9 - Familie

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[Louis]

"Louis, setz dich!" rief Anne, als ich mit Grace die Küche betrat und ich lächelte sie leicht an und setzte mich an den Küchentisch.
"Gemma ist nicht da?" fragte ich vorsichtig, woraufhin Harry's Mutter den Kopf schüttelte und mir einen Teller Essen vor die Nase stellte. Es war eine Pasta mit Sahnesauce und Käse, es duftete herrlich.
"Danke.", sagte ich zu ihr und sah sie kurz an.
Harry ließ sich neben mir nieder. "Soll ich sie dir abnehmen? Dann kannst du in Ruhe essen." schlug er vor, doch ich schüttelte den Kopf. "Das geht so."
Ich tat das schließlich schon seit Monaten allein, ich war geübt darin.
Anne setzte sich zu uns und ich nahm die Gabel in die Hand und fing an, ein wenig zu essen.

Zu meiner großen Enttäuschung fiel es mir unheimlich schwer, auch wenn es fantastisch schmeckte. Aber sowohl Harry als auch Anne beobachteten mich.
Ich sah auf meinen Teller, dann zu Anne. "Danke, dass du mich reingelassen hast." sprach ich leise.
Ihr Blick wurde sanft und sie schüttelte den Kopf. "Mein lieber Junge, ich habe dir doch in London etwas dazu gesagt, oder? Du kannst immer anrufen, oder kommen." antwortete sie und legte mir die Hand auf den Arm.
Ihre Geste triggerte etwas in mir und ich sah sie weiter an. Meine Mom hatte mich auch immer so getätschelt, wenn sie mich beruhigen wollte oder irgendetwas vorgefallen war.

Anne lächelte mich an und nickte mir dann zu. "Ich freue mich, dass du hier bist. Wir müssen uns ganz dringend um dich kümmern, Louis, du bist wirklich zu dünn. Isst du überhaupt richtig?"
Mit Anne fiel es mir leichter, zu reden. Ich wusste nicht wieso, aber sie weckte Erinnerungen in mir und ich fühlte mich bei ihr und in ihrem Haus wohl.
"Ich kann nicht wirklich kochen..." sagte ich entschuldigend und zuckte mit den Schultern, sah zu Harry. "Das ist dir ja nicht ganz unbekannt." bemerkte ich und er lachte leise und nickte. "Kann mich dunkel erinnern."
Ich lächelte leicht und sah Anne wieder an.
"Mit der Kleinen und so, es bleibt nicht viel Zeit. Und dann bestelle ich etwas, aber häufig..." Ich stoppte mich und sah betreten auf den Teller vor mir.
"Häufig lässt du die Mahlzeiten aus?" beendete sie meinen Satz für mich und ich nickte. Sie seufzte, nickte jedoch verständnisvoll.
"Louis, hast du schon einmal gesehen, wie man ein Hühnchen zubereitet?" fragte sie mich und ich nickte. "Bei Mom, ja. Aber nur von Weitem. Sowas hat sie immer mit Lottie gemacht."
Anne lächelte mich liebevoll an. "Dann haben wir morgen was vor! Ich bringe es dir bei!" sagte sie und es klang nicht wie ein Vorschlag, eher wie ein sanft gesprochener Befehl.

"Oh, ich..okay.."
"Mom! Lass ihn doch in Ruhe, vielleicht will er gar nicht kochen lernen?" sagte Harry und sah Anne streng an. Sie winkte ab.
"Er ist Vater, alleinerziehend praktisch, entschuldige mein Liebling...", Sie sah mich bedauernd an, doch ich nickte nur. Sie hatte nicht unrecht. "...Jedenfalls sollte man da die ein oder andere Sache können. Ich würde mich freuen, wenn ich es dir beibringen dürfte."
Ich war ganz fasziniert davon, was Anne in mir auslöste und nickte schließlich bereitwillig. "Gern. Danke, Anne." antwortete ich ihr leise.
"Und ich übernehme dann Gracey?" fragte Harry mich lächelnd und ich sah ihn an, zuckte mit den Schultern. "Also...nur, wenn dir das nicht zu viel ist. Ansonsten kann ich sie sicher trotzdem nehmen."
Ich sah Grace an, die mit den Bändchen meines Pullovers spielte und ganz vertieft darin war.
"Ganz im Gegenteil!" Harry grinste. "Ich würde dir gerne helfen. Außerdem mag sie mich." Er zwinkerte mir zu, was mich zum Lachen brachte.
"Du hast Anfängerglück gehabt! Warte, bis sie Hunger hat und du nicht weißt, wie das mit dem Milchpulver geht."
"Dafür habe ich ja dich, du gibst ihr doch heute sowieso noch eine Flasche, dann zeigst du es mir. Dann bin ich gewappnet!" Harry war selbstbewusst und schien vollends überzeugt zu sein, dass er auf jeden Fall damit klar kam. "Gut. Dann ist das ein Plan." hörte ich mich sagen und war selbst ganz überrascht von mir.
Harry sah zu Grace, die ihn auch ansah. Er grinste sie an und die Kleine quietschte auf.
Ich musste breit lächeln, versteckte mein Gesicht, indem ich auf die Pasta sah und sie weiter zu mir nahm.
Ohne es zu merken, hatte ich schließlich den ganzen Teller aufgegessen.

Nach dem Essen zeigte ich Harry, wie man die Flasche für Grace zubereitete, und er war so konzentriert, dass die Furche auf seiner Stirn zum Vorschein kam. Ich musste darüber schmunzeln und aus Affekt beugte ich mich zu ihm und küsste die Stelle. Er blickte zu mir und lächelte mich liebevoll an, ehe er mir über die Wange strich.
"Konzentrier dich." murmelte er amüsiert und ich lachte leise. "Ich geh mit ihr hoch, ja? Wo kann ich schlafen?"
Er sah mich an. "Wenn du möchtest, schlaf bei mir."
"Ich habe nur das Reisebett noch im Auto. Ich kann auch in ein Gästezimmer, dann kann Grace bei mir im Bett schlafen." Ich sah nach draußen, wo es nach wie vor Bindfäden regnete.
"Wir haben kein Gästezimmer. Schlaft bei mir, das Bett ist groß genug, da passt der kleine Wurm rein. Also, wenn dir das recht ist."
Ich musterte ihn und ohne nachzudenken, nickte ich. "Ist es. Danke." sagte ich leise, dann ging ich mit Grace nach oben.

Ich legte mich mit ihr in das Bett und hielt sie im Arm, während ich sie fütterte. Lächelnd beobachtete ich sie, wie sie alles leer trank und dann zufrieden beinahe sofort einschlief. Ich spürte mit einem Mal die ganze Erschöpfung, weswegen ich sie vorsichtig in die Mitte legte und mich neben sie in die Decke einkuschelte. Nur wenige Minuten später war ich eingeschlafen.


***


Am nächsten Vormittag stand ich mit Anne in der Küche und war völlig überfordert von den vielen Eindrücken, die sie mir beibrachte.
Sie hatte mir gezeigt, wie man Hähnchenbrust mit Füllung zubereitete. Als Füllung hatten wir uns für Mozzarella entschieden, beziehungsweise hatte sie das entschieden. Als sie dann den Schinken aus dem Kühlschrank holte, war ich überfordert.
Sie schmunzelte. "Damit wickeln wir jetzt das Hähnchen ein. Und dann braten wir es in der Pfanne an."
Ich nickte ernst und sah ihr zu. Anne lachte und legte den Arm für einen Moment um mich. "Entspann dich, Louis! Es wird alles gut!" sagte sie lachend und ich lächelte sie unsicher an. Sie musterte mich einen Moment.
"Dann schälen wir mal die Kartoffeln. Wir machen Pürree dazu." sagte sie und zeigte mir, wie man das machte.
Das war zu meiner Freude etwas, dass ich sofort kapierte und so übertrug sie mir die volle Verantwortung für die Kartoffeln, während sie das Hähnchen in der Pfanne briet.

"Gibt es einen Grund, dass wir gerade das hier kochen? Ein Familienrezept?" fragte ich sie, und Anne nickte.
"Harry's Lieblingsessen." sagte sie und zwinkerte mir zu.
Ich musste lächeln und nickte verstehend.
"Louis, kann ich dich etwas fragen?" Ich sah zu ihr und nickte. "Natürlich, Anne."
Sie sah mich kurz an. "Wie fühlst du dich? War die Nacht okay?"
Ich stoppte meine Bewegung und sah auf die Kartoffelschalen, die einen kleinen Haufen vor mir bildeten.
"Ich fühle mich sehr wohl bei euch." sagte ich leise.
"Das ist doch gut! Wieso schaust du so bedrückt, mein Liebling?" Sie drehte sich mehr zu mir und ich sah sie unsicher an.
"Ich verstehe nicht ganz, wieso ihr so gütig zu mir seid. Ich habe nichts hiervon verdient..." antwortete ich ihr ehrlich.
Sie legte den Pfannenwender nieder und schüttelte den Kopf. "Louis, ich hoffe, du erkennst bald, dass du noch viel mehr verdient hast. Es ist unglaublich, wie verantwortungsbewusst du mit Grace umgehst. Du kannst so stolz auf dich sein, wirklich. Du machst das so toll!"

Sie sah mich liebevoll an und ich schluckte und meine Augen fingen an, zu brennen. Ich blickte wieder weg und wollte mich unter Kontrolle bringen.
Doch Anne strich mir über den Rücken. "Es ist okay, zu weinen, wenn man weinen will. Du kannst dich hier wie zuhause fühlen."
Ich schniefte leise, wischte mir mit dem Handrücken über die Augen.
"Ich hab kein richtiges Zuhause mehr, Anne..." flüsterte ich. "Es fühlt sich nicht mehr wie Zuhause an."
Dieses Geständnis fiel mir schwer, doch ich bereute nicht, dass ich ehrlich gewesen war. Anne ließ mich sein, wie ich war, doch sie kümmerte sich dabei so gut um mich, wie sie konnte. Irgendwo in meinem Herzen wurde es warm und ich musste mir eingestehen, dass sie mir mehr bedeutete, als ich dachte.
Anne erinnerte mich immer mehr an meine Mom und ich merkte, wie sehr ich die Zeit mit ihr schätzte und vor allem, wie gut mir diese Zeit tat.

Plötzlich legte sie die Arme um mich und zog mich an sich. Ich erwiderte die Umarmung und legte den Kopf auf ihrer Schulter ab für einen Moment.
"Danke." flüsterte ich, woraufhin sie mir liebevoll über den Rücken strich. "Ich sage doch, du bist Familie. Und auf unsere Familie passen wir auf."

How To Love Your Enemy | Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt