Wie geht es dir?

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Und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich dir antworten soll, wenn du mich fragst, wie es mir gerade geht. Klar könnte ich dir mit dem simplen und standartmäßigen Satz "Mir geht es gut. Wie geht's dir?" antworten, aber letztendlich wissen wir beide, dass ich dich belügen würde.

Aber was anderes fällt mir dann auch nicht ein, also drehe ich meinen Kopf zur Seite, um dich nicht mehr zu sehen. Um nicht mehr dein schmerzerfüllten Gesichtsausdruck, aufgrund dessen, dass ich dir nicht antworten kann, anblicken zu müssen.
Weil du siehst genau in den braunen Augen, in den meinen, dass etwas nicht stimmt. Dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist.

Und du fragst noch Mal, doch ich bleibe einfach starr und stumm da stehen, in der Hoffnung du würdest dann einfach gehn.
Du gehst nicht.

Verkrampft beiße ich mir auf meine Lippen. Eigentlich will ich dir ja sagen, was los ist, aber dann ... dann eben doch nicht. Ein metallischer auf meiner Zunge. Blut. Der Schmerz auf meiner Zunge ist das einzige, was mich davon abhält, dir nicht doch deine Frage ehrlich zu beantworten.

Und du fragst noch ein Mal. Und schon wieder ... meine Lippen verlässt nicht ein Wort, sie bleiben geschlossen. Sind ab jetzt nur noch dazu da, um als stilles Kunstwerk bewundert zu werden ... Wir gerne ich dir einfach all meine Gefühle anvertrauen würde.

Ich vertraue dir doch, oder?
Und die Antwort ist ganz eindeutig: Ja!

Ich drehe mich um, plötzlich von dem Elan gepackt, dir alles zu erzählen. Meine Seele dir in deine Arme legen und dir zu zeigen, was mich quält. Und ich ziehe mich splitterfasernackt vor dir aus, weil du endlich all meine Gefühle sehen sollst.

Doch als ich dann schon erwarte wieder in deine besorgt drein blickenden Augen zu schauen, bist du nicht mehr da.

Ein Lächeln. Es ist nicht glücklich;
Als mich die Erkenntnis trifft; Ich habe zu lang gebraucht

Und eigentlich gibt es hier kein "Zu lange Brauchen", weil es Liebe ist, was zwischen uns da war. Aber in der Liebe gibt es Schmerz ...
... Und mein Schweigen fügte dir unfassbare Schmerzen zu. Sie waren so groß, klafften dir ein dickes, schwarzes Loch in deine sonst so starke Brust. Ich habe es nicht mal mitbekommen, weil ich viel zu sehr mit mir beschäftigt war. Wie egoistisch.

Du hattest das Gefühl, dass ich dir nicht vertraute, und das hat dich kaputt gemacht. Du tatest alles für mich, aber es war zu wenig ...
Nein, halt! Es war nicht zu wenig. Was für eine billige Ausrede. Ich hatte bloß Angst. So unfassbare Angst, dass meine Wahrheit dich vergrault, dass du meine Ehrlichkeit am Ende nur für deine Zecke mistbrauchst. Oder mich verlässt ...

Am Ende hast du mich verlassen, und dass nur, weil ich zu feige war. Zu feige, zu reden. Zu feige, meine Gefühle laut auszusprechen.
Ich hätte einfach nur ehrlich sein soll'n, als du mich fragtest:

"Wie geht es dir?"

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