Mein Gesicht war vergraben in das inzwischen nass geweinte Sweatshirt von Timothy. Wir saßen schon seit einigen Minuten auf einer Bank vor dem Haus, trotzdem wurde mein Körper von einem Schluchzer nach dem anderen durchgeschüttelt.
Nicht mal Timothys Hand, die immer und immer wieder sanft über meinen Rücken streichelte, konnte mich beruhigen. „Es tut mir so leid. Es tut mir wirklich so leid", flüsterte Timothy immer wieder leise.
Dann spürte ich plötzlich eine warme Hand auf meiner Schulter und die tiefe Stimme von Timothys Dad ertönte: „Wie geht es ihm?"
„Nicht gut."
„Dann fahre ich ihn jetzt lieber nach Hause."
Panisch klammerte ich mich an Timothy. Ich wollte nicht ohne ihn gehen. „Keine Sorge, Kätzchen, ich komme mit", flüsterte er mir ins Ohr und sagte dann zu seinem Dad: „Seine Sachen sind noch drin?"
„Ich hol' sie", hörte ich nun auch Grace' Stimme.
Timothy drückte mich sanft von sich, stand auf und zog mich zu sich hoch. Doch ich stand immer noch unter Schock und mein Kopf tat vom Aufprall höllisch weh. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und gaben nach dem ersten Schritt einfach unter mir nach.
Timothy, der erst versucht hatte, mich zu stützen, hob mich kurzerhand einfach wieder hoch und trug mich die wenigen Meter. Erst jetzt realisierte ich, wie viel Kraft er haben musste.
Er setzte mich auf dem Rücksitz ab und ging dann einmal ums Auto, um neben mir Platz zu nehmen. Allein diese wenigen Sekunden, in denen ich ihn nicht spüren konnte, waren schrecklich und schnell klammerte ich mich wieder an ihn, sobald er neben mir saß.
Der Motor heulte auf und der SUV setzte sich in Bewegung.
„Dad? Was war da los mit Mum?", fragte Timothy.
„Sie weiß es selber nicht", meinte er, „als sie sich wieder beruhigt hatte, meinte sie, dass sie auf einmal diesen Geruch in der Nase hatte und direkt die Beherrschung verlor. Anscheinend wirkt sein Geruch ähnlich auf sie wie auf dich. Sie meinte allerdings, dass sie das erst ein einziges Mal in ihrem Leben so stark erlebt hatte, nur damals wäre es weniger glimpflich ausgegangen."
Timothy zuckte zusammen und auch ich dachte dabei sofort an Williams Tagebucheintrag, in dem er beschrieben hatte, dass seine Mutter einmal die Kontrolle verloren und eine Frau umgebracht hatte.
„Es tut ihr auf jeden Fall wahnsinnig leid, was sie Tristan angetan hat. Wir werden das wieder in Ordnung bringen."
Wir schwiegen einige Minuten. Nur das gleichmäßige Motorengeräusch war zu hören, bis Timothy die Stille unterbrach.
„Dad?"
„Ja?"
„Darf ich heute vielleicht bei Tristan übernachten? Ich will ihn nicht allein lassen." Mein Herz klopfte ein bisschen schneller bei der Aussicht darauf.
„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Du hast vorhin selbst die Kontrolle fast verloren."
Timothys Körper verkrampfte sich beim Gedanken daran. Er drückte mich an sich und meinte dann: „Ja, ich hab' mich unter Kontrolle. Ich tue ihm ganz sicher nichts."
Sein Dad schien nicht ganz überzeugt zu sein. Skeptisch schaute er uns durch den Rückspiegel an.
Ich überwand mich und flüsterte: „Bitte."
„Na gut, ich bespreche es gleich mit deiner Mutter, Tristan."
Ich seufzte erleichtert. Ohne Timothy hätte ich die Nacht nicht ausgehalten.
„Shit, aber ich hab' meine Schulsachen nicht dabei", meinte Timothy dann.
„Andrew soll dich morgen früh abholen und bringt dir die Sachen mit", meinte sein Dad.
„Macht er bestimmt nicht", grummelte Timothy.
„Doch wird er", erwiderte sein Dad streng.
„Was sollen wir deiner Mum eigentlich gleich sagen?", fragte Timothy dann an mich gewandt. Ich dachte nach und mir fiel direkt etwas ein.
Wir bogen ab in unseren Hof. „Schaffst du es diesmal allein?" Ich nickte. Vorsichtig stieg ich aus und ging zur Haustür. Dort angekommen suchte ich nach meinem Schlüssel. Doch der war irgendwo in meinem Rucksack oder meiner Jackentasche, die Timothys Dad mir gerade aus dem Kofferraum hinterhertrug. Kurzerhand drückte mein Freund einfach die Klingel.
Mama öffnete die Tür und schaute erstaunt. Doch als sie mich sah, bemerkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Schnell nahm sie mich in den Arm. „Was ist los, mein Schatz?", fragte sie besorgt.
Ich musste mich beherrschen, nicht wieder zu weinen und erzählte ihr dann meine zurechtgelegte Erklärung: „Ich ... ich hab' mich an einem zerbrochenen Glas in den Finger geschnitten. Der Anblick von meinem ... von meinem Blut hat mich so getriggert, dass mir schwindelig wurde. Ich bin ohnmächtig geworden und auf den Hinterkopf gefallen."
„Ach mein Schatz, was machst du denn für Sachen. Komm schnell rein" Dann wandte sie sich an Timothy und seinen Dad: „Vielen Dank Herr Hoppe, dass Sie ihn hergebracht haben." Sie machte schon Anstalten, die Tür wieder zu schließen, als ich mich räusperte.
„Mama, mir geht's emotional gerade nicht so gut. Darf Timothy bitte hier schlafen."
Sie blickte mich ernst an. „Unter der Woche? Ihr habt morgen Schule!"
„Bitte Mama, ich fühle mich wirklich nicht gut."
Auch Timothy schaute sie flehend an. Dann wanderte ihr Blick zu Timothys Dad. Dieser lächelte freundlich und meinte: „Für meine Frau und mich würde das heute ausnahmsweise in Ordnung gehen."
Mama seufzte. „Na gut, aber nur ausnahmsweise und das wird nicht zur Gewohnheit. Verstanden?"
Ich atmete erleichtert aus. Timothy verabschiedete sich von seinem Dad, nahm ihm meine Sachen samt Longboard ab und drückte sich dann durch die Haustür an meiner Mum vorbei zu mir.
„Bevor ich's vergesse", meinte meine Mum dann noch an Timothys Dad gewandt, „vielen Dank noch, dass Sie Tristan die Wintersporttage bezahlt haben. Ich würde mich dafür gerne mal revanchieren."
„Ach was", lächelte dieser, „das haben wir gerne für die Jungs gemacht."
Weiter verfolgte ich das Gespräch nicht mehr, denn ich zog Timothy schon die Treppe nach oben. Im Zimmer angekommen zerbröckelte meine Fassade jedoch gleich wieder und schon quollen mir die nächsten Tränen aus den Augen.
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Auweia, ob Tristan das so schnell verarbeiten kann, was ihm passiert ist?
Aber wenigstens darf Timothy ausnahmsweise übernachten! <33
Freue mich wie immer über eure Reads, Votes und vorallem über eure Kommentare!
Love ya, Elena <3
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Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werden
Teen FictionTristan und Timothy haben trotz der Hürden, die sich ihnen in den Weg gestellt haben, zueinandergefunden. Als Boyfriends genießen sie ihre gemeinsame Zeit in vollen Zügen. Jedoch bleiben neue Herausforderungen nicht aus: Während Timothy, ein Halbva...