Kapitel 28 - Stallgespräche

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Es war sehr früh am Morgen, als Celia leise zur Haustür hereinkam und ihre Reittasche auf den Boden legte. Nicht mal neun Uhr und sie war schon mit Tex ausreiten gewesen und das nur so früh, dass niemand auf der Ranch sie zu Gesicht bekam. Da keine Ferien waren, befanden sich die meisten Reiter in der Schule, die Celia seit Tagen mied und daher waren nur Bennys Eltern hier und da unterwegs. Es war nicht so, dass sie sich fürchtete, aber weder Benny noch Chloe und Zoey machten den Eindruck, als wären sie der Schwarzhaarigen wohlgesinnt und sie hatte keine Lust auf Streit. Daher ging sie sehr früh zum Stall und allen aus dem Weg.
„Flake", zischte Celia angespannt, da die Hündin sich hinter ihr zur Tür herein quetschte und glücklich bellte. Sie war von oben bis unten voller Matsch und stürzte vor in Richtung Küche zu ihrem Futternapf, als hätte sie seit Wochen keine Nahrung mehr gesehen. Celia blieb einen Moment stehen und wartete, ob ihre Eltern aufgewacht waren, doch es rührte sich niemand. Erleichtert betrat sie die Küche, wo Flake verstummt war und blieb wie versteinert stehen.

Während ihre Hündin über dem Futternapf hing und ihr Essen fast schon herunterschlang, hockten am Tisch ihre beiden Eltern, jeder mit Kaffeetasse vor sich und schauten ihr mit kritischen Blicken entgegen. Celia betrachtete Flake und wartete auf das Donnerwetter, da die Hündin aussah, als hätte sie in einer Jauchegrube gebadet, doch das Gezeter ihrer Mutter blieb aus.
„Guten Morgen, Liebling", murmelte ihr Vater und bei dem Tonfall wurde Celia ein wenig kälter. „Was hab' ich angestellt?", fragte sie unsicher, obwohl sie es sich schon denken konnte. Es war ihre Mutter, die antwortete.
„Gestern Abend kam ein Anruf von deiner Schule. Du wärst angeblich seit Tagen nicht zum Unterricht erschienen und wenn dann nur nachmittags, du wärst müde, unkonzentriert und gestresst. Würdest du uns erklären, wieso du aber jeden Morgen in deiner Schuluniform das Haus verlässt und uns mittags sagst, dass du in der Schule warst?"

Augenblicklich musste die Schwarzhaarige schlucken. Natürlich, wieso hatte sie auch geglaubt, dass ihr Schwänzen ungestraft bleiben würde... Es war ja klar, dass die Lehrer früher oder später einschreiten mussten und dennoch war sie ständig vor der Schule zuerst in den Stall gefahren und hatte sich nicht darum geschert. Manchmal war sie danach sogar direkt wieder nach Hause gefahren, ihre Eltern waren sowieso den ganzen Tag nicht zuhause und daher hätten sie es ohne Meldung der Schule gewiss nicht bemerkt.
„Der Chauffeur hat uns das bestätigt", holte Celias Vater sie aus ihren Gedanken. „Er sagte auch, dass du dich seit Tagen nur noch früh morgens bei deinem Pferd aufhältst. Meine Tochter steht doch am Wochenende nicht freiwillig früh auf."
„Das wird Konsequenzen haben!", meinte Carolina Campbell mit scharfer Stimme. „Wie kommst du darauf, für dieses Tier deine Bildung zu vernachlässigen? Oder haben diese Kinder auf der Ranch dir etwa etwas angetan?"
„Nein und Tex ist nicht einfach nur ein Tier!", wehrte Celia sofort ab. „Ich war einfach in letzter Zeit mit den Gedanken woanders."
„Schatz, die Schule wird nicht geschwänzt", mahnte ihr Vater und es war eine der wenigen Male, dass sie ihn wütend erlebte. Eigentlich war Colin Campbell die Ruhe selbst, wahrscheinlich einer der Gründe, wieso er mit ihrer Mutter verheiratet sein konnte und weswegen er im Unternehmen einen hervorragenden Ruf genoss. Aber jetzt wirkte er nicht nur wütend, sondern auch enttäuscht. Was die Sache nur noch schlimmer machte.

„Das ist doch kein normales Verhalten mehr!", regte sich Celias Mutter plötzlich auf. „Diese Kinder machen unsere Tochter zu einem anderen Menschen, Colin! Früher hätte sie niemals die Schule geschwänzt und wäre dafür zu ihrem Pferd gefahren! Dieses ständige Gerede von diesem Fohlen und dem Druck machen ihr zu schaffen, wir müssen das unterbinden!"
„Carolina, Zuckerbiene, das ist doch noch lange kein Grund, ihre Freunde dafür verantwortlich zu machen und du hast sie immerhin nach Horseland geschickt, wo sie gerade erst ein Turnier gewonnen hat. Und nun willst du sie zurück nach Texas Hill schicken?", meinte ihr Vater und bei dem Kosenamen verzog Celia angewidert das Gesicht.
„Mama, ich war nur ein bisschen neben der Spur, ich werde ab sofort wieder zur Schule gehen, versprochen! Und wenn du möchtest, gehe ich auch nach Texas Hill zurück, aber bitte gib mir noch eine Chance", murmelte sie und ihre Mutter zog überrascht die Augenbrauen hoch, scheinbar unschlüssig, was sie dazu sagen sollte.

„Celia, bist du dir wirklich sicher, dass du auch keine Probleme auf dieser Ranch hast?", fragte ihr Vater misstrauisch und musterte seine Tochter. „Du bist nicht nur zerstreut, du bist unglücklich. Andernfalls würdest du niemals die Schule vernachlässigen. Was gibt es, wobei wir dir helfen müssen?"
„Gar nichts", wehrte die Schwarzhaarige brüsk ab. „Ich komme schon klar."
„Liebling, wirklich!", beteuerte ihre Mutter und zog sie näher an sich. „Ich kümmere mich schon um diese Kinder, wenn ich erst Sarahs Vater den richtigen Preis nenne, bekommen wir das Fohlen und du gehst an die Akademie zurück. Horseland war nur ein kleiner... nennen wir es einen Urlaub und nun wird es Zeit, dass du wieder in dein normales Leben zurückkehrst."
„Carolina, Herzblatt, hol erstmal Luft", mahnte Celias Vater nachdrücklich. „Elijah Wittner ist der reichste Mann des Staates, nicht einmal unser Vermögen kann ihn überzeugen, gegen den Willen seiner Tochter zu handeln und vielleicht wäre es das Beste, du lässt die Sache mit dem Fohlen ruhen."
„Das werde ich nicht!", zischte Carolina Campbell wütend. „Dieses Fohlen ist der erste Nachkomme von Tex, seine Fähigkeiten machen es unfassbar wertvoll und wenn unsere Celia seine Ausbildung überwacht und eines Tages mit diesem Fohlen auf Turniere gehen kann, dann können wir Sarah und ihre Horselandgruppe dabei nicht gebrauchen. Sie bremsen den Erfolg unseres Kindes aus!"
„All das wäre auf Horseland auch möglich, Mama", bedachte Celia leise. „Ich habe dort auch Freunde und meine Leute von Texas Hill sind auch nicht aus der Welt. Ich kann das Fohlen auch mit Sarah ausbilden, immerhin gibt es dort auch genug Möglichkeiten dafür."
„Du gehörst dort aber nicht hin, Celia", antwortete ihre Mutter streng. „Ich bereue bereits, dass ich dich dorthin gebracht habe, denn wie ich jetzt sehe, vernachlässigst du seither deine Schulbildung, deine Freunde siehst du auch kaum noch außerhalb von Horseland und von diesem Jungen, den du auf die Gala mitgebracht hast, will ich gar nicht erst anfangen!"

„Mama!", empörte Celia sich, die beim Gedanken an Benny sofort einen dicken Kloß im Hals hatte. Seit ihrem Streit war einige Zeit vergangen und wenn sie ihn irgendwo mal sah, ignorierten sie sich gekonnt. Der Kuss zwischen ihm und Chloe war totgeschwiegen worden und offensichtlich war Benny egal, dass er Celia damit wehgetan hatte. Er war ihr weder gefolgt, als sie gegangen war, noch hatte er in irgendeiner Weise versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Es tat weh, dass Benny sich für nicht gut genug hielt und gleichzeitig sollte sie sich von ihm fernhalten, da er offenbar Zweifel daran hatte, mit ihr glücklich sein zu können. Als Mann an ihrer Seite kam er sich vor, als müsste er sich immer und überall beweisen... was nicht einmal falsch war. Aber Celias Vater war ebenso in der Situation gewesen, aber er wusste, dass seine Frau ihn liebte und nur ihn allein. Carolina Campbell mochte ihre Fehler haben und die Familie dahinter war daran gewiss nicht unschuldig, aber dennoch liebten sich Celias Eltern und das wusste auch jeder. Benny sollte ihr und ihrer Liebe vertrauen... aber er tat es nicht.

„Carolina, mein Engel", unterbrach ihr Vater versöhnlich. „Nun lass doch diese Aufregung um ein paar Teenager. Celia denkt nur ständig über das Fohlen nach, weil du es immer wieder zur Sprache bringst. Was dich angeht, junge Dame." Er wandte sich seiner Tochter zu, die Schwarzhaarige versteifte sich. „Du hast Hausarrest und wenn du nochmal deine Schule schwänzt, gibt es Reitverbot!"
„Aber Papa!", rief Celia entsetzt und er verschränkte die Arme vor der Brust. „Nichts aber! Du hast die Schule nicht zu vernachlässigen und alles mit deinem Hengst hat bis nachmittags Zeit. Weder deine Mutter noch ich können einfach zuhause bleiben und nicht arbeiten, wie es uns beliebt." „Aber das waren doch nur ein paar Mal und ich sagte bereits, mir ging es nicht gut!"
„Das ändert nichts an den Tatsachen", meinte Colin Campbell tadelnd. „Du hast keine Schule zu schwänzen und wenn das weiterhin so geht, dann muss ich leider sagen, muss ich deine Mutter unterstützen und feststellen, dass Horseland kein geeigneter Ort für dich ist und du dort unter schlechtem Einfluss leidest."

Celia wollte weiterstreiten, doch sie erkannte an dem Blick ihres Vaters, dass auch er sich nicht gut dabei fühlte, sie zu maßregeln. Er war der Letzte, der ihr etwas verbot oder ähnliches, aber diesmal ging sie sogar ihm zu weit. Ihre Mutter streichelte ihre Wange.
„Jetzt ruh dich eine Woche aus und du verlässt das Haus nur für die Schule. Ich werde den Gestütbesitzern mitteilen, dass man deinen Hengst hier und da bewegen soll und wenn bis nächstes Wochenende nichts weiter passiert ist, kannst du wieder Reiten gehen. Mein Liebling, wir machen uns nur Sorgen um dich."

Celia hätte gern gesagt, dass sie sich mit ihrer Sorge zum Teufel scheren sollten, sah aber ein, dass es keinen Sinn hatte. Sie hatte scheiße gebaut und musste dafür geradestehen und immerhin hatten ihre Eltern nicht ganz unrecht – die Schule zu vernachlässigen war eine dumme und leichtsinnige Idee gewesen und eine feige Art, den anderen nicht unter die Augen treten zu müssen. Sie war ihren Problemen aus dem Weg gegangen und das widersprach eigentlich ihrem Charakter.
„Ich weiß", antwortete die Schwarzhaarige schließlich müde. „Darf ich dann duschen und mich nochmal hinlegen? Und wenn ich schwöre, nie wieder zu schwänzen, darf ich dann am Wochenende auf die Ranch? Ida und Evelina möchten unbedingt mit mir nach Horseland."
„Evelina Vater ist doch mit dieser Stripperin zusammen, mit der er die Mutter betrogen hat und sie streiten gerade um das Sorgerecht, war da nicht etwas?", fragte ihre Mutter, die scheinbar nicht wirklich zugehört hatte und ihr Vater seufzte. „Celia, geh mit Flake ins Bad und wasch sie! Und dann will ich, dass du mindestens zwei Stunden Schulaufgaben machst und zwar ohne Widerrede."

Celia, die bereits den Mund aufgemacht hatte, schloss ihn betreten wieder und schaut miesepetrig drein. „Von mir aus", stöhnte sie schließlich und rief Flake zu sich, die den Matsch schon beim Schnüffeln durch die Küche auf dem ganzen Boden verteilt hatte. Gut, dass ihre Mutter noch so stand, dass sie nichts davon sah und sobald sie sich umdrehte, wäre das Geschrei groß. Flake kam zu Celia gehüpft, welche eilig mit ihrer Hündin die Küche verließ. Na das konnte ja heiter werden...

Moonlight over TexasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt