Schattenliebe - Der Schrei der Banshee

Kapitel 11 - Die Jägerbestattung

Der Tod ist das Aroma der Existenz. Nur er leiht den Augenblicken Geschmack, nur er bekämpft ihre Fadheit. - Emile Michel Cioran

Der Raum ist von klinischer Helligkeit durchflutet, die grellen Neonlichter werfen scharfe Schatten auf den glänzenden grauen Boden. Die Erschöpfung sitzt tief in meinen Knochen, als ich mich auf den Stuhl sinken lasse. Mein Blick wird von der schwarzen Liege an der Wand angezogen, und darauf liegt May - mit ihren wunderschönen erdbeerblonden roten Haaren, die einen Kontrast zu der Liege bilden.

Sie sieht so zerbrechlich aus, eingewickelt in eine Decke. Meine Müdigkeit tritt in den Hintergrund, als May blinzelt.

Ein Ruck durchfährt mich, ich schrecke hoch, als hätte ein plötzlicher Adrenalinstoß mich durchzuckt. Zwei Schritte trennen mich von May, und ohne weiter darüber nachzudenken, berühre ich sanft ihre Wange. "Hey", flüstere ich kaum hörbar, als wollte ich die zerbrechliche Stille des Raums nicht durchbrechen.

Mays Augen sehen matt aus, als würden sie eine Last tragen, die schwerer ist als die Welt selbst. Das glänzende Linoleum unter meinen Füßen reflektiert das Neonlicht.

Mays grüne Augen durchdringen mich, ihre intensiven Blicke scheinen tief in meine Seele zu schauen. In diesem Augenblick fühlt es sich an, als ob sie die verborgensten Ecken meines Geistes erkunden könnte, als würden ihre Augen jede verschleierte Emotion aufdecken. Die Nuancen ihrer Iris spiegeln eine Mischung aus Neugier und Verständnis wider, als ob sie meine Gedanken verstehen könnte, bevor ich überhaupt die Worte finde, sie auszusprechen.

Ein unerklärliches Kribbeln überzieht meine Haut, als ob zarte Federn sanft darüber streichen. Gänsehaut breitet sich von meinem Nacken über meine Arme aus, und mein Herz scheint einen Moment lang den normalen Takt zu verlieren. Es ist, als ob May mit ihrem Blick eine Verbindung zwischen uns herstellt, die tiefer reicht als bloße Worte es könnten.

In ihren Augen spiegelt sich eine Welt von Gefühlen wider, eine emotionale Landschaft, die mich dazu verleitet, meine eigenen inneren Wogen zu erkunden. Jeder Augenblick mit diesem Blick ist wie ein eindringlicher Dialog ohne Worte, ein Austausch von Empfindungen, der die Luft zwischen uns mit einer beinahe greifbaren Intensität füllt.

Die Stille zwischen uns wird lebendig, und ich spüre, wie meine eigenen Emotionen in Resonanz mit den ihren treten. Es ist, als ob unsere Seelen miteinander flüstern, in einer Sprache, die nur sie verstehen.

"Geht es dir gut?" flüstere ich leise, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch in der Stille des Raumes. May nickt zaghaft, ein schwaches Lächeln spielt um ihre Lippen, doch ihre Augen verraten eine andere Geschichte. Ein Moment der Stille legt sich über uns, nur unterbrochen vom leisen Summen der medizinischen Geräte, das wie ein ständiges Pulsieren in der Luft liegt.

Ich suche verzweifelt nach Antworten in ihren Augen, versuche, in den tiefen Grüntönen ihrer Iris irgendein Zeichen von Hoffnung zu entdecken. Doch ihre Augen bleiben matt, dunkel und still. Sie sind wie verschlossene Tore zu einem Garten, in dem die Blumen ihre Köpfe hängen lassen. Die Stille wird fast greifbar, während ich in ihrem Blick nach einem Funken Leben suche, der mir versichern könnte, dass alles gut werden wird.

"Wir schaffen das", versuche ich schließlich, meine Worte sind mehr ein verzweifelter Appell an das Schicksal als eine feste Überzeugung. Ich hoffe, dass meine Worte einen Hauch von Trost in diesen Raum.

Meine Finger tasten sich vorsichtig vor. Auf der schwarzen Liege ruht ihre Hand, blass und leicht zitternd. Als meine Hand die ihre umschließt, durchläuft ein pulsender heißer Schauder meinen Körper, so intensiv, dass es fast schmerzt. Es ist, als würde ein elektrischer Strom durch meine Adern schießen, jede Faser meines Seins erfassen. Das Feuer, das in mir erwacht, gleicht dem Feuer, was das ersten Mal in mir entfachte, als sie mich mit ihren grünen Augen durchbohrte. Es lodert hoch, leckt an jeder Zelle meines Körpers.