Kapitel 22 - Schatten der Tragödie

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"Inmitten von Tragödien finden wir unsere größte Stärke und entdecken, wer wir wirklich sind." - Joseph Campbell

Grelle Blitze durchzucken den Himmel, gefolgt von ohrenbetäubendem Donner. Explosionen in der Ferne bringen die Erde zum Beben, während Flammen aus dem Boden schießen und der Himmel von zerstörerischen Detonationen zerrissen wird. Panik ergreift mich, während ich verzweifelt nach einem sicheren Ort suche, doch die zerstörerischen Kräfte verfolgen mich scheinbar. Die Landschaft verwandelt sich in eine apokalyptische Kulisse aus Feuer, Rauch und Schatten, und die Katastrophe nimmt kein Ende.

Die Finsternis meines Albtraums löst sich langsam auf, während ich mit flachem Atem und einem Herzen, das wild gegen meine Brust hämmert, erwache. Die Umgebung ist eine verschwommene Masse aus undefinierten Konturen, und ich kann nicht sofort begreifen, wo ich mich befinde. Ein Schauder der Unruhe durchzuckt mich, als ich versuche, meine Orientierung zu finden.

Plötzlich taucht eine schemenhafte Gestalt vor mir auf. Panik ergreift Besitz von mir, und meine Instinkte übernehmen die Kontrolle. Meine Hände reagieren wie von selbst, umklammern die Arme der Person und zwingen sie gegen die kalte Wand. Ein Moment des Blindseins, ein kurzer Kampf, und ich habe die Kontrolle, die Dunkelheit vor mir unterwerfe. Mein Atem, hektisch und unregelmäßig, drückt die Stille des Raumes nieder.

Als meine Sinne langsam wieder zu mir kommen, realisiere ich den Irrtum meines reflexhaften Angriffs. Die Konturen des Raumes werden klarer, das schwache Licht durchbricht den Nebel, und die Person vor mir nimmt Form an. Die Krankenschwester, die mich zuvor betreut hat starrt mich mit großen, erschrockenen Augen an, während ich meine Hände von ihrem Körper löse.

"Entschuldigung", flüstere ich, der Klang meiner eigenen Stimme klingt fremd in meinen Ohren. Die Krankenschwester streicht sich nervös durch die Haare, während ich mich von ihr zurückziehe. Ein Moment der Stille liegt in der Luft, bevor sie zaghaft nickt.

Der Raum um mich herum wirkt plötzlich lebendig.

Das weiße Licht der Krankenhausbeleuchtung wirft harte Schatten und mir wird mit einmal kalt. "Miss Williams, ihre Freundin ist wach", sagt die Krankenschwester und deutet mit zitternder Hand den Weg an. Ein Gefühl der Verlegenheit überkommt mich, als ich ihr folge, meine Gedanken noch gefangen in den wirren Resten meines Alptraums.

Die Tür zu Mays Zimmer öffnet sich mit einem leisen Quietschen, und mein Blick fällt auf sie, die da liegt – ein zartes Abbild dessen, was sie einmal war. Erdbeerblonde Haare umrahmen ihr Gesicht, das trotz der Spuren von Verbänden und der Blässe ihrer Haut immer noch eine Aura der Schönheit ausstrahlt. Grüne Augen, einst strahlend vor Lebensfreude, durchdringen die Stille des Raumes. Mein Herzschlag intensiviert sich, während ich versuche, meine eigenen Emotionen zu sortieren.

Ein Schauer durchläuft mich, als May den Kopf dreht und mich mit einem Blick aus ihren grünen Augen erfasst. Überraschung, Freude, Trauer – all diese Gefühle spiegeln sich in ihrem Gesicht wider. Ein schwaches Lächeln spielt um ihre Lippen, doch die Schwere des Erlebten zeichnet sich in den Linien ihres Gesichts ab. Als sie ihre Hand ausstreckt, umfasst meine sie fest, als könnte das Berühren meiner Finger ihre Präsenz für mich und für sie selbst bestätigen.

"Alisia", haucht sie meinen Namen, und ihre Stimme, die von einer heiseren Note begleitet wird, erreicht mein Innerstes. Das Gewicht der Ungewissheit, das mich bis hierhin begleitet hat, scheint sich zu lichten. Aber selbst in diesem Moment der Wiedervereinigung zerrt die Furcht weiterhin an den Fäden meines Herzens.

Ich lasse meine Finger sanft über Mays Hand gleiten, fühle die Wärme und die Zartheit, die mir bestätigen, dass sie wirklich hier ist. Tränen sammeln sich in meinen Augen, und ich kämpfe gegen ihre Entfesselung an.

Schattenliebe - Der Schrei der BansheeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt