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Mein Blick schweifte über die Stadt die unter mir lag. Nach und nach fingen die Lichter der Straßen und Häuser an zu funkeln, während die Sonne am Horizont verschwand und das Meer in flüssiges Gold verwandelte. Ich hatte es schon immer geliebt den Sonnenuntergang von hier oben zu beobachten. Es hatte es was magisches an sich. Es war so friedlich und die laute Welt schien für einen kleinen friedlichen Moment still zu stehen.

Ich war lange nicht mehr hier - nicht in Monaco und erst recht nicht auf dem kleinen Aussichtspunkt auf dem ich mich gerade befand.
Ich hatte es nicht geschafft hier zu bleiben. Die ganzen schönen Erinnerungen die ich an meine Heimat hatte, hätten mich beinahe aufgefressen. Es hieß immer die Zeit heilt alle Wunden. Das funktionierte allerdings nur, wenn diese Wunden nicht Tag für Tag wieder aufgerissen wurden. Ich hatte das Gefühl dieser Ort würde mich unter sich begraben, mich erdrücken und ich weiß nicht ob ich es geschafft hätte wieder aus den Trümmern herauszukommen.

Also musste ich weg.

Mich hatte es zu meiner Großmutter nach Mailand verschlagen und nach einer Weile habe ich es geschafft mit meiner Trauer umzugehen und mich aus dem Loch zu ziehen, in das mich der Tod meines Bruders gestürzt hatte.
Ich habe neue Freunde kennengelernt, Talente entdeckt von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie besaß und so kitschig es klingen mag, ich habe gelernt das Leben wieder zu lieben.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schnappte ich mir meinen Skizzenblock der neben mir lag und versuchte die Schönheit Monacos in einen Entwurf zu verwandeln.
Kurz hatte ich daran gezweifelt, ob es tatsächlich die richtige Entscheidung war nach über sieben Jahren wieder her zu ziehen, aber ich war bereit mich auch noch meinen letzten Dämonen zustellen. Hier gehörte ich nunmal her, hier war mein Zuhause. Zwar war ich in Nizza aufgewachsen, aber die meiste Zeit meines Lebens war ich in Monaco.

„Ich hatte mir fast schon gedacht dich hier zu finden, Chloé." Erschrocken fuhr ich herum und sah in das leicht grinsende, aber zugleich traurige Gesicht, meines besten Freundes. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. „Wieso musste ich erst zufällig deine Mutter treffen um zu erfahren, dass du wieder hier bist?" Er war enttäuscht. Zwar versuchte er es zu verbergen, aber ich kannte ihn zu gut. Wir waren praktisch zusammen aufgewachsen, er gehörte zu meiner Familie.
„Ich wollte erst abwarten ob ich es tatsächliche durchziehe und nicht doch noch einen Rückzieher mache.", schmunzelte ich und stand auf. Einen kurzen Moment, der mir aber wie einer Ewigkeit vorkam, musterte er mich, bevor er mit seinem typischen Grinsen die Arme ausbreitete und mich an sich zog. „Ich habe dich vermisst, Kleine."

„Ich dich auch, Charlie."

- - - -

Die Dunkelheit der Nacht hatte sich endgültig um uns gelegt, die Temperaturen kühlten etwas ab und nun schien auch das letzte Licht in den Straßen von Monte Carlo hell erleuchtet zu sein. Charles und ich saßen noch immer auf der Mauer, ließen die Füße baumeln und redeten über die letzten Jahre, in denen wir uns kaum gesehen hatten. Am Anfang, nachdem ich weggezogen war, hatten wir uns noch öfter versucht uns zu treffen, aber unsere Leben wurden stressiger, hektischer und entwickelten sich weit voneinander weg. Während ich mein Label aufbaute, das durch einen Zufall über Nacht in aller Munde war, hatte Charles es geschafft seinen Traum zu verwirklichen. Einer der zwanzig besten Rennfahrer der Welt und nach gerade mal einem Jahr in dem Team, von dem er schon als kleiner Junge geträumt hatte.
Ich hatte es nie über mich gebracht ein Rennen anzuschauen, geschweige denn zu einem zu gehen. Auch wenn ich ein schlechtes Gewissen hatte alles verpasst zu haben, ich hatte zu viel Angst nochmal etwas zu sehen, dass ich nicht sehen wollte. Charles wusste das.

„Letzte Saison hat gut angefangen. Bis es dann nicht mehr so gut lief..." Auch wenn ich es nicht sah, konnte ich in seiner Stimme dennoch hören, dass er zumindest schmunzelte. „Aber ich bin immerhin trotzdem Zweiter geworden." „Ich weiß." „Was wirklich? Du hast die Rennen angeschaut?" Er klang überrascht. „Nein. Aber Lorenzo hat sozusagen den Live Ticker über dich und Arthur für mich gespielt." Bei dem Gedanken daran musste ich lachen. Er hatte sich wirklich größte Mühe gegeben mich auf dem laufenden zu halten.
„Ich bin wirklich stolz auf dich. Und ich finde es gut, dass du nie aufgegeben hast. Trotz allem." „Ich habe es für meinen Papa und für Jules geschafft." Er hielt einen Moment inne, wartete auf eine Reaktion von mir. „Ich will die Beiden nicht enttäuschen." „Das könntest du gar nicht.", sagte ich leise, legte meinen Kopf auf seine Schulter und beobachtete eine der großen Yachten, die gerade zurück Richtung Hafen schipperte.

„Ich bin übrigens auch stolz auf dich."Charles stieß mich der Schulter an. „Ich hatte nur Glück.", murmelte ich. Und das hatte ich wirklich. Mehr als das sogar.
Als ich nach meinem Abschluss auf eine Modeschule in Mailand ging, nahm ich an einer Show für Nachwuchsdesigner teil. Und wie es der Zufall so wollte, saß Vince Taylor im Publikum und das nur, weil er seinen Flug verpasst hatte und Zeit totschlagen wollte. Vince Taylor war DER Stylist der Stars und Sternchen in Hollywood - und ausgerechnet ihm gefiel eines meiner Kleider. Eins kam zum anderen und eine Woche später war besagtes Kleid erst auf dem roten Teppich der VMAs und einen Tag darauf in sämtlichen Blogs und Magazinen zu finden.
Danach nahm alles seinen Lauf und mein Name etablierte sich in der Fashion Welt.

„Mach dich nicht kleiner als du bist. Ohne Talent bringt dir Glück nichts. Und davon hast du jede Menge Chloé."

racing hearts - LN4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt