„Oh shit! Das tut mir so leid, ehrlich!" Erschrocken sah ich an mir herunter. Auf meinem Shirt hatte sich der Inhalt meines Kaffeebechers verteilt und hinterließ einen großen, brauen Fleck auf dem weißen Stoff. Nachdem ich auch die Flecken auf meinen, ganz nebenbei neuen, Schuhen begutachtete hatte wanderte mein Blick wieder nach oben zu dem Übeltäter, der mich mit weit geöffneten Augen anstarrte und eine Entschuldigung nach der anderen vor sich hin stammelte. „Ich komm für die Reinigung auf. Oder... oder ich kauf dir was neues. Oh Gott, sorry, wirklich." Der Junge Mann fuhr sich durch seine zerzausten Locken und versuchte die AirPods, die er bis eben noch in den Ohren hatte, wieder in das Case zu stecken.
„Schon in Ordnung, das Shirt war eh schon alt." Er verzog das Gesicht und deutete auf meine Schuhe. „Die sahen aber nicht so alt aus." „Da hast du recht. Aber die bekomme ich schon wieder sauber.", lachte ich während er noch immer schuldbewusst die, jetzt braun gesprenkelten, Schuhe ansah.Ich betrachtete ihn etwas. Kein Wunder, dass er wahllos irgendwelche Leute über den Haufen rannte. Die Kapuze seines Hoodies hatte er wieder tief ins Gesicht gezogen und mit Kopfhören und Sonnenbrille kann man gut und gerne mal alles um sich herum ausblenden. Davon konnte ich tatsächlich ein Lied singen, mich hatte immerhin schon einmal beinahe eine Vespa mitgenommen.
„Kann ich dich dann zumindest zu einem Kaffee einladen? Sieht so aus als könntest du das Koffein gut gebrau... Also ich nicht, dass du nicht gut aussiehst... ich, ähm...Naja, du wirkst nur etwas müde." Er kratzte sich verlegen am Kopf, was mich zum schmunzeln brachte. Wurde er etwa rot? „Eigentlich gerne. Aber das da..." Ich zeigte auf den großen, mittlerweile abgekühlten, braunen Fleck. „...ist ziemlich unangenehm." Er nickte, sah aber unter dem Schatten seiner Kapuze beinahe etwas enttäuscht aus. Irgendwie war er ja ganz süß. Zumindest das was ich von ihm sah.
„Vielleicht morgen?", fragte ich und sah wie sich augenblicklich ein Grinsen auf seine Lippen stahl. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und sah in auffordernd an, bis er verstand, dass ich sein Handy haben wollte. Schnell tippte ich Namen und Nummer ein und gab es ihm leicht lächelnd zurück. Als sein Blick auf das Display fiel, verrutschte sein Grinsen etwas. „Oh shit, ich muss los. Ich schreib dir!" Er war schon dabei zu gehen, als ich ihm nochmal hinterher rief. „Hey, wie heißt du eigentlich?"„Lando!"
- - - -
Schon den ganzen Tag war ich dabei meine Wohnung einigermaßen wohnlich zu bekommen. Ich war jetzt knapp eine Woche hier, aber die Kartons waren bis jetzt beinahe unberührt geblieben. Nur das nötigste wurde ausgepackt. Ich habe mich schon immer gern vor Sachen gedrückt, die mir keinen Spaß machten. Und Umzugskisten auspacken gehörte definitiv dazu.
Frustriert pustete ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und blickte aus dem großen Fenster, von dem ich einen unfassbaren Blick auf den Hafen hatte. Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich mir sowas selbst ermöglichen konnte.
Draußen wurde es bereits dunkel und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Vielleicht hätte ich die Hilfe von Charles und Arthur doch annehmen sollen. Aber nein, ich schaffe das schon alleine. Ich verdrehte wegen meiner eigenen Dummheit die Augen und ließ mich auf das große Sofa plumpsen, dass zum Glück schon aufgebaut wurde.Gerade als ich mich nach ein paar Minuten wieder genervt an die Arbeit machen wollte, wurde die Musik, die i, Hintergrund lief, von einem eingehenden Anruf unterbrochen. Wenn die Jungs nochmals ihre Hilfe anbieten sollten, sage ich nicht mehr nein.
Verwirrt sah ich auf die Nummer, die ich nicht eingespeichert hatte, bis ich auf die Idee kam, dass es möglicherweise der junge Mann von heute morgen war. Wie hieß er nochmal? Leon? Lannox?„Hallo?" „Hey, hier ist Lando. Der Idiot mit dem Kaffee." Stimmt, Lando hieß er. „Wie könnte ich dich vergessen?" Vom anderen Ende der Leitung kam ein Lachen. „Ich muss das mit morgen leider verschieben, ich hab vergessen, dass ich arbeiten muss." Schade. Den Kaffee hätte ich morgen dankend angenommen. „Aber hättest du möglicherweise gerade spontan Zeit und Hunger?" Ich hielt kurz überrumpelt inne, bis sich genau in dem Moment mein Magen bemerkbar machte. „Absolut." „Perfekt. Dann in einer halben Stunde da wo ich dich umgerannt habe? Oh und zieh was warmes und an, ich hab eine Idee wo wir hin könnten." Lachend schüttelte ich den Kopf und machte mich auf den Weg in mein Schlafzimmer. „Okay, dann bis in einer halben Stunde." „Bis gleich."
Ich wühlte in meinen Kisten, bis ich endlich meine Lieblingshoodie gefunden hatte. Das hatte länger gedauert als erwartet. Möglicherweise hatte ich ein paar Klamotten zu viel. Aber hey, ich war Designerin!
Ich schnappte mir alles was ich brauchte und verlies meine Wohnung. Immerhin hatte ich es nicht so weit.
Mit schnellen Schritten eilte ich durch die Straßen und gerade als ich, zugegeben etwas außer Puste, an unserem Treffpunkt ankam, hielt ein schwarzer SUV neben mir. Grinsend hüpfte Lando heraus und zog mich ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken in eine kurze Umarmung. Das kam überraschend. Und verdammt, dieser Typ roch gut. „Guten Abend die Dame." Noch immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht drehte er sich wieder zu seinem Auto und holte zwei Pizzakartons vom Beifahrersitz. „Ich hoffe Margherita ist okay. Ich hab dir geschrieben, aber du hast nicht geantwortet." Ich fischte mein Handy aus meiner Tasche. „Ups, das hab ich gar nicht gehört. Sorry. Aber Margherita ist perfekt."
Mit einem zufriedenen Nicken drückte er mit meine Schachtel in die Hand und gemeinsam schlenderten wir kurze Zeit später an der Rückseite des Casinos entlang. Über einen kleinen, etwas versteckten Weg gelangten wir zu einem ruhigen Platz, von dem aus man einen kleinen Teil des Hafens überblicken konnte. Wir kletterten auf eine Mauer, ließen die Füße links und rechts davon baumeln und legten die beiden Kartons zwischen uns.„Also, was verschlägt dich nach Monte Carlo? Ich hab dich hier noch nie gesehen." Ja, die Stadt war klein. Wenn man hier lebte kannte man sich gegenseitig. Wenn nicht persönlich, dann war man sich zumindest schon das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen.
„Ich bin auf der Suche nach einem Sugar Daddy mit einem großen Boot." Im Licht der Laternen konnte ich erkennen, wie Lando erschrocken die Augen aufriss und sich an seiner Pizza verschluckte. Ich schaffte es noch einige Sekunden ernst zu bleiben, bevor ich in schallendes Gelächter ausbrach und aufpassen musste nicht rückwärts von der Mauer zu fallen.
Behutsam klopfte ich dem immer noch hustenden Jungen auf den Rücken. „Ich hab dir das kurz echt abgekauft, Chloé." „Hab ich gemerkt.", schmunzelte ich. „Aber nein, ich bin hier aufgewachsen. Naja, eigentlich in Nizza, aber ich habe viel Zeit in Monaco verbracht. Die letzten Jahre habe ich in Mailand gewohnt. Und jetzt bin ich eben wieder hier." „Die Antwort gefällt mir schon deutlich besser." Lando biss grinsend in sein letztes Stück Pizza und kaute zufrieden darauf herum.Es tat gut heute nochmal aus der Wohnung zu kommen und etwas Gesellschaft zu haben. Zu den meisten meiner alten Freunde hier hatte ich keinen Kontakt mehr. Nachdem ich nach Italien gezogen war hatte man sich mit der Zeit, ob gewollt oder ungewollt, aus den Augen verloren.
„Du hast mich heute übrigens vor den endlosen Bergen meiner Umzugskartons gerettet. Ich glaube ich wäre noch verzweifelt." „Nenn mich Superman.", lachte der junge Mann neben mir und reckte seine Faust in die Luft. Ich mochte ihn, auch wenn es erst ein paar Stunden her war, dass er mich auf offener Straße beinahe über den Haufen gerannt hätte. Vielleicht hatte ich durch den kleinen Unfall ja einen neuen Freund hier gefunden.
„Dann bist du also noch nicht lange zurück in Monaco?" „Seit knapp einer Woche." „Genau richtig für das Rennen in zwei Wochen." Gequält verzog ich das Gesicht. Ich hatte Charles zwar versprochen es mir zu überlegen, aber begeistert war ich von der Vorstellung wieder zu einem Rennen zu gehen nicht. Ehrlich gesagt hatte ich sogar überlegt über das Wochenende das Weite zu suchen.
Es wäre nicht nur das erste Rennen das ich seit dem Unfall sehen, geschweige denn besuchen würde. Nein der Grand Prix von Monaco war immer etwas ganzen Besonderes für uns und allein der Gedanke daran weckte so viele alte Erinnerungen. Schon seit ich denken konnte, saßen wir auf den Balkonen von Freunden und Verwandten, die an der Strecke wohnten, beobachteten die Rennwägen, die an uns vorbeischossen und fieberten mit als würden wir die Fahrer persönlich kennen. Und Jules und ich träumten immer zusammen davon, wie er irgendwann mal einer von ihnen sein würde.Während ich meinen Gedanken nachhing, merkte ich wir mich Lando musterte. „Jetzt sag mir nicht, dass du in Monaco groß geworden bist und kein Formel 1 Fan bist. Das hier ist doch DER Ort schlechthin dafür." Da hatte er nicht unrecht. Fans machten hier Urlaub, nur um einmal die legendäre Strecken abzulaufen oder einmal selbst durch den berühmten Tunnel zu fahren. Monaco und die Formel 1 gehörten einfach zusammen.
„Ich habe früher jedes Rennen gesehen. Aber das ist schon Jahre her." Ich spürte wie sein intensiver Blick noch immer auf mir lag und sah ihm in die Augen.„Ich glaube ich würde es nicht mal einen Fahrer erkennen, selbst wenn er direkt vor mir stehen würde."
DU LIEST GERADE
racing hearts - LN4
FanfictionNach dem Unfall ihres Bruders hatte Chloé es erfolgreich geschafft der Welt der Formel 1 jahrelang den Rücken zu kehren. Zumindest bis zu dem Tag an dem plötzlich dieser Unbekannte junge Mann vor ihr steht, der ihr Herz zum rasen bringen wird.