Kapitel 03

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Kapitel 03

„Kapitän, das maurische Schiff hat Schlagseite

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„Kapitän, das maurische Schiff hat Schlagseite. Sollen wir es trotzdem entern?" Zwei der vor ein paar Jahren geretteten Nubier hatten sich der Crew der Santa Maria angeschlossen, Horan und sein Bruder Haris. Zwei schier unüberwindbare menschliche Mauern aus Muskeln und Loyalität, die Ricardo treu ergeben waren.

Marelius hielt sich immer mehr im Hintergrund und kam kaum noch aus seiner Kajüte heraus. Durch ihren Blutbund konnte Ricardo die Einsamkeit des alten Vampirs immer deutlicher spüren. Er wusste, im Grunde war es seine Aufgabe, seinen Schöpfer aufzuheitern, ihn zu ermutigen, am Leben festzuhalten. Doch immer öfter ertappte er sich dabei, dass ihn die nicht zu erklärende Schwermut des Römers mehr ärgerte als belastete. Vor allem aber aufgrund der Tatsache, dass dieser ihn während der Kaperfahrten immer mehr allein ließ. Es blieb alles an Ricardo hängen, weshalb dieser irgendwann einfach beschlossen hatte, dass er seine eigenen Entscheidungen treffen musste.

Eine der gravierendsten war unbestreitbar der Angriff auf das Prunkschiff eines arabischen Sultans. Das prächtige, hoch gerüstete Schiff hatte der Santa Maria erhebliche Schäden zugefügt, doch die Erfahrung und das Geschick des dunkelhaarigen Vampirs hatten sie schließlich siegreich aus dem Kampf hervorgehen lassen. Die Beute, welche anschließend den gesamten Schiffsrumpf gefüllt hatte, hatten sie zu einem Teil dem spanischen Königshaus überlassen, das dafür seit einigen Monaten schützend seine Hand über ihre Taten hielt.

Die Santa Maria war nun offiziell ein Freibeuterschiff Spaniens. Doch keiner der beiden Vampire gab sich der Illusion hin, dass das Königshaus auch nur einen Finger krumm machen würde, wären sie jemals in Gefahr. Im Grunde war es eine geschäftliche Allianz. Ricardo und Marelius waren in der Lage, Land für ihre Geretteten zu erwerben und die Krone bekam das dringend benötigte Gold für ihre Eroberungen.

Ricardo beobachtete mit einem bitteren Zug um die Lippen, wie das Schiff vor ihnen immer weiter zur Seite kippte. Fette, in Seide gehüllte Männer sprangen mit fast schon quiekenden Jaulern ins kalte Meer und flehten um Gnade. Sie versprachen den Männern auf dem schwarzen Schiff Geld, Ländereien und einen Harem von Jungfrauen, wenn sie nur gerettet würden. Keiner unter Ricardos Kommando bewegte sich auch nur einen Zentimeter.

Sie enterten kurze Zeit später das Wrack und glitten routiniert in die Ladungsbuchten hinab. „Hier sind Frauen und Kinder an Bord!", schrie Haris, der die Entercrew anführte. „Zwei Hände voll Kinder, eine Hand voll Frauen und viele Lebensmittel! Und... noch etwas..." „Noch etwas?" Ricardo war über die Art und Weise irritiert, wie Haris ihn über die Reling hinweg ansah. „Ihr solltet Euch das ansehen, Herr."

Mit einem Sprung, den kaum ein Mensch überlebt hätte, setzte Ricardo auf dem Boden des anderen Schiffes auf und folgte seinem getreuen Nubier in die Dunkelheit des halb gefluteten Schiffsbauchs. Am Rand, in zwei schwere Ketten an die Schiffswand gefesselt, hing ein groß gewachsener, äußerst muskulöser und sichtbar mehrfach ausgepeitschter junger Mann. Seine schulterlangen, schwarzen Haare waren verfilzt und auch sein ganzer Körper wirkte, als habe er Reste von Fell darauf. Geschwollene Augenlider verbargen den Blick auf die im Dunkeln leuchtenden Augen. Doch als der Fremde den Kopf hob, sah Ricardo das Glimmen darin so deutlich, als wären es Kerzen.

„Bringt die Frauen und Kinder von Bord." Haris schauderte sichtbar, als er den Wechsel in Ricardos Haltung und Stimme wahrnahm. Er beeilte sich, den Befehl auszuführen und brachte die Ladung und die Menschen mit seinen Leuten in Sicherheit. Erst als sie allein waren, wandte der Vampir sich an den angeketteten Mann vor sich.

„Mögen Luna und Fenrir dir wohl gesonnen sein, Mondkind." Offensichtlich irritiert über die Ansprache, hob der Angekettete den Kopf und musterte Ricardo prüfend. „Ein Tagläufer... Gefällt dir der Anblick, Blutfresser?" Der Klang der Stimme des Mannes erinnerte eher an ein Grollen, denn an wirkliche Sprache. Es war offensichtlich, dass er selten die menschliche Sprache benutzte.

„Ich trete den Kindern des Mondes mit Respekt gegenüber. Darf ich das nicht ebenfalls erwarten? Zumal... Nun ja, deine Lage ist nicht gerade die beste, wenn ich das anmerken darf." „Lass mich sterben." Die Bitte, kaum mehr als mehr ein Winseln, schnürte dem Vampir die Kehle zu. „Warum? Du könntest leben! Frei, ohne Ketten, wenn du nur willst." „Ich bin ein Tier, Blutfresser. Unsere Art verdient die Ketten. Ebenso wie deine!" „Kein Wesen verdient Ketten." Ricardo fühlte mit dem gefesselten Mann. Er konnte nicht ertragen, ein Wesen der Nacht so zu sehen, oder irgendein anderes lebendes Geschöpf.

„Lass mich dir helfen." „Und dann? Soll ich dein kleines Schoßhündchen werden? So wie für diesen fetten Sultan? Zu deinen Füßen Knochen nagen, während du deine Opfer leerst?" „Wie wäre es, wenn du dein Leben in Freiheit leben könntest? Frei, ohne Herr, ohne Ketten?" Die dunklen Augen suchten prüfend seinen Blick, und für einen Moment hatte der Vampir das Gefühl, einen warmen Schauer seinen Rücken herunter laufen zu spüren. Da war etwas in diesen dunklen, fast schwarzen Augen, das ihn berührte.

Er trat näher, überging das Knurren des Mannes vor ihm, der trotz seiner eigenen erheblichen Größe den Vampir noch um eine halbe Kopflänge überragte, und strich ihm über die bebende Brust. „Ich werde dir nichts tun. Niemand wird dir etwas tun, wenn du uns nicht angreifst." „Niemand mit Verstand traut einem Tier." „Kein Tier hat einen Verstand, wie ein Wesen aus zwei Welten. Warum sollten die Wesen der Nacht Krieg führen? Haben wir nicht schon genug Verfolgung erfahren?"

Ein dumpfes, gurgelndes Grollen an Ricardos Gesicht bekundete den Moment, in dem er sich vorbeugte und die Kette an der Kehle des Werwolfes löste. Er hielt still, als der Kopf sich hob, eine Nase sich über seinen Hals zog und schließlich die dunklen Augen genau vor seinen lagen. „Du bist ein außergewöhnlicher... Nachtschatten." „Mein Name ist Ricardo del Mar." „Renard Valére nennt man mich." „Freut mich, dich kennenzulernen, Renard. Erlaubst du?"

Der Werwolf hob seine Arme, so dass Ricardo die schmiedeeisernen Ketten von den deutlich geschundenen Handgelenken lösen konnte. Der Gedanke, ob dieser arme Mann jemals ohne diese Eisen an den Händen gewesen war, schoss ihm durch den Kopf. Im selben Moment hörte er Schreie purer Panik von draußen und ein nie gekannter Schmerz jagte ihm durch den Kopf. Er konnte noch hören, dass er selbst einen gellenden Schmerzensschrei ausstieß. Sein ganzer Körper war eingehüllt in Pein. Als würde seine Haut in Flammen stehen! Er hörte noch eine grollende Stimme seinen Namen hauchen, dann wurde alles schwarz um ihn.

Waves Of Eternity (Moonlit Universe Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt