Kapitel 27

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Ich wachte auf, weil es an der Tür geklopft hatte. Noch halb im Schlaf drehte ich mich um und entdeckte Grace, die ihr Gesicht durch einen schmalen Spalt streckte. Sie grinste und sagte leise: „Es gibt Frühstück und später habe ich noch ein paar Sachen für heute geplant."

Ich nickte ihr schmunzelnd zu und die Tür schloss sich wieder. Dann drehte ich mich zu Timothy um und musste direkt grinsen. Er schlief noch tief und fest mit halb geöffnetem Mund. Seine blonden Locken standen verwuschelt in alle Richtungen. 

Sanft streichelte ich ihm über die Stirn und ließ meine Finger dann in seine Haare gleiten. Er rührte sich, öffnete eines seiner Augen und zuckte kurz zusammen. Dann öffnete sich auch sein anderes Auge und mein Lieblingslächeln erschien. 

„Morgen", nuschelte er, legte seinen Arm um meinen Körper und zog mich näher zu sich. Er kuschelte sein Gesicht in mein T-Shirt und ich kraulte ihn noch ein bisschen, bis wir aufstanden und uns für den Tag fertig machten.


Wir kamen in das kleine Esszimmer, das ebenfalls überwiegend aus dunklen Möbeln bestand. Bis auf Andrew saß die gesamte Familie am Tisch und war schon am Frühstücken. Sofort fiel mein Blick wieder auf Timothys Mum, die mit dem Rücken zur Tür saß. 

Mein Körper spannte sich schlagartig an und ich griff instinktiv nach Timothys Hand. Er streichelte beruhigend mit dem Daumen über meinen Handrücken und wir setzten uns auf die beiden freien Plätze. 

„Was möchtet ihr Beiden trinken? Und wollt ihr auch ein weichgekochtes Ei?", fragte Timothys Oma lächelnd. Während ich ihr antwortete, lagen meine Augen weiterhin auf der rothaarigen Frau. Sie unterhielt sich gerade mit Grace, die plaudernd davon erzählte, was sie mir heute in Hamburg noch alles zeigen wollte. 

Auch während des restlichen Frühstücks musterte ich Timothys Mum. Wäre dieser Vorfall nicht gewesen, wäre sie einfach eine ganz normale Mum, die mir sogar richtig sympathisch wäre, aber ich schaffte es nicht, mein inneres Unbehagen ihr gegenüber abzustellen.


„So bereit für ein bisschen Kunst und Kultur?", fragte mich Grace grinsend, als wir zu dritt das Haus verließen.

„Klar! Für Kunst bin ich immer zu haben", meinte ich und freute mich auf das, was Grace für uns geplant hatte.

Mit der Bahn fuhren wir zum Hauptbahnhof und gingen dann zusammen zu der nahegelegenen Kunsthalle. Während meine Hand in der von Timothy verweilte, erzählte mir Grace, dass in der Kunsthalle Werke einiger bekannter Künstler zu finden wären, wie zum Beispiel Caspar David Friedrich, Ernst Ludwig Kirchner und Paul Klee. 

Die Namen kannte ich aus dem Kunstunterricht, aber so ganz genau wusste ich nicht mehr, wofür sie bekannt waren. Als wir dann allerdings vor dem Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer" von Friedrich standen, konnte ich zumindest diesem Künstler aus der Epoche der Romantik wieder einige Werke zuordnen. 

Allgemein gefielen mir die Bilder dieses Künstlers ziemlich gut. Sie hatten etwas Verwunschenes und man fühlte sich direkt in die Situation auf den Gemälden hineinversetzt. Besonders imponierte mir das Werk „Mönch am Meer". 

Ich stand sicherlich für zwanzig Minuten davor und wurde regelrecht in die düstere und doch wiederum so hoffnungsvolle Stimmung hineingesaugt. Genauso stellte ich mir mein Inneres vor und wie ich als winziger Punkt mitten in der Dunkelheit stand. Und doch war da diese Helligkeit am Himmel, die es nicht zuließ, komplett in der tiefen Schwärze des Meeres zu versinken.

„Schönes Bild", murmelte mein Hoffnungsschimmer mir ins Ohr und umarmte mich von hinten, während er sein Kinn auf meiner Schulter ablegte.

„Mhm", machte ich nur und ließ meine Augen weiter über das unendlich tiefe Ölgemälde wandern.

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt