Kapitel 05

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Kapitel 05

Die Tage nach Marelius selbst gewähltem Flammentod waren für Ricardo seltsam und auch noch Jahre danach in den Erinnerungen wie in einen Nebel getaucht

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Die Tage nach Marelius selbst gewähltem Flammentod waren für Ricardo seltsam und auch noch Jahre danach in den Erinnerungen wie in einen Nebel getaucht. Sein Gemüt schwankte zwischen purer Erleichterung und tiefer Trauer, wie auch seine Crew immer wieder feststellen musste. Sie versuchten ihren Freund und Kapitän soweit es ging in Ruhe zu lassen, boten aber auch bereitwillig ihre Hilfe an.

Die Crew wusste, wer und was ihr Kapitän war und auch wer der Mann gewesen war, der sich vor ihrer aller Augen mit wüsten Beschimpfungen und Vorwürfen in Rum getränkt angezündet hatte und lichterloh brennend vom Bug gefallen war. Die Äußerungen hatten einige schockiert, andere völlig ratlos zurückgelassen.

Die letzten Worte des ehemaligen Kapitäns schienen gerade die beiden nubischen Brüder Horan und Haris sehr zu beschäftigen, waren sie doch in den vergangenen Jahren zu so etwas wie Leibwächtern der beiden Vampire geworden. So war es Haris, der sich an einem Abend, als die See ruhig und windstill dalag, während der Wache zu Ricardo setzte und ihn ansprach.

„Ich weiß, ich sollte das vielleicht nicht fragen, Kapitän. Aber was habt ihr mit diesem seltsamen Mann gemacht, dass Master Marelius so wütend wurde, dass..." „Marelius war seit dem Moment, wo er mich erschaffen hat, unzufrieden mit mir gewesen", stellte Ricardo ruhig klar. „Mein Schöpfer war damals bereits sehr einsam. Er hat mich aufgelesen wie ein Haustier in der Gosse. Er fand es wohl lustig, mich als Mensch zu besteigen und mich die Wunder seines Reichtums bestaunen zu lassen. Es war seine Art von Liebe, weißt du. Ich glaube, er meinte es nicht mal böse."

„Besteigen, sagst du. Das bedeutet..." „Ich habe ihn nicht geliebt, nicht in diesem Sinne, wenn es das ist, was du fragen willst. Dann, er nannte es unsere erste Nacht... Und ja, im Grunde war es das auch... In seltsamer Weise... Da er mich das erste Mal als ebenbürtig in Betracht zog. Er nahm mich, in dem er mich dabei ansah und zärtlich war. Danach leerte er mich und ließ mir die Wahl. Leben als Vampir oder sterben als Mensch. Ich habe mich für das Leben als Vampir entschieden." „Hast du es je bereut?"

Seine nächsten Worte lange abwägend, senkte Ricardo seinen Kopf zwischen die aufgestützten Arme und rieb sich mit seinen Händen über seinen Nacken, bevor er seufzte und dem treuen Nubier in die Augen sah. „Seit ein paar Tagen bereue ich es nicht mehr." „Dann..." „Wie gesagt, Marelius hatte eine eigene Art von Liebe. Ich war ihm nicht devot genug, habe ihn nicht genug gepriesen. Habe es gewagt, meinen eigenen Willen zu besitzen und ihn nicht nach ihm auszurichten. Ich schätze, das war seine Vorstellung von dem, wie ein gutes Blutkind sich zu verhalten hat. Ich war eben nicht so."

„Und dieser Mann. Renard... Warum hat der Master geschrien: ,Für diesen verdammten Köter hast du nette Worte, für mich nicht?' Ich verstehe das nicht." „Renard ist ein Werwolf. Ein Nachtwesen, so wie ich. Unsere Art nennt sie Mondkinder. Oder eben Köter, weil wir eigentlich dazu geschaffen sind, Feinde zu sein. Zumindest habe ich das in den Aufzeichnungen vieler Gelehrter gelesen und Marelius war fest davon überzeugt." „Du nicht?" „Ich habe zu viel Tod in mir, als dass ich das Leben nicht schätzen würde. Dabei spielt es keine Rolle, wessen Leben." „Aber wir töten die Sklavenhändler...", gab Haris unsicher zu bedenken, worauf Ricardo leise ein bitteres Lachen ausstieß und sich wieder durch das Gesicht fuhr. „Ich habe nie behauptet, dass ich ein Heiliger bin, mein Freund."

Wie die Hilfe aussah, die sich Renard für seine offensichtlich nicht völlig selbstlose Gabe erbat, sollte sich in den darauffolgenden Tagen herausstellen. Der Werwolf wollte Rache. Rache für seine Gefangennahme und die Ermordung seines Rudels. Er wollte sich für die Gräuel und Erniedrigungen, die er in den letzten Jahren erfahren musste, rächen und sein Hass gegenüber Sklavenhaltern und den Händlern kannte kaum Grenzen.

Wie weit er gehen würde, wurde Ricardo erst Tage später bewusst, als sie das nächste Schiff unter der Flagge des Sultans ausfindig gemacht hatten. Wie das wilde Tier, das er damals in Ketten vorgegeben hatte zu sein, lief er auf dem Deck der Santa Maria auf und ab. Das Schiff war trotz seiner Größe äußerst wendig und stark bewaffnet und durch seine dunkle Holzfärbung schon von Weitem zu erkennen.

Seit Marelius Freitod war die Galionsfigur zu einer hässlichen schwarzen Fratze verzogen, was ihr ein noch teuflischeres Aussehen gab. Die Männer des Sultans schrien zunächst Drohungen, versuchten die Santa Maria mit Kanonenschüssen zu vertreiben. Doch als sie realisierten, dass dies nur ein Aufschieben für das Unvermeidliche war, begingen sie denselben Fehler, wie so viele andere zuvor und warfen ihre Fracht über Bord.

Ricardo wollte gerade den Befehl zum Entern geben, als Renard mit einem Satz auf das Schiff sprang. Zum Entsetzen des Vampirs wandelte sich der Werwolf noch im Sprung und begann alles Leben auf diesem Schiff zu vernichten. Selbst vor den Sklaven und den Kindern machte er nicht Halt. Ricardo, völlig von der Tatsache überrascht, dass dieser Wolf offensichtlich nicht an die Nacht gebunden war, starrte auf das Massaker, das dieses Wesen dort anrichtete.

Im selben Moment, wo die Sonne auf das blutdurchtränkte Schiff schien, wurde ihm klar, was hier passiert war. Das hier war seine Schuld! Es war sein Blut, das Renard diese Macht verlieh! Bei allen Göttern, wie hatte er so naiv sein können? Jetzt wurde ihm bewusst, dass Renard seine Ohnmacht ausgenutzt haben musste. Das also war der Grund für seine Schwäche gewesen, als er erwacht war. Der Werwolf musste von ihm getrunken haben. Er hatte ihn gemolken wie eine Kuh. Nur um diese Stärke zu bekommen, nicht mehr abhängig zu sein von der Gnade des Mondes.

Und jetzt... Jetzt trug dieses rasende, blind wütende Tier uraltes Blut in seinen Adern. Blut, das ihn nicht nur unberechenbar, sondern auch nahezu unaufhaltsam machte. Wenn Ricardo nicht wollte, dass dieser Wolf in seiner blinden Wut auch die Crew der Santa Maria angriff, musste er ihn stoppen. Koste es, was es wolle.

Waves Of Eternity (Moonlit Universe Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt