Kapitel 08

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Kapitel 08

Kapitel 08

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„Kapitän, die Mauren..." Maurice deutete mit dem Fernglas auf einen weißen Fleck am Horizont. Etwas überrascht zog Ricardo die Stirn kraus und nahm das lange, mit polierten Kristalllinsen ausgestattete Rohr, das ihm erlaubte, noch weiter in die Ferne zu sehen, als es seine vampirischen Fähigkeiten ohnehin taten.

„Sie tragen weiße Beflaggung und... schwenken ebenso weiße Fahnen." „Ergeben die sich? Das wäre ja mal eine erstaunliche Überraschung!" Mit einem skeptischen Schmunzeln zuckte Ricardo die Schultern und gab seinem Stellvertreter an Bord sein Werkzeug zurück, bevor er sich an die Mannschaft wandte.

„Macht euch bereit! Kanonen beladen, aber Feuer nur auf Befehl, haltet zwei Schiffslängen Abstand. Lasst uns sehen, was sie von uns wollen. Crew unter Enterbewaffnung!" Das vielstimmige „Aye!" begleitete ihn, während er seinen Säbel an der Hüfte zurechtrückte und den daneben steckenden Degen beiseitelegte. Zwei kleine Messer waren im Gürtel an seinem unteren Rücken befestigt. Doch selten hatte er eine seiner Waffen länger als für ein paar Schläge ziehen müssen.

Durch die Jahre als Vampir waren auch seine körperlichen Kräfte immens gestiegen. In zwei Büchern, die seine vampirischen Gefolgsmänner in alten Sakristeien und Gruften ausfindig gemacht hatten, hatte er während des letzten Winters einige Dinge nachlesen können. Sogar Marelius war darin mit seinem wahren Alter erwähnt worden, das Ricardo erheblich verwundert hatte. Sein Schöpfer war ihm bei dieser Frage stets ausgewichen. Hatte gesagt, dass Jahrhunderte wie Herzschläge seien, schnell vergänglich und keiner zählte sie.

Doch dass sein Schöpfer bereits etwa fünf Jahrhunderte nach Christus' Geburt erschaffen worden war, hatte ihn doch schockiert. So altes Blut... Es wurde ihm immer bewusster, was das bedeutete, woher die Stimmen in seinem Kopf kamen, und weshalb ihm die Sonne bereits kurz nach seiner Erschaffung nichts mehr ausgemacht hatte.

Wenn die Aufzeichnungen stimmten, war er eine Notschöpfung, oder so etwas wie ein Unfall gewesen. Zumindest war sein Schöpfer durch seine eigene Hand gestorben. Ganz genau hatten die Chronisten es allerdings nicht erwähnt. Doch Marelius Constatinus schien sehr einflussreich und auch sehr bekannt in der vampirischen Welt gewesen zu sein. Das machte Ricardo als sein Blutkind zu einem sehr angesehen Vampir. Die Frage war nur, was sollte ihm dieses Ansehen nützen, wenn er nur junge und schöpferlose Blutkinder fand?

Doch eines hatte ihm diese Entdeckung klargemacht. Er war Erbe eines Blutes geworden, das er niemals unkontrolliert oder fahrlässig weitergeben durfte. Das Kind seines Blutes, wenn er denn jemals eines haben würde, musste loyal und gutherzig sein. Und es musste sich der Macht bewusst sein, die es bekam. Er hatte die Chroniken an einem Ort verborgen, die nur Eingeweihte finden konnten, damit dieses Wissen erst weitergegeben werden konnte, wenn er darauf vertrauen konnte, dass sein Geheimnis sicher sein würde. Oder es nicht länger von Bedeutung war.

Das weiß beflaggte Schiff drehte am Morgen des nächsten Tages längs zur Santa Maria. Die typisch orientalisch gekleidete Crew hatte demonstrativ die Waffen niedergelegt und hielt weiße Tücher hoch. Ihre Nervosität war ihnen bis zum hintersten Winkel des Schiffes anzusehen, doch wenn es eines gab, das Ricardo stets ehrte, dann waren es die Gesetze des Friedens und der Waffenlosigkeit.

„Der Gebieter der Gläubigen Hasan Iben Hasam sendet euch, Mannschaft des Schwarzen Schatten, seinen ergeben Gruß." Maurice warf Ricardo einen amüsierten Blick zu, den dieser mit einem schiefen Lächeln erwiderte. Es kam oft vor, dass Seeleute den Namen des Schiffes mit dem des Vampires verbanden.

Ricardo trat vor, neigte den Kopf zu einem kurzen Gruß und suchte den Blick desjenigen, der der Kapitän zu sein schien. „Die Crew der Santa Maria dankt für den Gruß. Doch was bringt den Sultan des Abendlandes auf so eine doch recht gefährliche Idee? Hat er zu viele Sklaven, oder sind ihm die Damen seines Harems neuerdings zu lästig? Dem können wir jederzeit erneut Abhilfe schaffen." Das Lachen seiner Männer ließ Ricardo ebenfalls grinsen und die Besatzung auf dem maurischen Schiff wurde doch sichtbar blasser.

„Unser Herr, der Beschützer aller Gläubigen, schickt Schiffe, um Euch und Eure erleuchte Mannschaft einzuladen." „Hört hört!", hieß es aus den Reihen der Santa Maria und ein erneutes Lachen erscholl aus vielstimmiger Kehle. „Und er glaubt wirklich, der Schwarze Schatten der Meere ist so naiv, sich darauf einzulassen?", witzelte Maurice und schüttelte sichtlich amüsiert den Kopf. Für ihn war es undenkbar, dass Ricardo del Mar sich auf einen solchen Kuhhandel einlassen würde.

Doch der Vampir verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein und lehnte sich ein wenig vor, bevor er im ruhigem, ernsten Tonfall fragte: „Warum will dein Herr uns sehen? Was ist seine Botschaft?" „Der erhabene Schwarze Schatten ist unter Garantie seiner Unversehrtheit, und selbstverständlich auch die seiner Männer, eingeladen in den weißen Palast, dem Zentrum der Gläubigen zu kommen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Unser Herr und Gebieter wünscht den Schwarzen Schatten reich für sein edles Entgegenkommen und sein Verständnis für die Lage zu entlohnen." „Ist das so?" Nur Maurice sah das leichte Zucken in den Mundwinkeln seines Kapitäns. Weder dessen Haltung, noch dessen Stimme verrieten seine wahre Meinung zu dem Angebot des Sultans.

„Die Worte des obersten Beschützers aller Gläubigen sind uns heilig. Er hat Euch und Euren Männern Unversehrtheit garantiert. Daran wird sich jedes gottesfürchtige Wesen im ganzen Orient halten. Das versichere ich Euch!" „Natürlich...", murmelte Maurice sarkastisch und auch andere aus Ricardos Crew machten deutlich, dass sie das Ganze für eine Falle hielten.

„Dann sag deinem Herrn, Ricardo del Mar, der Schwarze Schatten der Meere willigt in ein Treffen mit ihm ein. Im neunten Monat diesen Jahres, am ersten Vollmond, werden wir in Konstantinopel vor Anker gehen. Dort werde ich ihn gerne treffen. Aber er soll gewarnt sein, der Schwarze Schatten ist kein kleiner Junge, der unbedacht in eine Falle läuft." Die Worte bewusst ruhig und mit direktem Blick in die Augen seines Gegenübers legend, richtete der Vampir sich gerade auf und streckte die Hand aus.

„Jamil, schreib das Gesagte nieder und setze mein Siegel darauf." Der Angesprochene verschwand unter Deck und kam mit einer Pergamentrolle zurück. Ricardo las das Geschriebene noch einmal vor und wartete, bis der Kapitän des Sultans nickte. Schließlich versiegelte der Vampir die Rolle, und Maurice schickte sie mit einem Pfeil an den Mast des gegenüberliegenden Schiffes.

„Unser Herr wird über Eure Güte erfreut sein." „Na, das will ich doch hoffen", hörte Ricardo seinen Stellvertreter murmeln und musste ein Schmunzeln unterdrücken. Bisher hatte er von dem anderen Schiff nichts als Angst, Respekt und Hoffnung auf eine sichere Heimreise empfangen. Das war auch der Grund, weshalb er seine Haltung auflöste, ein paar Schritte zurückging und schließlich, nach einem kurzen nautischen Gruß, den Abstand der Schiffe langsam, aber immer mit der gebührenden Vorsicht, größer werden ließ, bis die Moslems außer Sichtweite gesegelt waren.

Waves Of Eternity (Moonlit Universe Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt