Kapitel 12 - Blickkontakt

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"In ihren Augen fand ich mein Zuhause, und im Blickkontakt mit ihr verstand ich die Sprache der Liebe." - Unknown


Die Trauerhalle ist in gedämpftes Licht getaucht, das sich sanft über die Gesichter der Anwesenden legt. In der Mitte des Raumes steht ein Buffet, auf dem sich eine Auswahl an Speisen aneinanderreiht, von denen niemand so recht zu kosten scheint. Die leise Musik im Hintergrund versucht, eine Atmosphäre der Ruhe zu schaffen, während die Menschen in ihren dunklen Anzügen und schwarzen Kleidern gedämpfte Gespräche führen.

May sitzt neben mir an einem der weißen Tische, ihre Hand ruht unter der Tischdecke auf meiner. Sie trägt ein elegantes, dunkelgrünes Kleid, das ihre Trauer verbirgt, aber ihre nervösen Blicke verraten, dass sie versucht, sich von der tristen Stimmung abzulenken. Die Tanzfläche in der Ecke des Raumes scheint in diesem Moment wie eine unpassende Ergänzung zu wirken, aber die Trauerfeier wurde so gestaltet, um dem Leben zu gedenken, das gelebt wurde.

May seufzt leise und schaut sich um, als ob sie nach einer Ablenkung sucht. Ihre Finger spielen nervös mit den Rändern der Tischdecke. Die gedämpften Gespräche um uns herum vermischen sich. Menschen stehen in kleinen Gruppen beisammen und teilen Erinnerungen an den Verstorbenen.

Auf der Tanzfläche bewegt sich eine kleine Gruppe, vielleicht um den Schmerz zu vergessen oder einfach nur, um dem Leben trotz allem einen Moment der Freude zu schenken. Die Musik, die von den Lautsprechern kommt, ist zwar leise, aber die Melodie dringt dennoch durch den Raum.

Ich spüre, wie May ihre Hand fester um meine legt, als wolle sie sich an der Realität festhalten. Unsere Blicke treffen sich, und ich versuche, sie mit einem aufmunternden Lächeln zu trösten. Wir beide wissen, dass dies keine gewöhnliche Trauerfeier ist, aber die Vielfalt der Emotionen und die verschiedenen Arten des Umgangs mit dem Verlust spiegeln sich in den gedämmten Gesprächen und den vereinzelten Tanzpaaren wider.

Das Buffet, das mit Liebe vorbereitet wurde, steht im Kontrast zu der Tragödie, die diese Zusammenkunft vereint. May lehnt sich näher an mich, und ich spüre, wie sie nach Trost sucht.

Mit einem sanften Lächeln, das die Dunkelheit durchbricht, stehe ich auf und stelle mich vor sie. Das rothaarige Mädchen blickt auf, unsere Augen treffen sich, und ich strecke meine Hand aus. "May", sage ich leise, fast flüsternd, "tanzt du mit mir? Lass uns für einen Moment die Schwere vergessen und uns in den Klängen der Musik verlieren."

Sie schaut mich überrascht an, aber ihre Augen verraten einen Hauch von Neugier und die Sehnsucht nach einer Flucht aus dem Schatten des Verlusts. Nach einem kurzen Moment des Zögerns legt sie ihre Hand in meine, und ich spüre die Wärme ihrer Haut. Die gedämpfte Musik wird lauter, als wir uns auf die Tanzfläche begeben.

Der erste Ton eines neuen Liedes setzt ein, und wir beginnen unsere Bewegungen im Takt der sanften Melodie. Die ersten Schritte sind zögerlich, fast tastend, aber dann verschmelzen unsere Bewegungen zu einem harmonischen Tanz.

Unsere Füße gleiten über den Boden, mal langsam, mal schnell, in einer Choreographie, die sich spontan entwickelt. Die Enge unserer Körper lässt uns miteinander verschmelzen, und ich spüre jede Bewegung von May, als wären wir eins.

Mit jeder Drehung lösen sich die Gedanken an die Trauer für einen kostbaren Moment auf. Unsere Drehungen sind fließend und anmutig, als würden wir durch die Luft schweben. Die Musik, die nur leise in unseren Ohren klingt, trägt uns weiter, und die Trauerfeier wird für einen Augenblick vergessen.

Die Nähe von Mays Körper löst in mir ein Gefühl der Wärme aus, das sich über meinen ganzen Körper ausbreitet. Die gedämpften Gespräche um uns herum verschwinden, und es gibt nur noch die Musik, den Raum und wir beide, die sich im Tanz verlieren.

Schattenliebe - Der Schrei der BansheeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt