"Hochnäsige Zicke."
Thomas schaute durch den Tür-Spalt zurück in den Salon und auf Miss Beatrice. Trotz ihrer wunderschönen blonden Haare, die sie aufwendig hochgesteckt hatte, war sie keineswegs ein Engel.
"Das hast du gesagt." Harold grinste in sich hinein und wischte seine Hände an einem der Küchentücher ab. Beim Servieren des Champagners hatte einer der Damen eines der Gläser umgestoßen, sodass es ihm über die Finger gelaufen war. Seine weißen Handschuhe, die er nur zum Servieren von Champagner und Wein trug, hatte er schon ausgetauscht.
Scheinbar hatte Thomas zu der Zeit Miss Beatrice, die sich ihnen heute Mittag schon vorgestellt hatte, etwas genauer kennenlernen dürfen.
"An ihr sieht man wieder einmal, wie sehr der Schein trügen kann", ließ Thomas immer noch nicht ab und zupfte sein Jackett zurecht. Seine dunkelbraunen Haare fielen ihm dabei kurz ins Gesicht, doch er hatte sie blitzschnell wieder zurecht gestrichen. Trotz seiner negativen Aussagen, hätte ein Außenstehender diese von Weitem nicht erkennen können. So professionell sah das Lächeln aus, das seinen Mund während jedem einzelnen Wort zierte.
"Sie werden gleich abgelöst", erinnerte einer der Ober-Kellner die gesamte Gruppe. Er hatte hier mehr oder weniger das Sagen und war dafür verantwortlich sie auf die verschiedenen Tische aufzuteilen und zu überprüfen, ob alle Bestellungen richtig die Küche verließen. Auch wenn das Abendessen schon vorbei war, saßen die meisten Gäste noch an ihrem Platz.
Würde Harold auch, das gestand er sich ein. Der Salon sah sehr prunkvoll aus.
Endlos hohe Decken, viele gläserne Kronleuchter, deren Kristalle das Licht brachen. Noch dazu perfekt eingedeckte Runde Tische mit Blumensträußen als Dekoration, die an sich schon ein kleines Vermögen gekostet haben mussten. Hier ließ es sich gut den Abend verbringen. Für ihn würde so etwas aber niemals in Frage kommen, dessen war er sich zweifelsohne bewusst.
Plötzlich betrat Miss Adele die Küche und sämtliche Gespräche verstummten. "Kann jemand von Ihnen Miss Brixton noch etwas zu Essen bringen? Sie hat das Abendessen verpasst, da sie unpässlich war", erkundigte sie sich in ihrem allzu bekannten schroffen Ton und schaute in die Runde.
Niemand der Neuen erklärte sich bereit dazu. Hatten alle die Befürchtung, dass es sich bei 'Miss Brixton' um eine Frau des selben Kalibers wie Miss Beatrice handelte. Harold hatte nur mitbekommen, dass die Mutter von Miss Beatrice auf Reisen war, doch vermutlich war sie schon zurückgekommen.
"Sie. Thomas." Miss Adele zeigte mit dem Finger auf ihn und wank ihn zu sich. "Gehen Sie. Ich sage Ihnen wie", ließ sie nicht einmal eine Antwort zu und drückte ihm schon kurz darauf ein Tablett mit dem Essen, dass es heute im Menü gab, darauf in die Hand.
Seine Augen suchten Harolds, die ihn nur etwas spöttisch anfunkelten. Heute war wohl absolut nicht Thomas Tag. Nun konnte er sich erneut von einer Brixton herumschubsen und belehren lassen.
Harold bekam nicht genau mit, welche Wegbeschreibung Miss Adele ihm gab, da er schon das nächste Tablett in die Hand gedrückt bekam. Mit einem letzten Grinsen überließ er Thomas seinem Schicksal und betrat durch die Schwingtür wieder den Salon. Die Geräuschkulisse schien sich gleich zu verdreifachen.
Thomas eilte indes schnellen Schrittes über den Flur. Er befürchtete, dass Miss Brixton genauestens auf die Uhr schaute und ihm jede Minute vorhalten würde, die er länger gebraucht hatte, um ihr das Essen zu bringen.
Aber auch wenn heute sein zweiter Tag war, war er leicht irritiert, in welche Richtung Miss Adele ihn geschickt hatte. Statt in Richtung Rezeption lief er gerade nämlich eher in die Richtung, in der sein eigenes Zimmer sich befand. Jetzt war jedoch keine Zeit für seine Zweifel, er hatte hier schnell gemerkt, dass man einfach Miss Adeles Befehlen Folge leisten sollte, egal wieviel und was dagegen sprechen mochte.
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Das Grand Hotel
Historical FictionIm glanzvollen Jahr 1954 betritt Harold Shelby mit ehrgeizigen Träumen das legendäre 'Grand Hotel'. Ein Ort, an dem Hollywood-Größen ein und aus gehen, und jede Anstellung als ein Ritterschlag gilt. Doch zwischen den luxuriösen Kulissen lauert ein...