1. ein ganz normaler Tag

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-𝑴𝒊𝒄𝒂𝒉𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

"Hast du jemals vom weißen Sensenmann gehört?" fragte Simon, mit einem gruseligen Unterton in seiner Stimme und ich verdrehte die Augen.
"Wer soll das jetzt wieder sein?"
Darauf grinste er mich gefällig an und griff nach seinem Handy, das auf seinem Arbeitstisch, direkt neben seinem Computer lag.

"Die Leute geben allem einen Namen, wenn es keinen hat oder sie es nicht kennen. Aber den weißen Sensenmann... den gibt es wirklich, Micah." meinte er und sah auf den Bildschirm seines Handys, bevor er es wieder weglegte.
"Ist etwas?" fragte ich und Simon schüttelte seufzend den Kopf.
"Meine Pause ist gleich aus. Der Chef hat sie wieder verkürzt, weil wir so wenige Angestellte haben." erklärte er und ich nickte seufzend.
"Aber sag mal... du kennst ihn wirklich nicht? Die Geschichten, die sie über ihn erzählen?"
"Nein. Auch, wenn du mich jetzt noch tausend mal fragst." gab ich zurück und rutschte auf dem Regal, auf dem ich saß, ungeduldig hin und her.
"Jetzt erklär mir das mal. Wer soll das sein?"

Darauf sah er mich grinsend an und begann, zu erzählen.
"Der weiße Sensenmann... ist ein Auftragskiller. Alles, was man über ihn weiß, ist, dass er seine Opfer ohne hinterlassene Spuren, Zeugen oder auch nur ein Geräusch tötet. Niemand konnte ihn je identifizieren und die Polizei sucht immer noch nach ihm oder einer Firma, die vielleicht ein verstecktes und ähnliches Business führt, bei der er vielleicht arbeitet. Aber bei jedem seiner Opfer... wurde eine weiße Rose gefunden. Das ist sein Markenzeichen-..."
Da unterbrach ich ihn schmunzelnd, bevor er weiter erzählte und schüttelte belustigt den Kopf.
"Sag mal, verarscht du mich?" scherzte ich und erwartete eine Antwort, die dies bestätigte.
Aber nein...
Simon lachte nur und redete weiter, ohne mir richtig zu antworten.

"Er soll seine Opfer mit einem gebogenen, gezackten Messer töten und die weiße Rose auf die Brust des Opfers legen. Keiner weiß, warum er das macht... daher hat er auch den Namen. Manche nennen ihn auch 'Der weiße Teufel' oder so, aber das klingt irgendwie komisch. Ich bevorzuge-..." "Jaja, schon klar. Der weiße Sensenmann, hab's kapiert. Ach ja, deine Pause ist um, übrigens." murrte ich kopfschüttelnd und deutete auf die Uhr, die über dem Eingang zu diesen Raum hing.
"Uh! Sag das doch gleich!"
Und schon stürzte er sich erneut in die Arbeit an seinem Schreibtisch und ich wusste, dass das mein Stichwort war, abzuhauen.
Ich war schließlich nur in seiner Pause zu besuch, weil mir langweilig war.

Meine Eltern ließen mich keinen Job annehmen... deshalb vegetierge ich arbeitslos durch mein langweiliges Leben und wartete darauf, dass endlich etwas in meiner... Familie... passierte.
Meine beiden Eltern waren nämlich, wer hätte es gedacht, bei der örtlichen Mafia.
Mein Vater hat meine Mutter damals wegen ihrer reichen Familie geheiratet, aber da hatte sie noch nicht gewusst, dass er die rechte Hand des Mafiabosses war.
Trotzdem verliebten sie sich ineinander und so kam dann ich zu stande.
Von dieser Liebe spürte ich allerdings reichlich wenig...
Ich war nur ein Produkt der beiden.

Seufzend schlenderte ich also aus dem Ausgang des Firmengebäudes und sah auf die kalte, schwere Rolex an meinem linken Handgelenk.
Teure Geschenke aber kein einziges Wort zu wechseln.
Typisch Dad.
Besagtes Geschenk zeigte 15:07 Uhr. In ein paar Stunden war die Weihnachtsfeier unserer Familie, bei uns zuhause.
Natürlich brachte mein Vater eine Handvoll seiner Kollegen von der Arbeit mit, die ich aber gar nicht so schlimm fand.
Sie beschenkten mich jedes Jahr sehr großzügig. Letztes Jahr hatte ich zum Beispiel eine von Jickos Pistolen und eine Ducati Multistrada V4S bekommen, alleine weil mein Vater einen hohen Posten in der Mafia hatte.
Also hatte das wenigstens etwas Gutes.
Obwohl... ich eigentlich kaum mit dem Motorrad fuhr.

Gerade, als ich aus der Straße kam, in der das IT-Firmengebäude stand, läutete plötzlich mein Handy.
Ich fischte es aus meiner Jackentasche und sah auf den Bildschirm.
Natürlich war es mein Vater.
Seufzend ging ich also ran und hörte mir seinen Vortrag an.
"Hallo, mein Sohn, du weißt ja sicher, dass meine Kollegen bald zu besuch kommen. Es ist Weihnachten, also erinnere dich, welche Manieren wir dir beigebracht habe. ..."
Ich ließ ihn einfach reden und zeichnete währenddessen mit meiner Schuhspitze im Schnee ein Herz.
Der flache Schneefall bot eine perfekte Fläche zum Zeichnen.

Als mein Vater dann endlich mal Luft holte, ergriff ich das Wort und versprach ihm, ich würde mich benehmen. Obwohl das eigentlich schon egal war.
"Schon gut, Vater. Ich werde mich zusammenreißen und immer schön danke sagen, so wie du es mir beigebracht hast."
Ich verdrängte das Seufzen, das schon auf meiner Zunge lag und starrte auf das Herz im Schnee, direkt vor mir.
"Ich werde pünktlich sein, versprochen."

Darauf verabschiedete er sich mit einem halbwegs zufriedenen Schnauben und ich steckte mein Handy wieder in die warme Tasche meiner Jacke.
Kopfschüttelnd ging ich meinen Weg weiter und spähte über meine Schulter zurück, zu dem Herz auf dem Asphaltboden.
Nachdem ich darüber gelaufen war, sah es aus, wie ein gebrochenes Herz.

𝑫𝒆𝒂𝒅𝒍𝒚 𝒂𝒇𝒇𝒆𝒄𝒕𝒊𝒐𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt