Kapitel 210

205 37 10
                                    

Gewissenhaft befüllte Delphine die ganzen Sektgläser. Na wenigstens hatte Tom unten im Keller keinen weiteren Annäherungsversuch gestartet. Er hatte sie nur noch einmal gefragt, ob sie aber wenigstens gute Freunde sein konnten. Na ja, da sprach ja nichts dagegen. Er war ja scheinbar ein ziemlich lieber Kerl, genau wie Paul oder Benny. Und die waren ja auch ihre Freunde. Schon komisch, dass sie mit Jungs als Freunde viel besser klar kam als mit Mädchen. Vielleicht hätte sie ja eigentlich ein Junge werden sollen. Ihr Blick wanderte an ihr herunter. Ja, vielleicht, schließlich war sie genauso flach gebaut wie das norddeutsche Flachland. „Mensch Kleene, wenn de dit so weita abzirkelst, denn verfliegt der Alkohol bevor er in de Gläser is." Opa Chris strich ihr mit seiner Hand über den Rücken. „Is wat nich okay? Du kiekst schon die janze Zeit so belämmert. Dit jefällt mir jar nich." Delphine drehte sich zu ihrem Opa und zuckte mit den Schultern. Er hob kurz seine Hände. „Allet klar, dit kenn ick schon von deene Mutta und von de Leo. Du musst jar nüscht sagen. Welcher Halodri hat dich jeärgert? Wen soll ick mir mal zur Brust nehmen?" Opa Chris zog Delphine in eine warme Umarmung. „Ist doch egal, wer es ist. Er hat eine andere und ich interessiere ihn einfach nicht. Ich bin eben einfach nur ein dummes kleines Mädchen für ihn." Delphine schaffte es gerade noch ein Schluchzen zu unterdrücken. „Also du bist bestimmt vielet, aba nich dumm. Dumm is der Dödel höchstens, wenn er sich dir entjehen lässt. Und kleen biste ja nu och nich mehr. Ick gloobe dit wird höchste Zeit, dit ick mir den Kerl ma echt vorknüppe." „Wo bleibt denn der Sekt?" Leokardia war in die Küche gestürmt gekommen. „Alle fragen schon danach." „Wat'n will keener mehr dit Weihnachtsjesöff von Marco? Jib mal die Pulle, ick füll een und ihr verteilt dit Blubberwasser schon mal." Opa nahm Delphine die Flasche Sekt aus der Hand, an die sie sich immer noch trotz der Umarmung geklammert hatte und zwinkerte ihr zu. „Und dit Einhornbluberwasser da, is denn für unsere werdenden Mütta und die Kids, wa?" Opa Chris deutete mit seinem Kopf auf die Flaschen mit dem Kindersekt, den Delphine auch im Keller entdeckt hatte. Ja, deshalb hatte es dort auch etwas länger gedauert. „Alles okay bei dir?" Leokardia schaute sie prüfend an, während sie zusammen mit mehreren Gläsern in der Hand ins Wohnzimmer liefen. Die Tabletts waren ja alle noch mit den Glühweinbechern belegt. „Ja, passt schon!" Selbst in Delphines Ohren hörte sich das ziemlich deprimiert an. Verflucht, warum konnte sie sich nicht einfach zusammenreißen? Hatte sie beim Ballett nicht gelernt, dass man sich niemals etwas anmerken ließ, weil die anderen sonst wie die Haie das Blut witterten. Ja, aber ihre Schwester war kein böser Hai, sondern ein Friedfisch, der auf ihrer Seite war. Trotzdem sollte sie nichts von Delphines Kummer mitbekommen, schließlich hatte sie gerade erst verkündet, dass sie ein Baby bekam. Deshalb sollte sie nur auf einer Glückswolke schweben und sich nicht Gedanken um sie machen. Blöderweise war es aber auch viel schwerer die Enttäuschung über Sascha zu verstecken, denn ganz ehrlich, in Delphines Brust hatte sich ein total fieses Gefühl ausgebreitet. Das zwickte mehr als alles andere, was Delphine kannte -einschließlich des Kreuzbandriss und der Ablehnung durch Madame Tourant. Das war echt scheiße, wenn man hoffnungslos verliebt war.....
„Alle meine zukünftigen Enkelkinder leben hoch!" Marco hob sein Sektglas in den Himmel und dann klirrten diverse Gläser aneinander. Sascha führte sein Glas an seine Lippen und nahm einen großen Schluck. Sein Blick wanderte zu seiner Cousine, die dort zusammen mit Benny stand. Die beiden schienen sich ja prächtig zu verstehen. Sascha schüttelte innerlich den Kopf. Wieso nervte ihn das jetzt auch noch? Er wusste doch, dass Benny ein guter Freund von Delphine war. Trotzdem mussten sie ja nun die Köpfe nicht so dicht zusammenstecken. Etwas Abstand wäre ja auch nicht verkehrt, weil......ja, warum, weil? Weil er eifersüchtig war! Im Grunde war das total blöd. Nur weil er etwas nicht haben konnte, sollte auch niemand anderes es haben. Das passte so überhaupt nicht zu Sascha und seinem Charakter und trotzdem....ja trotzdem reagierte er so. So etwas war ihm noch nie so passiert. Ja, weil du noch nie so für jemanden empfunden hast, verhöhnte ihn schon wieder einmal seine innere Stimme. „Und was bringt es?", brummte er leise vor sich hin. „Na dass deine schlechte Laune vielleicht einmal endlich verschwindet und du nicht wie ein Lustmörder schaust, während meine Schwester mit hängendem Kopf rumrennt." Erschrocken drehte Sascha seinen Kopf und schaute in das Gesicht seiner älteren Cousine. Ihr entschlossener Blick verhieß selten etwas Gutes. „Was?" Er hatte nicht ganz verstanden, was sie eigentlich von ihm wollte. „Ich habe dich gebeten, mit mir mitzukommen und du hast geantwortet, was das bringen soll. Also habe ich dir das erklärt. Also los jetzt!" Ihre ganze Körperhaltung machte ihre Ungeduld deutlich. Eine ungeduldige Leo war nie gut. Das hatte Sascha in den vielen Jahren ihrer Freundschaft schon gelernt. Ihm wurde mulmig. Hatte sie nicht eben etwas von Delphine und hängendem Kopf gesagt? Oha, das würde dann wohl bedeuten, dass sie als Ausgleich dafür seinen Kopf forderte. Aber das war doch Blödsinn! Er hatte ja nun wirklich nichts verbrochen. Schuld an dem ganzen Debakel war doch dieser bekloppte Engländer. Leo sollte ihm lieber den Kopf abreißen, schließlich verführte er ohne wenn und aber eine Minderjährige, die viel zu jung für solchen Mist war. Sofort war da wieder dieses fiese brennende Gefühl gleich unter seinem Brustbein, das sich bis in seinen Magen zog. Leo wollte ein Gespräch! Das konnte sie haben. Und er würde dafür sorgen, dass noch am heutigen Abend ein anderer Skalp an ihrem Gürtel hing als sein eigener.

Schuss und Treffer Tanz mit dem Ball Fortsetzung   Teil 15  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt