Kapitel 7 - Schuldig?

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"Solange die Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen ist, sollte die Unschuld vermutet werden." - Legal Maxim



Ich sitze in meinem Auto und starre auf die regennasse Straße vor mir. Die Tropfen auf der Windschutzscheibe verschwimmen, während ein schwerer Kloß in meinem Magen drückt.


Meine Hände krampfen sich um das Lenkrad, und meine Gedanken wirbeln wild durcheinander. May wird beschuldigt, mehrere Morde begangen zu haben. Die Beweise scheinen erdrückend zu sein, sonst gäbe es keinen Grund sie einzusperren und doch kann ich nicht glauben, dass sie zu solch abscheulichen Taten fähig ist.


Der Regen verstärkt sich, und die Sicht wird schlechter, doch ich fahre immer weiter und als ich vor dem Polizeipräsidium parke, springe ich aus dem Auto und laufe durch die Nässe.


Am Empfang angekommen sehe ich einen älteren Mann hinter einer Glasscheibe sitzen. Er isst gemütlich ein Brötchen. Ich lächele ihn an. „Einen wunderschönen guten Tag. Ich würde gern zu May Davis.", erkläre ich. Der Mitarbeiter sieht auf und mustert mich. Er schüttelt den Kopf und beißt erneut von seinem Brötchen ab. "Ohne die erforderlichen Genehmigungen kann ich niemanden durchlassen.", schmatzt er. „Bitte. Ich muss, es ist äußerst wichtig." Wieder schüttelt er den Kopf und zuckt mit den Schultern.


Ich kämpfe darum, höflich zu bleiben, aber als er sich unnachgiebig zeigt, kann ich meine Wut nicht mehr zurückhalten.


"Ich muss zu May Davis", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Wieder ist die einzige Antwort des Beamten ein Schulterzucken und ein Schlürfen aus seiner Kaffeetasse.


Meine Hände ballen sich zu Fäusten. "Ich werde nicht einfach hier sitzen und warten, während irgendjemand Papiere bearbeitet."


Ich spüre, wie die Wut in mir aufsteigt, und meine Augen flackern bedrohlich. Meine Jägerfähigkeit wallt durch mein Blut.


"Was ist hier los?" fragt eine mir bekannte Stimme und ich drehe mich um. Detectiv Stroud steht im Raum und wirft wechselnde Blicke zwischen mir und dem Empfangsmitarbeiter hin und her.


Ich atme tief durch und erkläre, "Ich muss mit May sprechen, Detective. Es ist dringend. Sie hat mich angerufen."

Stroud nickt und weist den Empfangsmitarbeiter an, mich durchzulassen. Gemeinsam gehen wir zum Zellentrakt, wo May wartet.

Als sie mich sieht, glitzern Tränen in ihren Augen.


Ich stehe vor der massiven Glastür, und lege meine Hand darauf. Das rothaarige Mädchen tut es mir gleich. Die Zelle, in der sie eingesperrt ist, ist düster und beklemmend. Die Wände bestehen aus grobem, kaltem Beton und sind mit schalldämmendem Material bedeckt, um sicherzustellen, dass die schrillen Schreie der Banshee keinen Ausweg finden. Kein Tageslicht dringt in den Raum, und die einzige Lichtquelle ist ein schwaches, diffuses Leuchten von einer bläulichen Glühbirne an der Decke. Eves und meine Familien haben solche Zellen für magische Wesen entwickelt. Einige von denen sind im Präsidium.


In der Ecke der Zelle steht ein einfaches Bett aus einem hartem Stück Holz, das an der Wand befestigt ist. Es hat keine Matratze, dafür aber eine kratzige Wolldecke und dient allein dem Zweck, dass May sich daraufsetzen oder liegen kann. An der gegenüberliegenden Wand befindet sich ein Waschbecken und ein kleiner Eimer. Die Zelle verfügt über keinerlei Möbel oder Dekorationen.

Schattenliebe - Der Schrei der BansheeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt