Kapitel 18 - Im Bann der Wahrheit

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"Die Wahrheit ist unzerstörbar; sie ist wie ein kleines Licht in einer dunklen Höhle, das man nicht auslöschen kann." - Leo Tolstoi


Der Raum ist im sanften Licht des Mondes getaucht, das durch die Vorhänge fällt und Mays Gesicht in einen zarten Glanz hüllt. Der Atem der Nacht mischt sich mit dem gedämpften Klang ihrer ruhigen Atemzüge. Der Raum selbst scheint in Stille getaucht zu sein, nur unterbrochen vom gelegentlichen Rascheln der Blätter draußen.

Als meine Finger durch ihr erdbeerblondes Haar gleiten, spüre ich die Zartheit ihrer Strähnen und die Wärme, die von ihr ausgeht. Ein leises Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, während ich die Unverständlichkeiten, die sie im Schlaf von sich gibt, als Melodie meiner eigenen Gedanken wahrnehme.

Ihre Bewegungen im Schlaf, das leise Murmeln und die sanfte Drehung, sind wie eine Choreografie des Traums, in dem sie gefangen ist. Ein leises, zärtliches Lachen entweicht mir, während ich über die Süße ihrer Erscheinung nachsinne.

Langsam erhebe ich mich aus dem Bett, rücke ein Stück zur Seite, um sie besser betrachten zu können. Ein Blick, der zugleich fasziniert und beschützend ist. Doch selbst in dieser intimen Nähe kann ich nicht die dunklen Schatten meiner eigenen Gedanken vertreiben.

Ihr Anblick bringt meine Erinnerungen in Bewegung. Der Einsatz, von dem sie spricht, verwebt sich mit der Unsicherheit in meinem Inneren. Wie kann es sein, dass ich dabei gewesen sein soll, als Mays Familie starb, und dennoch fehlen mir klare Erinnerungen? Ich kann mich an keinen Einsatz erinnern, keine Begegnung mit Banshees – bis auf May vor einigen Wochen im Gold Heaven.

Die Dunkelheit des Flurs umhüllt mich, während ich mich lautlos vorwärts bewege. Jeder meiner Schritte ist von einem gedämpften Knarren begleitet, das sich anhört, als würde der Flur meine Anwesenheit verraten wollen. Verdammt, warum knarrt diese Treppe immer so? Jeder Schritt scheint wie ein lautes Geständnis meiner heimlichen Mission zu sein.

Die Treppe windet sich nach unten, und mit jedem Schritt verstärkt sich der Druck in meiner Brust. Mein Ziel liegt im Herzen dieses düsteren Gebäudes - die Bibliothek der Jäger, ein Ort voller Geheimnisse und Antworten. Ich atme tief durch und versuche, den Kloß in meinem Hals zu ignorieren.

Als ich endlich die letzte Stufe erreiche, verharre ich für einen Moment im Schatten der Dunkelheit. Die Stille um mich herum ist so drückend, dass ich das leise Knarren der Treppe immer noch in meinen Ohren widerhallen höre. Mein Herz pocht so laut, dass ich fürchte, es könnte die Stille durchbrechen.

Plötzlich öffnet sich die Tür zur Kommandozentrale mit einem sanften Quietschen. Panisch suche ich nach einem Versteck, als eine Gruppe Jäger heraustritt und den Flur betritt. Ein Schauer durchläuft meinen Körper, als ich mich vor ihnen verstecke und versuche, meinen Atem zu unterdrücken. Die Kälte des Flurs durchdringt meine Haut, während ich mich im Schatten ducke.

Die Jäger, in ihren robusten Uniformen, unterhalten sich leise und gehen an mir vorbei. Mein Herz hämmert so laut, dass ich befürchte, sie könnten es hören. Als die letzte von ihnen vorbeigeht, atme ich erleichtert aus.

Ich verlasse mein Versteck mit dem Rücken zu meinen Jägerkollegen.

„Alisia?", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir und zucke zusammen.

Ich drehe mich also um und blicke in ihre überraschten Augen. Mein kurzer Blick nach unten verrät meine unvorbereitete Erscheinung. In kurzen Hosen und einem Top stehe ich da, meine Haare wirken wie ein wildes Vogelnest. Großartig, das ist definitiv kein idealer Start für meine potenzielle Führungsrolle. Einige der Jäger sehen aus, als hätten sie gerade einen Geist gesehen, andere versuchen vergeblich, ihre Belustigung zu verbergen. Ich könnte wetten, dass mein Anblick das Thema ihres nächsten Lagerfeuergesprächs wird.

Schattenliebe - Der Schrei der BansheeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt