Kapitel 36

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Ich lag in meinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Die Informationen, die wir heute von William bekommen hatten, trieben mich so sehr um, dass ich nicht schlafen konnte. Die Tatsache, dass ich so ein Fragrantia-Dings sein sollte, war dabei nicht mein größtes Problem. 

Viel schlimmer fand ich den Gedanken, dass Timothy vielleicht noch zehn oder höchstens zwanzig Jahre altern würde und dann einfach so gut wie unsterblich werden würde, während ich immer älter werden und irgendwann sterben musste.

Ich schrieb Timothy und fragte, ob er schon schlief. Ohne mir im Chat zu antworten, vibrierte mein Handy. Ich wischte über den grünen Button und hörte ihn an meinem Ohr: „Hey." Seine Stimme war gedämpft. „Kannst du auch nicht schlafen?"

„Nein, mich beschäftigt das alles viel zu sehr."

„Ich komme irgendwie auch noch nicht darauf klar, dass ich länger leben werde, als gedacht. Aber diese eine Sache, mit deinem Geruch macht mir mindestens genauso viel Angst. Was, wenn es, wie William meinte, wirklich mehr Halbvampire und Vampire gibt, als wir bisher dachten und irgendwann zufällig einer auf dich trifft, der dir nicht so wohlgesinnt ist?"

Ich seufzte, darüber wollte ich gar nicht nachdenken. Ohne darauf einzugehen, sprach ich meine Angst aus: „Ich hasse den Gedanken, dass ich immer älter werde, während du jung bleibst. Und irgendwann werde ich ster ..."

„Pssst", hielt Timothy mich auf, das Wort auszusprechen, „denk einfach nicht darüber nach."

Wir schwiegen beide ins Telefon. Ich wälzte einen bestimmten Gedanken, aber ich ahnte schon, wie mein Freund darauf reagieren würde. Trotzdem sprach ich meine Überlegung nun aus: „Goldie, wie genau wird man nochmal ein Vampir?"

Er schnaufte lautstark aus. „Schlag dir das ganz schnell wieder aus dem Kopf!" Wie erwartet reagierte er todernst darauf.

„Ich will doch nur verschiedene Optionen durchdenken", antwortete ich.

„Kätzchen, es ist definitiv keine Alternative, dass du, wie meine Mutter, Menschenblut trinken musst und tagsüber höchstens aus dem Haus kannst, wenn es mega bewölkt ist."

Er hatte recht. Bei der Überlegung, Blut zu trinken, wurde mir ganz anders.

„Stimmt schon, trotzdem, wie wird man ein Vampir?", fragte ich noch einmal. Ich wollte die Idee noch nicht ganz aufgeben. Vielleicht übersahen wir ja irgendetwas.

„Ich bin mir nicht ganz sicher", antwortete er nach ein paar Sekunden, „meine Mum hat nie mit uns darüber geredet. Aber William hat in seinem Tagebucheintrag geschrieben, dass Mum von einem Vampir getötet wurde und mit Blutgeschmack im Mund wieder aufgewacht ist. Aber keine Ahnung, wie genau das alles zusammenhängt und funktioniert."

„Hmm." Das war nicht die Antwort, die ich erhofft hatte. Wir hatten zu wenig Wissen über den Vorgang, um daraus etwas schließen zu können, was uns weiterhelfen könnte. „Kannst du nicht mal deine Mum fragen?", quengelte ich weiter.

„Ich glaube, das Problem ist, dass sie selbst keine genaue Ahnung davon hat. Aber mach dir jetzt nicht mehr so viele Sorgen darum, Kätzchen, ich meine, wir haben ja noch ein paar Jahre Zeit." Ich schnaubte unzufrieden ins Smartphone. 

„Mal etwas anderes", versuchte er nun von dem Thema abzulenken, „willst du am Samstag zu meinem Fußballspiel kommen und mich anfeuern?" 

Obwohl mich die ganze Vampirsache ziemlich runterzog, erschien ein Lächeln auf meinen Lippen: „Auf jeden Fall!"

Die Woche verging ohne größere Zwischenfälle. Allerdings lief es in der Schule wieder schlechter. Ich konnte die ganze Zeit nur darüber nachdenken, was William gesagt hatte, vernachlässigte meine Hausaufgaben und sagte die Nachhilfe-Treffen mit meinen Freund*innen ab. 

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt