Kapitel 19

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Kapitel 19

Wald, Wiesen

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Wald, Wiesen... Ein kurzer Blick der Augen des vor ihm liegenden Mannes hatten gereicht, um diese Bilder im Unterbewusstsein des Vampirs zu erwecken. Wie eine Lichtung in einem tiefen, uralten Wald, Hoffnung auf Leben. Keuchend betrachtete Ricardo den völlig entkräfteten Menschen vor sich. Eine heisere, kaum hörbare Stimme flüsterte erneut einen Dank, bevor er wieder die Besinnung verlor.

Der Geruch von geronnenem Blut mischte sich mit dem des Sandes, des Meeres und schließlich mit dem typischen Geruch von frischen Wunden. Eine Mischung, die den Hunger des Vampirs wieder präsenter werden ließ. Er hörte Mariella nach ihm rufen, spürte, wie sie seinen Geist berührte. Sie überwand die Felsen mit zwei kurzen Sprüngen und stemmte die Hände in die Hüften, als sie ihren Schöpfer neben dem Gestrandeten knien sah.

„An Teilen hast du wohl nicht gedacht." „Fass ihn nicht an." Überrascht über Ricardos Befehl, zog die Rothaarige die Augenbraue hoch. „Schon gut. Ich wusste ja nicht, dass Ihr so durstig seid, mein Herr und Gebieter." Er schnaubte lediglich, erhob sich langsam und schmatzte hörbar, als seine Fänge sich gegen die Oberlippe drückten.

Der Durst brannte in seiner Kehle, wurde durch das Echo von Mariellas Verlangen zu einem schier unerträglichen Malstrom, dem er kaum noch etwas entgegensetzen konnte. Der Geruch, der von dem Mann vor ihm ausging, ließ seine Nasenflügel beben. Trotzdem hob er ihn so vorsichtig, wie er nur konnte, an, legte die schweren Ketten auf seiner Brust ab, damit sie die Wunden nicht erneut aufrissen und trug ihn zum Boot, das am Strand auf sie wartete.

Mariella beobachtete mit verwundert zusammengezogenen Augenbrauen, wie sanft, beinahe zärtlich ihr Schöpfer den verwundeten Sklaven in das Boot legte und sogar seinen Mantel als Kissen unter dessen Kopf schob. Als er ihm dann noch mit einer liebevollen Geste die verfilzten, nassen Haarsträhnen aus Gesicht streichelte, konnte sie ihr Erstaunen nicht länger zurückhalten.

„Kennst du den Mann?" „Noch nicht." „Noch?" Ihre Augen zeigten deutlich, dass sie die Wortwahl zu gleichen Teilen amüsierte als auch irritierte. In all den Jahren, die sie nun an Ricardos Seite war, hatte dieser noch nie Gefühle für einen Mann außer Marelius gezeigt, geschweige denn für einen Menschen.

Mit schnellen, entschlossenen Schritten ging er nun auf die beiden gefesselten Männer zu. Sie sah noch, wie er einem von ihnen den Kopf zur Seite drehte und, ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, sofort seine Fänge in dessen Hals bohrte. Nur wenige Minuten später stöhnte der Unglückselige noch ein letztes Mal auf, bevor er seinen letzten Atemzug tat. Gefolgt von seinem Kameraden, dessen Blut Mariellas Durst in schnellen, tiefen Zügen endlich befriedigte.

„Bringt mir den Zimmermann und Verbandszeug in mein Quartier." „Seid ihr verwundet, Kapitän?" Der sichtliche Schock über das Unmögliche stand Ricardos Stellvertreter regelrecht ins Gesicht geschrieben, als er den Wunsch des Kapitäns hörte. „Nein, mir geht es gut", beruhigte dieser ihn lächelnd und legte sich den noch immer bewusstlosen Mann wie eine Puppe über die Schulter, während er die Strickleiter hinauf an Bord kletterte.

„Aber er benötigt dringend Hilfe." Die Männer wollten den scheinbar leblosen Körper bereits übernehmen, als sie bemerkten, dass Ricardo ihn nicht losließ. „Gunter kann nach ihm sehen...", versuchte es Karlson, sein Kanonier, der Kräftigste unter seinen Männern, und streckte die Hände aus. Doch auch ihm übergab Ricardo den in seinen Armen liegenden Mann nicht.

Gunter und Karlson waren zwei der Männer, die aus den skandinavischen Ländern zu ihm gestoßen waren, zusammen mit Sven und Angsgar, die bereits seit einigen Jahren unter Ricardos Kommando dienten. Gunter, ein schlanker, blonder Mann, war als Heilkundiger tätig gewesen, bevor sein Dorf bei einem Überfall verbrannt, und er in die Sklaverei geschickt wurde. Karlson, sein groß gewachsener und hünenhafter Bruder, sollte in die Hände des gleichen Sultans geführt werden, dem Ricardo Mariella weggenommen hatte. Einer der Gründe, weshalb die Rothaarige und Karlson sich verbunden fühlten.

„Gunter soll umgehend in mein Quartier kommen." Mit einem kurzen Nicken bestätigten die Männer den Befehl. Wenn sie ihn hinterfragten, so zeigten sie es mit keiner Miene und Ricardo machte sich an Bord seines Schiffes niemals die Mühe, die Gedanken seiner Männer zu lesen. Er wusste, sie waren ihm treu ergeben.

Mariella rollte gutmütig mit den Augen, als sie sah, wie zärtlich ihr Schöpfer den Körper des Mannes auf seine Decken legte. *Soll ich dir helfen, die Fetzen von ihm herunterzureißen?* *Ich werde ihn vorsichtig aus diesem verdreckten Zeug herausschälen.* *Wie eine Zwiebel?*, gluckste sie amüsiert. *Eher wie eine Auster.* *Oho... Gedenkt der Herr, eine Perle zu finden?* Als er auf ihre Neckerei keine Antwort gab, lehnte sie sich an die Eingangstür seiner Kabine und verschränkte die Arme vor der Brust.

*Wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich sagen, du verführst diesen bewusstlosen Kerl gerade.* *Wie gut, dass du mich besser kennst.* „Ricardo...?" Er drehte ihr den Kopf zu, während er sich neben den bewusstlosen Mann stellte und sachte dessen ohnehin schon zerfleddertes Hemd nun endgültig in kleine Fetzen riss, um ihn beim Entkleiden nicht unnötig zu bewegen.

*Soll ich dir mit der Hose helfen?* Der neckende, anzügliche Tonfall ließ den Vampir die Augen rollen. *Du bist unmöglich. Geh du für mich nach den anderen Geretteten sehen. Ich denke, eine Frau ist für sie weniger bedrohlich.* *Ich verstehe*, dachte die Rothaarige lächelnd. *Der Herr will den Spaß für sich alleine.* *Geh und troll dich, du lüsternes Blutkind meiner Venen!* Schmunzelnd sandte er ihr ein zärtliches Streicheln über ihren Bund, das sie mit einem warmen, ehrlichen Lächeln erwiderte.

Als Gunter Ricardos Quartier betrat, ging Mariella in den Laderaum hinab, um zu sehen, wie viele Menschen die Männer hatten retten können. Wieder einmal waren es weniger, als sie gehofft hatte, doch wie Ricardo war für sie jedes gerettete Leben ein kostbares Leben. Und als sie sah, dass sogar Kinder frierend in den Decken kauerten, erfasste sie der alte, stets in ihr schlummernde Durst nach Rache. Eines Tages, das hatte sie sich geschworen, würde sie diesen Durst stillen. Doch heute, in dieser Nacht, würde sie zuerst einmal den Hunger und das Zittern der Unschuldigen befriedigen.

Waves Of Eternity (Moonlit Universe Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt