„Danke, Tom" Delphine lächelte den Schwager von Maja an, der ihr eine Tasse mit seiner angeblich so berühmten Mischung gegen Lampenfieber gereicht hatte. Sie schnupperte kurz daran. Das duftete ziemlich gut und vor allem nicht nach Alkohol. Ja, seit ihrem Absturz an Silvester war sie was Getränke anging, die andere reichten, etwas vorsichtiger geworden. Das schien aber wirklich nur ein Tee zu sein. Sie nahm einen Schluck. „Herrgottnocheins, das ist ja die Sonnenkrone von unserer kleinen Sonnengöttin im Rollstuhl. Wie kommt die denn hierher?" Tanja hielt das große Stoffteil hoch. „Gib her, ich bringe es schnell rüber." Delphine hatte die Tasse auf der Bank abgestellt und war aufgesprungen." „Nix da, du setzt dich wieder!" Tanja drückte sie entschlossen wieder auf ihren Platz zurück und ihr ihre Tasse mit dem Tee in die Hand. „Du musst dich auf deinen Auftritt konzentrieren. Ich bringe das schnell rüber." Im gleichen Atemzug verschwand Tanja auch schon aus der Tür. Delphine musste schmunzeln, als sie an der Tasse nippte. Wieso saß sie eigentlich auf einmal fast auf Toms Schoß? Da hatte Tanja wohl nicht drauf geachtet als sie sie zurück auf ihren Platz befördert hatte. Egal! Jetzt wegrutschen, wäre ja auch irgendwie.....irgendwie unhöflich. Ihr Blick fiel durch den Türspalt auf den Gang. Ob da wohl schon viel los war? Ja, war es, aber nicht das, was sie eigentlich erwartet hätte. Da liefen nicht jede Menge Menschen hin und her, so wie sie es aus Paris von ihren Auftritten kannte. Nein, alles was sie sah, war ein Paar in trauter Zweisamkeit. Und das war nicht nur irgendein Paar, sondern Sascha mit seiner knubbeligen Hakennasen-Freundin. Ja, die beiden standen dort aneinander gepappt und himmelten sich an, als gäbe es nur sie beide auf dieser Welt. Das war.....das war voll ekelig. Wieso tat ihr Cousin sich dieses alte Weib an? Es gab da mit Sicherheit weitaus nettere Mädels, die viel besser zu ihm passen würden. Wie zum Beispiel dich, höhnte eine Stimme in ihr. Na ja..... nein, nicht wirklich. Sie war ja nur seine kleine dumme Cousine. Trotzdem zog sich alles in ihr zusammen, wenn sie daran dachte, dass die beiden da vielleicht gerade jetzt auf dem Flur knutschten. Dicht genug beieinander hatten sie gestanden. Da musste Sascha nur seine Lippen senken und Boom. Ja, Boom. An das Boom konnte sie sich noch genau erinnern und ihre Lippen fingen bei der Erinnerung an zu kribbeln. Das laute Rumsen der Tür ins Türschloss riss sie aus ihren Gedanken und sie wandte sich wieder Tom zu, der scheinbar auf eine Antwort wartete. „Ich hatte dich gefragt, ob dir der Tee schmeckt?", wiederholte er seine Frage, weil er wohl mitbekommen hatte, dass Delphine etwas abgelenkt gewesen war. Sein leichter englischer Akzent hörte sich echt niedlich an. Und irgendwie sah er auch ganz nett aus, trotz seiner roten Trollhaare. Delphine schüttelte innerlich den Kopf. Das war doch Blödsinn und nur eine Überreaktion wegen Sascha und dieser Hexe da draußen auf dem Flur. Klar, war Tom ein netter Kerl. Aber eben auch nicht mehr und nicht weniger und es wäre total unfair ihm mehr Hoffnung zu machen. Aber war für so ein Gespräch gerade der richtige Zeitpunkt? Eigentlich nicht....aber genaugenommen war der ja nie. Und vielleicht lenkte es sie ja auch etwas von ihrer Aufregung ab. „Tom, also.....", begann sie deshalb auch.„Wow!" Tom, der kleine behinderte Junge aus dem Einzigartig, stand neben Delphine und verbeugte sich, genau wie alle anderen. Auf ihrer anderen Seite neigte Alex seinen Kopf kurz und klatschte dann in seine Hände, genau wie es das Publikum auf den Tribünen tat. Ja, der kleine Autist spiegelte gerne die anderen Leute. Wahrscheinlich weil er nicht wirklich wusste, was in dem Moment gefragt war und sich dachte, dass er damit nicht falsch lag, wenn es die anderen auch taten. Ja, das sprach irgendwie für seine Intelligenz. So viel Geld wie am heutigen Abend eingenommen worden war, hoffte Delphine, dass da auch etwas Geld übrig war, um ihm eine Reittherapie oder einen Therapiehund zu finanzieren. Auf alle Fälle würde sie Julian einmal drauf ansprechen.
Ihr Blick wanderte über die gesammelte Kinderreihe. Man, war sie stolz auf die Kiddies. Sie hatten sich alle wie abgeklärte Profis benommen und genau an das gehalten, was sie einstudiert hatten. Sie musste daran denken, wie sie raus auf die Fläche auf das große Fußballfeld gekommen waren, die extra für sie hergerichtet worden war. Tom und Alex hatten ganz fest ihre Hand gedrückt als wollten sie ihr Mut machen. Ja, in dem Moment war ihr wirklich so einiges durch den Kopf gegangen. Das war aber in dem Moment wie ausgelöscht, in dem die Band eingesetzt und Maja und Chris zu singen begonnen hatten. Delphines Füße hatten sich wie von allein in Bewegung gesetzt. Alles um sie rum war vergessen und nur die Musik war ihre Welt gewesen. Es war fast wie das Abtauchen in eine komplett andere Welt. Irgendwie war es wie früher und irgendwie auch nicht. Sie ließ ihren Blick über die Ränge gleiten und blieb an der großen Anzeigetafel hängen, auf der ihr Toms strahlendes Gesicht entgegenblickte. Erst jetzt fielen ihr die Kameraleute auf, die um die ganze Aufführungsfläche positioniert waren. Dann hatte man wohl alles auf die riesigen Displays übertragen. Ihr wurde übel. Das bedeutete ja, dass man jeden klitzekleinen Fehler genau hätte sehen können. Wie gut, dass keiner passiert war.
Ein lautes Räuspern ertönte. Was machte Julian denn da? Er stand mit einem Mikro in der einen Hand und einem Blumenstrauß in der anderen Hand vor ihr. „Ich möchte mich im Namen aller Kinder des Einzigartig bei Ihnen für das heutige Kommen bedanken. Damit haben Sie uns die Möglichkeit gegeben, dass diese besondere Einrichtung für Kinder mit Behinderung erhalten bleibt." Man sah Julian an, dass ihm das Ganze ziemlich unangenehm war. „Wir danken auch dem BVB für seine umfangreiche Unterstützung." Ein kurzer Applaus und ein paar Schlachtrufe brausten auf. Julian wandte sich ihr zu. „Besonderer Dank geht aber an Delphine Bürki, die die Idee für das alles hier hatte. Sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und jede Sekunde ihrer Freizeit geopfert, um das auf die Beine zu stellen. Vielen, vielen Dank, Delphine." Julian überreichte ihr den Blumenstrauß und zog sie in eine Umarmung. Ein lauter Applaus brandete auf und sie fühlte plötzlich ganz viele kleine Arme, die sich auch um sie schlangen. Das nannte man dann wohl Gruppenumarmung. „Roman Bürki, Delphine Bürki", scholl es plötzlich lautstark von den Rängen und Delphine kamen die Tränen. Die Leute erinnerten sich alle noch an ihren Vater. Und sie war unglaublich stolz, dass sie ihren Namen zusammen mit seinem brüllten. Ihr Blick wanderte kurz zum dunklen Himmel über dem Stadion. Dort leuchtete ein kleiner Stern ganz hell. Ein warmes Gefühl breitete sich bei dem Anblick in ihr aus. Ja, ihr Papa hatte sie ganz sicher beobachtet und über sie gewacht. Und seid sehr langer Zeit ging ihr mal wieder ein Satz durch den Kopf. „Papa ich habe dich lieb", flüsterte sie ganz leise. Es war ihr fast so, als würde sie trotz der ganzen Jubelrufe ein ebenso leises „Ich dich auch, meine Prinzessin" hören. Sie schluckte und schaute noch einmal kurz zu dem Stern, ehe sie sich wieder dem hier und jetzt widmete.
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Schuss und Treffer Tanz mit dem Ball Fortsetzung Teil 15 ✔️
Novela JuvenilDas ist die Fortsetzung von Delphine und Saschas Geschichte und macht ohne Teil 14 keinen Sinn😉