"Miss Jane."
"Miss Jane."
"Jane", wurde das Flüstern lauter und Jane tat sich schwer, ihre Augen zu öffnen.
Schnell gewöhnte sie sich an das schwache Licht, zu regnen schien es auch nicht mehr.
"Mmh?", brummte sie nur und setzte sich auf.
"Sie sind eingeschlafen, ich glaube wir sollten zurückkehren", sprach Harold immer noch gedämpft, als fürchte er, dass jemand ihnen auflauerte und sie belauschte.
"Verdammt." Jane drehte sich benommen zu dem Dunkelhaarigen, der nun die Decke von ihnen hob.
Wann hatte sie sich damit zugedeckt?
Schon bald standen beide wieder auf den Beinen, Jane legte ihre Handfläche ein letztes Mal auf Lazlos Wange und lehnte ihre Stirn an ihn. "Bis nachher", wisperte sie in sein Fell und als sie über ihre Schulter sah, hatte Harold die Decke schon wieder an ihren ursprünglichen Platz gehängt.
"Sie haben keine Uhr bei sich, oder?", erkundigte sie sich bei Harold, als die Stalltür hinter ihnen zufiel und sie erkannten, dass es schon wieder dämmerte, es vermutlich in ein oder zwei Stunden schon wieder komplett hell sein würde.
"Nein."
"Wann beginnt Ihre Schicht heute denn?"
"Erst heute Nachmittag. Gestern mussten wir lange arbeiten, daher haben wir heute einige Stunden frei bekommen", erklärte er und hatte eine Hand in seiner Hosentasche, während sie langsam über den Schotterweg gingen. Jane nickte erleichtert, da sie nicht die Schuld daran tragen wollte, falls Harold nicht pünktlich zur Arbeit erschien.
Sie kannte Miss Adele und wie schnell diese Leute herauswarf, die sich nicht an ihre Zeitpläne hielten. Wäre es zwar dennoch so weit gekommen, hätte sie Harold verteidigt und für ihn eingestanden, da sie schlichtweg alleine schuld daran gewesen war, dass er nachts noch umherwanderte.
"Wie war die Feier gestern eignentlich?"
" Viele Betrunkene und wenig Manieren."
Jane musste wieder lachen.
"Dann habe ich mir ja wirklich etwas entgehen lassen. Das bekommt man hier ja nicht alle Tage zu sehen", fügte sie hinzu und belächelte, dass dieses Hotel ein ewiger Kreislauf zu sein schien, in dem jeder Tag dem davor glich.
"Ihnen hätte bestimmt gefallen, ihre Schwester zu sehen, sie schien recht gelöst", umschrieb er nun, dass nun auch Beatrice einmal mehr getrunken hatte, als es vielleicht gut für sie war.
"Vielleicht hat sie mir ja den Mann meiner Träume weggeschnappt, das wäre eine Schande." Jane wusste nicht, ob Harold den ganzen Streit mitbekommen hatte, aber seine Reaktion auf diese Aussage bestätigte ihre Vermutung. Vermutlich hatte jeder, der im Umkreis von zehn Metern auf dem Flur war, das Wortgefecht mitbekommen. Dass Beatrice ihre Wut vermochte mit Champagner und Wein zu stillen differenzierte sie nicht gerade sehr von ihrer Mutter, die sie viel lieber mit Jane verglich.
"Sie dürfen ruhig lachen. Gestern war weder Beatrices noch meine kühnste Stunde. Wäre es nicht schon so oft derart ausgeartet, müsste ich mich vermutlich dafür bei Ihnen entschuldigen – dafür, dass sie das miterleben mussten."
Harold schwieg einige Sekunden, bevor er das Wort ergriff. "Artet es oft so aus?"
"Haben Sie Geschwister?", stelle Jane daraufhin eine Gegenfrage.
"Eine Schwester." Er nickte.
"Wenn man sein ganzes Leben zu zweit auf engstem Raum alles macht, sogar Zuhause unterrichtet wird, dann gibt es irgendwann keine Hemmschwelle mehr. Als Kinder haben wir uns wenig gestritten, normale Zankereien vielleicht. Aber über die Jahre wurde die Luft knapp und wir geraten bei jeder sich uns bietenden Möglichkeit aneinander."
DU LIEST GERADE
Das Grand Hotel
Ficção HistóricaIm glanzvollen Jahr 1954 betritt Harold Shelby mit ehrgeizigen Träumen das legendäre 'Grand Hotel'. Ein Ort, an dem Hollywood-Größen ein und aus gehen, und jede Anstellung als ein Ritterschlag gilt. Doch zwischen den luxuriösen Kulissen lauert ein...