Kapitel 12

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Kapitel 12

Sobald die Sonne untergegangen war, ließ der Vampir sich ein Beiboot zu Wasser und ruderte an eine felsige Landzunge, um dort unbemerkt an Land gehen zu können

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Sobald die Sonne untergegangen war, ließ der Vampir sich ein Beiboot zu Wasser und ruderte an eine felsige Landzunge, um dort unbemerkt an Land gehen zu können. Er hatte mit seinen Männern abgesprochen, dass wenn er in 48 Stunden nicht zurück war, sie die Flucht ergreifen sollten. Da dies ein Treffen mit den Autoritären des Ortes war, hatte er sich für eine schwarze Leinenhose, ein weißes Hemd und kniehohe schwarze Lederstiefel entschieden. Seine Waffen hatte er an Bord gelassen. Sie hätten ihm gegen die Ältesten seiner Art ohnehin nichts genützt.

Langsam die halbdunklen Gassen des Hafens entlang wandernd, begegnete er an einer Ecke einem jungen Mann. In einen dunkelgrünen, bodenlangen Mantel gehüllt, verneigte er sich schweigend vor Ricardo und wies ihm mit einer langsamen Geste in Richtung der Innenstadt zu gehen. Der Vampir wusste nur zu genau, dass das Aussehen eines Nachtwesens täuschen konnte. So konnte das augenscheinliche Kind ein vierhundert Jahre alter Vampir, oder die schwarzhaarige Schönheit ein Sukkubus aus den alten Legenden sein.

In respektvollem Abstand folgte er seinem Führer durch die immer dunkler werdenden Straßen, bis sie an einem offensichtlich alten Gebäude angekommen waren. Der Architektur nach schien es aus der frühesten Zeit der Stadt zu sein. Die maurischen und christlichen Einflüsse zeigten deutlich, dass es die Jahrhunderte der verschiedenen Herrschaftsdynastien nahezu unbeschadet überdauert hatte.

Wieder verneigte sich sein stummer Führer vor ihm, deutete Ricardo an, die schwere bronzene Tür zu öffnen und verschwand im Dunkel der Nacht. Mit einem tiefen Atemzug, der für seine Art zwar völlig unnötig war, aber für Ricardo ein irgendwie beruhigendes Andenken an seine einstige Menschlichkeit darstellte, legte er seine Hände an die bereits deutlich patinierte, aber sonst schmucklose Tür und drückte zu.

Lautlos glitt das schwere Metall beiseite und gab ihm den Weg zu einem langen, mit Fackeln beleuchteten Gang frei. Zwei muskulöse Wächter standen etwa fünf Meter vor ihm und betrachteten ihn kurz, bevor sie den Blick wieder starr an die gegenüberliegende Wand richteten. Sich selbst zu einer geraden Haltung ermahnend, schritt Ricardo del Mar an den seltsam riechenden Muskelbergen vorbei und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass sie schwere Halsbänder aus einem silbrig glänzenden Metall trugen.

Schaudernd bei dem Gedanken, dass dies wirklich pures Silber sein könnte, schritt er den Gang entlang, bis er an einem Bereich ankam, dessen Boden mit wunderschönen Mosaiksteinen verziert war. Er erkannte, dass die Steine Bilder ergaben wie in einem Buch. Doch ehe er diese Abbildungen wirklich erfassen konnte, hallte eine seltsam sanfte, fast singende Stimme durch den hell erleuchteten Raum.

„Ricardo del Mar, Kind des Marelius Constatinus, sei willkommen im Haus der Ältesten." Aus einem Winkel, den der Freibeuter nicht hatte einsehen können, schwebte eine jungenhafte Gestalt auf ihn zu. Die Aura, die diesen Mann umgab, der nicht älter wie ein Jugendlicher aussah, hatte etwas Anziehendes und zugleich Ehrfurchtgebietendes.

„Erhabener." Vor dem jungen Mann auf die Knie gehend, senkte Ricardo den Kopf, bis dieser ihn sanft berührte. Erleichtert, dass Marelius ihm zumindest diesbezüglich ein guter Lehrer gewesen war. „Erhebe dich, Kind des Marelius." Das leise Lachen schien von allen Seiten widerzuhallen, auch wenn sein Gegenüber nur im dezenten Plauderton gesprochen hatte.

„Ich bin Lavinius Maecius, der Älteste Byzantiums."„Empfangt meinen Dank dafür, dass Ihr mich in Eure Stadt gelassen habt." „Ich bitte dich." Wieder lachte der jugendlich wirkende Mann und legte in einer seltsam elegant anmutenden Geste den Kopf zur Seite. „Dies war das Heim deines Schöpfers, also ist es auch das deine. Sag, wo befindet sich mein alter Freund aktuell?" Wie sollte er das seinem Gegenüber erklären?

Ein kaltes, warnendes Gefühl wanderte seinen Nacken entlang und wurde intensiver, als Lavinius sich nach ein paar Schritten in Richtung eines riesigen Holztisches zu ihm umdrehte. „Hoher Herr, ich..." „Ricardo, du bist hier unter deinesgleichen. Lass die Titel beiseite. Bitte..." Mit der Hand auf den Tisch deutend, wartete er, bis Ricardo zögerlich zu ihm trat und sich ihm gegenüber hinsetzte. „Nun, wie soll ich Euch das erklären... Ich fürchte, mein verehrter Schöpfer hat vor einigen Jahren das Leben der Nacht nicht länger ertragen. Seine Einsamkeit hat ihn... Er hat das Feuer gewählt." „Einsamkeit sagst du? Er hatte doch ein sehr talentiertes und durchaus ansehnliches Blutkind gewählt. Was kann sich ein so Alter und Mächtiger unserer Art noch wünschen?"

Auch wenn die Stimme des Lavinius durchweg neutral und sogar freundlich klang, wurde das warnende Gefühl in Ricardos Nacken immer drängender. Irgendetwas an diesem Ort schrie ihn förmlich an, zu fliehen. Für den Moment tat er dieses Gefühl damit ab, dass er die Gegenwart seinesgleichen einfach nicht gewohnt war und die eines Ältesten schon seit ewigen Zeiten einfach nicht mehr gespürt hatte. Er war offensichtlich zu lange unter Menschen gewesen.

Sein Gegenüber schien seltsamerweise keine Antwort auf diese Frage zu erwarten, sondern lächelte versonnen vor sich hin, während er Ricardo eindringlich musterte. „Du hast länger nichts getrunken. Wo sind meine Manieren? Sobald Haremutep, Ramahael und Deirdre zu uns stoßen, werden wir gemeinsam speisen. Bis dahin erlaube mir, dir einen Gasttrunk anzubieten und dich anschließend in die große Bibliothek zu führen."

Drei weitere Älteste würden noch dazukommen? Die genannten Namen ließen einen Ägypter, einen Hebräer und eine Keltin vermuten. So altes Blut... Allein der Gedanke daran, mit derart Alten in einem Haus zu sein, ließ Ricardo sich seltsam fremd und unzulänglich fühlen. War sein Schöpfer so wichtig gewesen, dass diese Uralten ihn empfangen wollten?

Auf Lavinius' Wink hin wurde dem Freibeuter ein junger Mann an die Seite gestellt. Gehorsam ging er vor ihm auf die Knie und legte den Kopf zur Seite. „Ich hoffe, mein bescheidener Lebenssaft wird auf der erhabenen Zunge des Herrn Gefallen finden." Ungläubig starrte Ricardo auf den fast schob überdehnten Hals des Menschen vor sich, der sich ihm präsentierte.

„Lieber etwas Weibliches? Jünger?" Was zur... Innerlich entsetzt über die Gleichgültigkeit des Ältesten, schüttelte Ricardo den Kopf. Als wäre der vor ihm kniende Mann kein lebender Mensch, sondern ein Stück Fleisch, das man ihm auf dem Tablett servierte, wartete Lavinius sichtlich gelangweilt darauf, dass Ricardo das tat, was er von ihm erwartete. Der Pirat nickte, navigierte den knienden Mann etwas höher und versenkte seine Fänge sanft in dessen Fleisch.

Anscheinend war er nicht der Erste, denn unter seiner Zunge spürte er die Bissnarben, die tatsächlich nie versiegelt worden waren. Warum tat man so etwas? Er hatte immer darauf geachtet, dass seine Spender keine Folgen erlitten, außer vielleicht wohlige Erinnerungen an eine befriedigende Nacht.

Der Mann unter seiner Zunge stöhnte heiser und erzitterte, als ihn offensichtlich ein Höhepunkt durchschüttelte. Wie konnte das sein? Ricardo hatte sich deutlich zurückgehalten und nur wenig genommen. Doch die Lust des nun erschöpften Mannes war gerade absolut unleugbar gewesen. Ricardo ließ von ihm ab, leckte sich die Lippen sauber und sah mit seltsam gemischten Gefühlen, wie die glänzenden Augen des nun wieder Knienden sich zu ihm hoben.

„Ihr wart ausnehmend zärtlich, Gebieter. Habt Dank, auch wenn ich solcher Gnade nicht würdig bin." Nicht würdig? Irritiert sah er, wie zwei Wächter den Mann schweigend wegführten und begegnete dann Lavinius' lauernden Augen, dessen Gesichtsausdruck sich sofort änderte, als er bemerkte, dass Ricardo ihn ansah.

„Du wirkst... überrascht." „Ich gestehe, das bin ich, Ältester. Menschliche Sklaven?" „Sklaven?" Der Römer lachte diesmal lauter und klatschte begeistert in die Hände. „Sklaven sagst du, als wären Menschen nichts anderes als das. Würde ein Mensch ein Rind als Sklave ansehen? Ein Huhn... Eine Kuh? Mein lieber Ricardo, Sklaven sind von Wert, ein Mensch..." Die leichte Bewegung seiner Arme in einer absolut abwertenden Geste ließ Ricardos Kehle eng werden. Wie konnte jemand, der so alt war, das Leben so gering wertschätzen?

Waves Of Eternity (Moonlit Universe Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt