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Drei Tage nach Jimins Unfall

Jinyoung

*


Ich blickte in den Raum, aber ich nahm nichts wahr. Starrte eher auf einen nichtigen Punkt. Die Müdigkeit riss an mir, aber schlafen konnte ich nicht wirklich.

Meine Gedanken fuhren Karussell.

Doch ein Gedanke oder vielmehr ein Fakt stach besonders hervor.

Ich war ein Idiot.

Ein überdimensionaler Idiot. 

Mein Vorsatz, den Menschen, die in Not gerieten zu helfen, bröckelte mit dem Unfall von Jimin, den ich quasi verursachte. Das Chaos, das wie Dominosteine seinen Lauf nahm, endete nicht.

Hätte ich nur mit Jimin gesprochen - So richtig, aber nein, die Menschen im Krankenhaus oder eher die Arbeit empfand ich als wichtiger. Hieß es nicht, man sollte die kleinsten Geschwister beschützen?

Ich hatte es versucht, doch leider schlug meine Variante fehl. Ich wollte das alles nicht. Ich wollte doch meinen kleinen vor Gefahren schützen.

Oft behandelte ich Menschen, die durch ihre Tollpatschigkeit verletzt wurden. Manche fielen die Treppe herunter durch Unachtsamkeit, was bei Jimin auch oft der Fall war, wenn er wieder einmal zu hektisch wurde.

Als kleines Kind verletzte sich Jimin ständig. Immer wieder blickten seine braune Kulleraugen mich so verzweifelt an. Jedesmal bat er mich, sein Aua weg zu pusten. Das tat ich auch und klebte jedes mal ein Pflaster mit Motiven drauf. Die mit einem Küken fand er am tollsten.

Manchmal dachte ich, er verletzte sich mit Absicht, nur um diesen besagten Pflaster zu erhalten.

Doch je älter Jimin wurde, desto mehr entwickelte er eine Vergesslichkeit. Am Ende waren es Situationen, die für ihn nicht erwähnenswert waren und somit in Vergessenheit gerieten. Er beschreitet sein Leben mit Leichtigkeit und ohne festen Bestand. Er lebte frei von sämtlichen Druck.

Und was tat ich? Ich machte ihm Druck! Redete ihn schlecht, damit das aufhört, damit er nicht verletzt wird, aber was hat das gebracht? Nichts. Ich verletzte ihn mit Worten und verursachte viel Schlimmeres.

Wie war das?

Hatte mich Namjoon damals nicht gewarnt?

Ich seufzte aus und stand auf. Hob die Kiste und stellte sie auf den Tisch und räumte meine Sachen ein. Zuletzt nahm ich das Familienbild und betrachte es.

Es war das Beste so. Ich hatte es vergeigt. Auf ganzer Schiene versagt.

Ich seufzte wieder aus und legte das Bild in die Kiste und wandte mich ab, lief zu dem Zimmer, wo Jimin lag. Vorsichtig schaute ich rein. In der Hoffnung, dass niemand da war, so war es auch.

Ich ging hinein und setzte mich zu Jimin und griff nach seiner Hand und wieder starrte ich vor mich hin, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich drehte mich leicht.

“Na komm. Wir müssen langsam los, damit du deinen Flug bekommst.”, sprach Appa. Ich nickte und erhob mich, beugte mich zu Jimin und gab Ihm einen Kuss auf die Stirn, ehe ich mit Appa rauslief.

“Wie geht es deinem Gesicht?”, fragte er mich.
Leicht strich ich über meine lädierte Lippe und Wange.
“Geht schon. Ich habe es verdient. Und nach dem, was ich getan habe, ist es das Beste so. Onkel Minjae freut sich, dass ich zu ihm komme, genauso wie Tante Hyejin. In Kanada haben sie auch viel zu tun und Onkel Minjae kann mir vieles beibringen.”, sprach ich ruhig und Appa nickte.

“Ja, mein kleiner Bruder hatte schon immer einen Narren an dir gefressen, das liegt wohl daran, dass ihr euch beide für das Thema Medizin interessiert habt.”, lächelte Appa und ich nickte.

Zugegebenermaßen freute ich mich auch auf Kanada. Ich tat dies auch für Jimin.

______

"Schreib uns, wenn du angekommen bist.”, drückte mich Eomma an sich.
“Das mach ich Eomma.”, sprach Ich leise und blickte beide das letzte Mal in die Augen, ehe mir etwas einfiel.

Ich holte etwas aus meiner Jacke hervor.

“Könnt ihr das bitte Jimin geben, sobald es ihm besser geht?”, reichte ich ihnen einen Brief.
Eomma sah den Brief an. In ihren Augen schwammen wieder Tränen.

“Natürlich mein Sohn. Und bitte, lass dein schlechtes Gewissen dich nicht verunsichern. Ja, du hast Fehler gemacht. Aber kein Mensch ist fehlerfrei. Man kann nur daraus lernen.”

Ich nickte und biss mir auf die Zähne. Ich drückte Eomma noch einmal an mich. Danach noch einmal Appa.
“Kopf hoch, mein Sohn. Wir lieben dich und deine Brüder auch.”

Ich nickte, nahm meine Tasche und ging. Lief zu meinem besagten Gate.

Wenige Minuten später war ich im Himmel auf eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land.
Ich schloss die Augen und ließ sie frei.

Die Tränen, die ich die ganze Zeit zurückhielt.

Nach dem Unfall, blieb ich zwei Tage im Krankenhaus, ohne nach Hause zu gehen. Am zweiten Tag, am Abend, ging ich nach Hause, aber Jackson erwartete mich und ehe ich mich versah, hatte ich seine Faust im Gesicht.

Yugyeom riss Jackson von mir weg, doch Youngjae schlug mich ebenfalls. Ich hatte es verdient und hätte uns Appa nicht zusammengestaucht, wer weiß was noch passiert wäre.

Am Ende sprach ich mit Appa und Eomma. Warum ich das alles tat und sagte, doch ihre Antworten waren nur,  dass dies nicht meine Aufgabe gewesen sei. Jeder lebt sein Leben und niemand hat das Recht, einen Menschen zu formen, wie er es gern hätte.

Sie hatten recht.

Ich beschloss nach weiteren Minuten des Nachdenkens, Abstand zu gewinnen und Jimin die Möglichkeit zu geben, mich nicht sehen zu müssen.

Ich hoffte nur, dass er irgendwann meinen Brief lesen wird.

*

Copper-Curly







Unexpected Love ||• Yoonmin •||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt