Kapitel 2

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Die nächste Hürde des Tages lag schon vor mir. Mit Timothy an meiner Hand steuerten wir zusammen die knallorange Tür unseres Klassenzimmers an. Mein Herz pochte ganz aufgeregt. Wie würden meine Klassenkamerad*innen reagieren? 

Vor der Tür blieb ich unsicher stehen. Timothy schaute mich aufmunternd an. Ich atmete tief durch und dann zog er mich einfach hinter sich her ins Zimmer. 

Die Reaktionen waren viel positiver, als ich erwartet hatte. Ein paar lächelten mir freundlich zu, unter anderem Mia und Luisa. Irina kam sofort angehüpft und umarmte mich und Robin und Henry grinsten mich von ihren Plätzen aus an. 

Aus der letzten Reihe rief Fabi: „Ey, Tristan! Endlich wieder unter den Lebenden? Und ohooo, was sehe ich da? Wir haben ein neues Liebespaar in der Klasse!" Nun drehten sich auch noch die letzten zu uns um und entdeckten wohl meine Hand in der von Timothy. Ich lief schon wieder rot an. 

Doch wie es aussah, schien es niemanden wirklich zu stören, oder vielleicht interessierte es die meisten auch einfach nicht. Und wenn, wäre es auch egal gewesen. Für mich zählten jetzt nur noch meine Freund*innen und die freuten sich alle sichtlich darüber, dass ich wieder da war.

Erst als wir an unserem Tisch ankamen, ließ Timothy mich los. Ich schmiss meinen Rucksack neben meinen Platz und setzte mich auf meinen Stuhl. Timothy zog sich seine Mütze vom Kopf und ich sah, dass seine blonden Locken verschwitzt waren. „Hast du heute schon Sport gemacht?", fragte ich und zog eine der Locken lang. 

„Nicht direkt, aber Andrew weigert sich inzwischen, mich im Auto mitzunehmen. Musste also einmal komplett durch die Stadt radeln und am Marktplatz auch noch den Hügel hoch." 

„Oh Mann, dass der sich immer noch nicht eingekriegt hat", meinte ich. Die Wut gegenüber Timothys homophobem Bruder stieg wieder in mir auf. 

„Ja, aber egal. Radfahren ist gut für die Ausdauer", meinte er und versuchte, mir ein Lächeln zu schenken, das ich allerdings durchschaute. In dem Moment drehten sich Robin und Henry zu uns um. „Nice, dass du wieder da bist, Tris", meinte Robin grinsend.

„Ja, endlich! Noch länger hätte ich es ohne deine Mathe-Nachhilfe nicht mehr ausgehalten!", lachte Henry.

„Na, danke, das bin ich dir also wert", sagte ich gespielt empört. Henry schaffte es nicht mehr sich zu rechtfertigen, denn Frau Haas kam ins Zimmer und begrüßte uns mit ihrem üblichen „Guuuuten Morgen". Als sie mich an meinem Platz entdeckte, nickte sie mir lächelnd zu.

Die Doppelstunde Deutsch zog sich ewig. Ich musste zu meiner Enttäuschung feststellen, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, worum es ging. Irgendwas mit Erörterung und Pro und Contra Argumente ... Ich verstand nur Bahnhof. 

Timothy schien meinen verzweifelten Blick zu bemerken, denn er griff unter dem Tisch nach meiner Hand und flüsterte leise: „Keine Sorge, ich kann es dir später nochmal erklären. Das ist gar nicht so schwer." Ich nickte ihm dankbar zu und versuchte die restliche Zeit irgendwie in dem neuen Thema durchzusteigen. 

Ich war froh, als es endlich zur Hofpause klingelte, die ich in alter Gewohnheit mit Irina, Henry und Robin auf der Bank verbrachte. Wobei ich es mir natürlich auf Timothys Schoß bequem gemacht hatte. Der hatte seine Arme um meinen Oberkörper geschlungen und sich an mich gekuschelt.

„Ich hab' jetzt gleich Spanisch", sagte ich beiläufig. Timothy schaute mich an und schien meine Sorge erkannt zu haben. „Vielleicht solltest du mal Henry fragen, ob er dir im Gegenzug zu Mathe Spanisch Nachhilfe gibt."

Henry, der seinen Namen gehört hatte, schaute uns fragend an und ich wiederholte Timothys Vorschlag. „Ja, klar. Ist überhaupt kein Problem. Entweder wir machen das während unserer gemeinsamen Lernzeit, oder wir finden einen extra Termin." Ich strahlte ihn dankbar an. Auf meine Freund*innen war wirklich verlass.

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt