Fünftes Kapitel

509 18 0
                                    

Ungeduldig lief ich vor dem Zimmer auf und ab.
Die Heiler machten noch ein paar Untersuchungen und ich musste warten.
Ich hasste warten und das Gefühl der Unwissenheit. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging endlich die Tür auf.

„Sie ist noch schwach, aber wieder Ansprechbar. Sie muss sich nur ausruhen und dann wird sie schnell wieder auf den Beinen sein", lächelte der Mann mir zu. Ich bedankte mich und rannte schon fast in das Zimmer. Ihr Blick war genervt, sie schien alles andere als Schwach zu sein.

Stattdessen richtete sie ihren Blazer, setzte sich an die Bettkante und zog ihre Schuhe wieder an. „Der Heiler meinte, du sollst dich ausruhen", kommentierte ich ihr Benehmen. Sie ignorierte mich mal wieder.
„Silver das ist Ernst, okay?" Bei Salazar, wie konnte sie so leichtfertig mit ihrer Gesundheit umgehen.

„Nerv nicht", giftete sie mich an. Sie hustete. „Du brauchst Ruhe", versuchte ich es erneut. „Für so einen Schwachsinn habe ich keine Zeit." Ihre Stimme war gereizt, doch in ihren Augen mischte sich ein anderes Gefühl mit ein.
Ich konnte es nur nicht richtig deuten.

Sie stand auf und wollte gehen, doch nach dem ersten Schritt, sackte sie zusammen. Ich fing sie gerade noch auf. Zum Glück kam in jenem Moment der Heiler herein. „Wir müssen uns beeilen", rief er in den Flur. „Wir haben einen Ganzkörperscan gemacht und haben eben gesehen, dass sich Flüssigkeit in ihrem Kopf sammelt. Sehr wahrscheinliche eine Hirnblutung. Wir müssen sofort Handeln", erklärte er kurz.

Noch mehr Heiler waren gekommen und legten Silver auf eine Liege.
„Halt. Moment." Sie drückte mit letzter Kraft die Heiler weg. Mit einer Handbewegung forderte sie mich auf, näher zukommen.
„Bitte lass die Heiler ihren Job machen", flüsterte ich ihr zu.

Sie überging erneut meine Aussage. „Meine Handtasche, vorne ist ein kleines Fach, da ist ein Zettel mit einer Adresse. Bitte", presste sich hervor. Ich nickte.
Dann wollten die Heiler los, doch sie hielt meinen Arm fest.
Rollmopsgesicht. Vergiss das nicht." Äußerst verwirrt und fragend schaute ich sie an, doch bevor ich Nachfragen konnte, verließen sie das Zimmer.

Ich blickte den weißen Kitteln hinterher, eher ich mich auf den Weg zurück zum Ministerium machte. Überall waren Auroren und sämtliche Mitarbeiter, welche die Abteilung wiederherstellten. Ihre Tasche war noch im Büro. In dem kleinen Fach war tatsächlich ein Zettel.

Schließlich kam ich vor einem relativ bunten Haus an. An dem großen Tor war ein ebenfalls buntes Schild befestigt, auf welchem ‚Sonnenschein' stand. Ich betrat das Grundstück. Auf der Treppe saß ein kleines Mädchen mit blonden Haaren, daneben eine junge Frau, welche gleich auf mich zukam.
„Kann ich Ihnen helfen Sir?"
„Ich bin für Miss Silver hier, sie ist leider verhindert."

„Okay. Ähm . . Miss Silver hat keine andere befugte Person angegeben. Woher kennen Sie sich?" Wieso waren Muggel zu kompliziert?
„Ich bin ein Kollege von ihr. Sie hatte einen Unfall und ist im Krankenhaus." Erschrocken sah die Frau mich an.
„Es wird sich um sie gekümmert, aber sie hat mich gebeten, hier herzukommen."
Ich schenkte ihr mein freundlichstes Lächeln.

„Haben Sie einen Ausweis dabei?" Ich reichte der Frau die kleine Plastikkarte. „Cecilia", rief sie dem kleinen Mädchen zu. Mit dem gleichen misstrauischen Blick wie Silver, blickte sie mich an. Generell sah sie ihr sehr ähnlich.
„Passwort." Ihre Stimme klang auch so wie die vom Silver.
Und was meinte sie damit?

Vergiss das nicht. Ich ging in die Hocke. „Rollmopsgesicht."
In diesem Moment kam ich mir mehr als lächerlich vor. Doch das Gesicht der Kleinen klarte auf und ein Lächeln machte sich breit.
„Ich hol' meine Sachen Conny", rief sie der jungen Frau zu, während sie in das Gebäude hineinlief.

Wenige Augenblicke später kam sie mit einem grünen Rucksack wieder, auf dem eine Schlange abgebildet war. Ich bekam meinen Ausweis und wir verabschiedeten uns. Die Gedanken in meinem Kopf flogen nur so hin und her.

Silver hatte eine Tochter. Und da sie im St. Mungo war, musste ich nun auf sie aufpassen. Es war ihre Tochter. Ich hatte keine Ahnung von Kindern. Warum bei Salazar hatte sie eine Tochter?

Ich wurde wieder in die Gegenwart geholt, als eine kleine Hand meine Finger festhielt. Etwas perplex blickte ich nach unten.
Es war, als würde ich in einen Spiegel schauen.
Diese grauen Augen. Die markanten Wangenknochen. Die hellen Haare.

„Mummy sagt, ich soll nicht alleine an der Straße laufen", piepste sie mit engelsgleicher Stimme. Ich nickte stumm. Konzentriere dich Draco. Doch in mir kamen Gefühle hoch, die ich noch nie gefühlt hatte. Einatmen. Ausatmen.

„Wie heißt du? Ich bin Cecilia." „Draco."
„Bist du von Mummys Arbeit?" Wieder nickte ich nur. Hier konnten wir nicht apparieren und mein Apartment war nicht ausgestattet für ein Kind. Was sollte ich nur tun?

„Weißt du, wie wir zu dir nach Hause kommen?" Die Kleine lächelte mich an.
„Wir müssen mit der U-Bahn fahren." Muggelsachen. „Bist du schon mal U-Bahn gefahren?" „Nein", ich konnte dem abwertenden Unterton nicht unterdrücken.
„Ich zeig's dir. Es ist ganz einfach." Und schon lief sie los, ihre kleine Hand noch immer fest um meine Finger geklammert.

Wir betraten die U-Bahn Station und sie zeigte auf einen roten Kasten an der Wand, an welchem ich ein Ticket lösen sollte. Viele Muggel waren unterwegs, für sie alle war diese Situation normal. Ich war jedoch vollkommen verloren und versuchte ihr mit meinen Blicken zu sagen, dass ich keine Ahnung von all dem hatte.
Allerdings war sie zu klein für den Kasten.

Kurz entschlossen, hob ich sie hoch. Sie drückte auf den verschiedenen Knöpfen herum, holte aus ihrem Rucksack ein kleines grünes Portmonee und steckte Muggelgeld in den kleinen Schlitz.
Stolz präsentierte sie mir ein kleines Stück Papier.

„Wir müssen auf die 7 warten und dann bis zum Goethe Platz fahren."
Die sogenannten U-Bahnen waren alte hässliche Züge. Sie waren nicht annähernd so schön wie der Hogwarts Express. Ein übler Geruch lag in der Luft und einigen der Muggel hätte ich am liebsten einen Fluch auf den Hals gehetzt.

Anschließend mussten wir noch einmal ein Stück laufen, ehe ich mich in einer gemütlich eingerichteten Wohnung wiederfand. Aber konnte ich sie hier alleine lassen?

„Warum hat Mummy mich heute nicht abgeholt?" „Sie ist im Krankenhaus."
Ich biss mir auf die Zunge. Cecilia schaute mich geschockt an, ihre Augen begannen zu glitzern. Ganz klasse gemacht Malfoy.
„Keine Sorge, es geht ihr so weit gut. Dort sind viele Heiler, welche sich um deine Mum kümmern", ich kniete mich vor sie und lächelte. Doch es war zu spät.

Große Tränen rollten über ihr Gesicht.
„Was ist denn mit deinem Dad? Er kann doch auf dich aufpassen."
Ein Schluchzen verließ das Mädchen und nur noch mehr Tränen bahnten sich ihren Weg über ihr Gesicht. Bei Merlins Bart.

„Hey. Komm her", ich hielt ihr meine Hand hin, an welcher sie sich diesmal zaghaft festhielt. Ich strich ihr über das Hellblonde Haar.
„Ich hab deiner Mum versprochen, dass ich auf dich Aufpasse okay?" Sie nickte.

Wir fanden ein paar Tiefkühlpizzen und für ihr Alter war die Kleine sehr selbstständig. Sie brachte mich sogar dazu, ihr ein Muggelmärchen vorzulesen. Endlich war es Zeit fürs Bett.
„Gute Nacht Draco", mit ihrer großen Plüschschlange lag sie eingekuschelt in dem viel zu großem Bett. „Gute Nacht."

Ich ließ mich auf das Sofa nieder. Was in aller Welt.
Evelyn Silver hatte ein Kind.

Eine Tochter. Sie war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Und doch fühlte sich alles an ihr so vertraut an. Ihr Blick, manche ihrer Gesten und diese Augen.
Meine Augen.

Das konnte doch alles kein Zufall sein. Doch es konnte unmöglich wahr sein.
Es war eine Nacht. Eine einzige Nacht. Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht und schüttelte den Kopf. Dieser verdammte Abschlussball.

Hereditas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt