerhin mit dir zusammen verdammt. Du teilst nicht, unter keinen Umständen. Eine offene Ehe kann nicht das sein, was du willst. Nicht wenn du ihn liebst."Mir war nicht klar, was mich mehr deprimierte, die Tatsache, das er mit jedem Wort absolut ins Schwarze getroffen hatte oder das es keinen Unterschied machte. Rurik war mein Ehemann. Ich hatte ihn geheiratet, weil es die richtige Entscheidung war, davon war ich noch immer fest überzeugt. Auch das erneute Entflammen der Leidenschaft zwischen Dante und mir würde daran nichts ändern, wenn ich es nicht zu ließ.
„Ich erwarte nicht, dass du das verstehst Dante, aber ich will, dass du es akzeptierst. Er ist mein Ehemann, ganz egal wie du das findest. Bitte lass mich gehen" erstaunlicherweise trat er tatsächlich einen Schritt beiseite und ließ mich in den Aufzug. Irritiert aber doch erleichtert, dass er keinen weiteren Streit vom Zaun brach, betrat ich den Aufzug und drückte den Knopf nach unten, doch noch bevor die Türen sich schlossen, stieg er ebenfalls mit ein.
„Was soll das?" fragte ich gereizt, als der Aufzug sich auch schon in Bewegung setzte. „Ich komme mit runter. Du weichst mir aus, wenn ich dich nach deiner Ehe frage, aber ich will meine Antworten. Ich weiß das etwas nicht stimmt und ich will wissen was es ist. Vielleicht ist dein Ehemann ja gesprächiger als du." sagte er mit einem gleichgültigen Achselzucken. „Du wirst nicht mit ihm reden! Das werde ich nicht zulassen!" keifte ich ihn an, doch Dante lächelte nur arrogant auf mich hinab. „Du darf mit andern Männern ficken, aber er darf nicht mal mit mir reden? Wow eure Ehe ist echt krank"
Ich wollte noch was erwidern, doch da glitt der Aufzug auch schon auf. Sofort drängte sich uns der Lärm des Clubs auf, der selbst hier hinten noch sehr laut war. Dante ging voraus und versperrte mir die Sicht. So sah ich zu spät, dass Rurik bereits hier hinten auf mich wartete. Dante erreichte ihn, bevor ich es verhindern konnte.„Der sagenumwobenen verfluchte kleine Schwede. Glückwunsch Mann, dein Plan ist aufgegangen, du hast sie bekommen. All die Wochenende an denen du an ihr rumgebaggert hast, während sie high mit dir durch die Nachtclubs gezogen ist, haben sich wohl ausgezahlt was? Ich wusste damals schon, dass du sie willst. Amalia wollte es nicht sehen, aber ich wusste es schon immer. Von Anfang an hast du gewollt was mir gehört. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen und dir damals schon eine Kugel in den Kopf jagen sollen. Leider ist es jetzt zu spät dafür. Amalia würde mir wohl nur schwer verzeihen, wenn ich ihren verfickten Ehemann töte. Es ist wohl wie es ist, sie hat dich gewählt Mann. Die große Frage ist nur warum? Aus Liebe sicher nicht, denn wir wissen beide, dass sie noch immer mich liebt" ging er direkt auf ihn los und dummerweise sprang Rurik drauf an. „Das mag vielleicht stimmen, aber geheiratet hat sie dennoch mich. Warum spielt keine Rolle, zumindest nicht für dich. Es geht nur Amalia und mich was an."
Dante trat näher, er ragte nun bedrohlich vor Rurik auf, der jedoch nicht den Eindruck erweckte, dass er eingeschüchtert war. „Da irrst du dich, alles was Amalia betrifft geht mich was an. Daran ändert auch dieser Witz von einer Ehe nichts, den du mit ihr führst." knurrte Dante aufgebracht, doch Rurik blieb ruhig, fast schon zu ruhig. „Das macht dich krank oder? Zu wissen das sie mich dir vorgezogen hat. Es tut weh nicht wahr? Sie so endgültig zu verlieren. Du hast tatsächlich geglaubt, dass sie eines Tages Signora Giordano wird, stattdessen ist sie jetzt Signora Anderson. Sie hat mich gewählt. Jede Nacht, wenn ich mit ihr in meinen Armen einschlafe, danke ich Gott, dass sie bei mir ist und jeden Morgen, wenn ich neben ihr aufwache ist mein erster Gedanke, dass ich so verflucht dankbar bin, dass sie mich geheiratet hat und nicht dich! Ich weiß, dass du sie willst, aber ich sage es dir ein letztes Mal, du kannst sie nicht haben. Du verdienst sie nicht!"Ich bewunderte und verdammte Rurik gleichermaßen für seinen Mut Dante all das direkt ins Gesicht zu sagen. Jemand wie Dante war es nicht gewohnt, dass sein gegenüber Widersprüche gab und nicht bloß vor Angst erzittertete.
„Glaubst du, ich weiß das nicht? Ich weiß das ich sie nicht verdiene, sie ist viel zu gut für mich, ich wollte sie gehen lassen, aber ich kann es nicht. Ich liebe sie! Sie ist alles was je will, sie ist der Mittelpunkt meines Lebens. Seit 5 Jahren suche ich nach ihr. Jetzt wo sie hier ist, werde ich sie nicht wieder gehen lassen. Sie ist alles für mich. Wirklich alles. Es gibts nichts was wichtiger für mich, nichts was eine höhere Priorität hat. Ich würde alles für sie tun. Ich werde nie ihrer würdig sein, aber ich werde jeden Tag meines restlichen Lebens damit verbringen, mein Bestes zu versuchen. Sie ist die Liebe meines Lebens, verdammt. Sie ist die Eine!"
Dantes Geständnis trieb mir die Tränen in die Augen. Zwar hatte er sowas ähnlich auch schon zu mir gesagt, das er es jetzt jedoch vor Rurik tat, war eine ganz andere Nummer. Es war real, er konnte es nicht mehr zurück nehmen und das wollte er wohl auch nicht.„Sie kann nicht die Eine für dich sein, weil sie meine Frau ist! Sie sollte bei mir sein, ich bin der bessere Mann, die bessere Wahl. Und sie weiß das, genau wie du es weißt, aber ich weiß auch, das es nichts an ihrer Gefühlen für dich ändert. Ich bin nicht dumm, Mann, glaubst du ich weiß es nicht? Sie hat mich geheiratet, weil es vernünftig war, nicht weil sie mich liebte. Wenn ich sie vor die Wahl stellen würde, mich statt dich zu wählen, könnte sie es nicht, weil sie noch immer in das Arschloch verliebt ist, das ihr das verdammte Herz gebrochen hat. Und du wirst es wahrscheinlich immer wieder brechen, wenn sie dir die Chance dazu gibt. Deswegen musst du stärker sein. Lass sie gehen Mann. Lass sie mit mir nachhause gehen. Lass sie glücklich sein."
Was passierte hier gerade?
Verhandelte die beiden wirklich gerade um mein Zukunft?„Ich gebe zu, dass ich ein Arschloch war, aber ich bin nicht mehr dieser Mann. Ich kann sie nicht nochmal verlieren. Wenn sie mich noch immer will, dann tue ich alles, damit sie bei mir bleibt."
Mein Kopf rauschte, ich hörte mein eigenes Blut in meinen Ohren pulsieren, ein eindeutiges Zeichen einer aufkommenden Panikattacke. Zuzuhören, wie die beiden wichtigsten Männer in meinem Leben darüber stritten, wer von beiden die bessere Wahl wäre, war mehr als ich verarbeiten konnte. Das konnten sie unmöglich ernst meinen. Das alles konnte nicht echt sein. Wahrscheinlich träumte ich das alles nur.
Hoffentlich war es nur ein Traum...
„Wie wäre es, wenn wir sie mal fragen!" Die Schärfe in Dantes Stimme zerriss meine Hoffnung eines Traums in Stücke. Plötzlich sahen mich beide Männer an. Zwei Augen so blau wie das Meer und zwei die heute wieder schimmerten wie flüssiges Karamell. „Was willst Du Amalia? Willst du wirklich ihn? Oder willst du eigentlich mich?"
DU LIEST GERADE
Palermo at Midnight
RomanceStatt für ihren Abschluss zu lernen zieht Amalia „Millie" Bernardi lieber jede Nacht durch die Clubs der italienischen Hauptstadt. Nach einer Partynacht, die komplett aus dem Ruder gerät, zieht ihre Mutter die Reißleine. Sie schickt ihre rebellisch...