„Wer hat dir geschrieben?" Charles saß gegenüber von mir auf der Couch und musterte mich interessiert. „Niemand." „Wenn es niemand wäre, hättest du nicht so ein überdimensionales Grinsen auf dem Gesicht.", meinte er. „Ja, das ist fast schon gruselig.", stimmte Arthur seinem großen Bruder zu.
Die beiden waren vor ein paar Stunden, nachdem sie sich selbst zu mir eingeladen hatten, komplett vermummt vor meiner Haustüre aufgetaucht. Kurz war ich verwirrt, bis ich realisierte, dass diese Woche das Rennen war und schon jetzt Fans die Straßen von Monte Carlo belagerten. Ich wusste, dass die Brüder es liebten ihre Fans zu sehen, aber ein bisschen Privatsphäre sollte jedem mal gegönnt sein. Charles hatte mir erzählt, dass er beinahe täglich von Fans angehalten wurde, aber so schlimm wie während der Rennwoche, war es sonst nie.Die Blicke der beiden Jungs ruhten noch immer abwartend auf mir. „Also?" Seufzend warf ich den Kopf in den Nacken. Die Zwei waren schon immer zu neugierig. „Ich hab vor ein paar Tagen jemanden kennengelernt. Das ist alles." Ich merkte wie sie die Augen aufrissen und mich jetzt noch interessierte anstarrten. „Alles? Komm schon wir wollen mehr wissen. Wie heißt er, was macht er, wie habt ihr euch kennengelernt?" Entschlossen schüttelte ich den Kopf. „Keine Chance, dass ich euch irgendwas erzähle. Ich mag ihn irgendwie und will selbst erst mal wissen wo das zwischen uns hinführen könnte, bevor ihr zwei Idioten wieder los rennt und ihn verschreckt." „Ach komm schon! Das war nur ein einziges Mal!", versuchte Charles sich zu verteidigen. „Ich kann dir mindestens fünf Mal aufzählen.", meinte ich und sah ihn abwartend an.
Die Leclerc-Brüder hatten mich von Anfang an behandelt als wäre ich deren kleine Schwester. Sobald mir ein Junge zu nah gekommen war, wurde er in die Schranken gewiesen. Und wehe einer hatte mir das Herz gebrochen. Und seit dem Tod von Jules hatte ich das Gefühl, dass sie noch mehr auf mich aufpassen wollten. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem ich nach Italien gegangen war und ihnen somit ihre Mission deutlich erschwerte.
Und ich wusste, dass meine Sorge ihnen von Lando zu erzählen berechtigt war. Wie gesagt Monaco war klein, und die Leute kannten sich. Zumal die drei ungefähr im gleichen Alter war. Selbst wenn sie ihn nicht kannten, war die Chance relativ hoch, dass sie ihn innerhalb von ein paar Tagen ausfindig machen könnten. Und ich wollte ihn erst einmal selbst richtig kennenlernen, bevor ich die Hunde auf ihn losließ._ _ _ _
Meine Hände umklammerten fest das Glas in meiner Hand, während Charles freudestrahlend seine Freunde in Empfang nahm. Ich konnte spüren, wie Artuhr und Joris, den ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte, mich besorgt musterten. Die Beiden saßen links und rechts von mir auf Charles Yacht und schienen jeden Moment bereit zu sein aufzuspringen und mich hier weg zu bringen. Charles war vorhin auf meinem Sofa auf die fixe Idee gekommen seine Freunde zu einer kleinen Party einzuladen. Allerdings waren unter den Gästen auch ein paar seiner Fahrerkollegen. Ich wusste selbst nicht so recht wieso ich mich hatte breit schlagen lassen mitzukommen, aber nun war ich eben hier und musste das Beste daraus machen. Vor allem, wenn die Yacht erst einmal abgelegt hatte und ich mehr oder weniger fest saß.
Ich sah wie Charles mir einen kurzen, prüfenden Blick zu warf, bevor er mit einem Pärchen auf unsere kleine Dreiergruppe zukam. Mit schief gelegtem Kopf versuchte ich mich an den Namen des jungen Mannes zu erinnern. Er kam mir bekannt vor, ich glaube er war schon früher mit Charles befreundet. „So wie du aussiehst erkennst du mich nicht mehr, oder?", lachte er. „Erkennen schon, ich weiß nur deinen Namen ehrlich gesagt nicht mehr." „Pierre. Und das ist Francisca, meine Freundin." „Nenn mich bitte Kika." Das Mädchen warf mir ein strahlendes Lächeln zu, ehe sie mir ihre Hand reichte. „Ich bin übrigens ein Riesen Fan von deinen Kleidern." Überrascht sah ich sie an. Es war immer noch merkwürdig erkannt zu werden, aber so hübsch wie sie war, konnte ich mir gut vorstellen, dass sie modelte und so auch etwas Ahnung von der Industrie hatte.
Nur ein paar Minuten später hatte sie sich mit einem Getränk in der Hand zu mir gesellt. Joris und Arthur hatten sich nach einem kurzen Nicken meinerseits verkrümelt, schienen mich aber dennoch nicht komplett aus den Augen zu lassen. „Hast du die beiden Idioten als Leibwächter angeheuert?" Kika trank grinsend einen Schluck und sah mich über den Rand ihres Glases hinweg prüfend an. „Das haben die eher selbst übernommen. Ich glaube sie haben Angst, dass ich entweder zusammenklappe oder mich über die Reling ins offne Meer stürze." Sie musterte mich und herausfinden zu wollen, weshalb dem so ist. „Ich würde ja tippen, dass du keine Menschenmengen oder Partys magst. Aber ich folge dir auf Instagram, also weiß ich, dass es das schonmal nicht ist. Wirst du schnell seekrank? Dann wärst du hier wirklich falsch." Ich schüttelte lachend den Kopf, merkte mir das aber dennoch mal als Ausrede für den Ernstfall. Man konnte ja nie wissen.
„Sagen wir mal so... Mein Abschied von der Formel 1 war nicht ganz so schön und seit dem hatte ich auch nichts mehr damit zu tun." Wieder schien Kika zu überlegen, bis ihr wohl ein Licht aufging. „Warte mal... Bianchi. Du warst mit Jules verwandt, oder?" Ich nickte. „Ja, er war mein Bruder."
Ich merkte wie das brünette Mädchen versuchte die richtigen Worte zu finden und hoffte aber, dass sie nichts sagen würde. Ich wollte kein ‚Tut mir leid' und auch keine Beileidsbekundungen. Es war schon lange her, aber ich wusste immer noch nicht, wie ich darauf reagieren sollte.„Ich schätze mal, dass du dann auch nicht zu Rennen kommst, oder?" Ich war ehrlich gesagt noch immer hin und her gerissen. Zum einen war da noch immer dieses tiefe Unwohlsein und die Angst in mir. Was wenn etwas passierte und alles, was ich die letzten Jahre erfolgreich bekämpft und überwunden hatte wieder hochkam? Ich hatte mir geschworen nie wieder in einer Box eines Rennens zusammenzubrechen. Aber zum anderen war da Charles. Einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Jemand der mich immer unterstützt hatte und für mich da war. Zumindest ein einziges Mal war ich es ihm schuldig. Ich wollte ihn auch unterstützen und in anfeuern. Und irgendwie hatte ich auch manchmal das Gefühl, dass das das letzte Stück sein könnte, das mir fehlte um wirklich mit allem abzuschließen.
Ich wusste, dass es früher oder später soweit sein würde. Aber mein Plan war eigentlich erst mal langsam anzufangen und vielleicht mal ein Rennen im Fernsehen anzuschauen, bevor ich in der Garage stand und mich meine Emotionen dort überrollten.„Ich weiß noch nicht. Vielleicht..."
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racing hearts - LN4
FanfictionNach dem Unfall ihres Bruders hatte Chloé es erfolgreich geschafft der Welt der Formel 1 jahrelang den Rücken zu kehren. Zumindest bis zu dem Tag an dem plötzlich dieser Unbekannte junge Mann vor ihr steht, der ihr Herz zum rasen bringen wird.