Epilog

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Ich betrachtete mich in dem großen Spiegel vor mir und versuchte die Nervosität, die mein Herz dazu brachte, mir bis zum Hals zu schlagen, irgendwie zu unterdrücken. Fahrig fuhr ich mir mit den Fingern durch meine schwarzen Haare. Der Friseur hatte sie zu kurz geschnitten. Egal!

Dann drehte ich mich zu dem dunkelgrünen Sessel, über dem mein Hemd hing. Ich nahm den schwarzen dünnen Stoff in die Hand und schlüpfte in den ersten Ärmel. Bevor ich meinen rechten Arm bekleidete, betrachtete ich die Narben darauf. 

Die meisten davon waren von dem großflächigen Tattoo, das drei blaue Schmetterlinge zeigte, verdeckt. Einzig die beiden kreisrunden Punkte, die mich vor neun Jahren fast das Leben gekostet hätten, waren immer noch zu sehen. 

Nur vage konnte ich mich an die Nacht erinnern. Timothy war rechtzeitig gekommen. Sein Blut hatte mich gerettet und zu dem gemacht, was ich heute war – ein Halbvampir. Ich wandte meinen Blick wieder davon ab und zog mir auch noch den Rest des Hemdes an.

Gerade als ich die Knopfleiste an meinem Hemd verschloss, vernahm ich ein zaghaftes Klopfen an der Tür des Hotelzimmers. Gediegen durchschritt ich den Raum und öffnete sie.

Mama und Maja standen davor – beide in elegante, bodenlange Kleider gehüllt.

Sie lächelten glücklich und Mamas Augen waren ganz glasig.

„Mama, nicht weinen, bitte. Sonst muss ich auch gleich", grinste ich und bat die beiden herein.

„Aber ich bin so stolz", antwortete sie.

„Und du siehst echt toll aus", fügte Maja hinzu und zupfte mein Hemd zurecht. "Wie fühlst du dich?"

„Verdammt nervös", lachte ich und nahm das schwarze Jackett vom Kleiderbügel. Mama nahm es mir ab und hob es hinter mir hoch, damit ich hineinschlüpfen konnte.

„Timothy wartet schon draußen", meinte Maja, „wir gehen mal wieder zu den anderen Gästen. Lass ihn und uns nicht zu lange warten." Sie schmunzelte und dann verschwanden die beiden wieder.

Ich blieb noch einen Moment vor dem Spiegel stehen und bereitete mich mental auf den Moment vor, der mich nun erwartete.


Mein Puls schlug wie wild, als ich aus dem Hinterausgang des Hotels trat. Sofort entdeckte ich meinen blonden Lockenkopf. Er stand unter einem rosa blühenden Apfelbaum, im Schein der Lichterkette, die um die Äste des Baumes gewickelt war. 

Mein Lieblingslächeln strahlte über sein Gesicht, als ich auf ihn zukam. Ich musterte ihn von oben bis unten. Er trug einen eleganten hellblauen Anzug. Seine Haare waren ebenfalls kürzer als sonst, aber es stand ihm.

„Na, Kätzchen", meinte er liebevoll und zog mich zu sich, sobald ich in seiner Reichweite war.

„Na, Goldie", antwortete ich, „du siehst schön aus."

„Du auch!"

„Onkel Timmy, Onkel Tris!", ertönte es plötzlich hinter uns. Ich löste mich grinsend aus Timothys Umarmung und entdeckte Ivie. Sie trug ein hellgelbes Kleid, das einen wunderbaren Kontrast zu ihrem dunklen Teint bot. In ihrer Hand hielt sie ein weißes Körbchen, in dem verschiedene Blütenblätter lagen.

„Na, Mäuschen", begrüßte ich das kleine Mädchen und wuschelte ihr durch die lockigen schwarzen Haare. Sie war wirklich das Ebenbild von Mia, einzig die grünen Augen hatte sie von Robin geerbt.

„Schaut mal, wie schön die Blumen sind", strahlte sie und streckte uns den Korb entgegen.

„Wirklich hübsch", äußerte sich nun auch Timothy.

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt