Kapitel 29

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"Es tut mir unfassbar leid! Ihr Vater hatte einen Herzstillstand und hat es nicht überlebt. Wir haben alles versucht!", sagte die Stimme mit dem englischen Akzent. Mir war es egal, woher sie überhaupt deutsch sprechen konnte, denn ich war erstarrt.
"Hallo? Sind Sie noch dran, Frau Yilmaz?"
"Wie? Wovon sprechen Sie?", fragte ich mit einer zittrigen Stimme.
"Wir können Ihnen nichts genaues sagen. Wir wissen selber nicht, wie das möglich ist. Ihr Ehemann hat sämtliche Therapien bezahlt, ihr Vater war auf dem Weg zur Besserung. Dies bleibt uns auch unerklärlich. Wir werden ihn untersuchen, deshalb wollten wir Sie um Erlaubnis fragen. Die Untersuchung wird dauern, sie können ihn also in der nächsten Zeit nicht begraben."
"Machen Sie doch was Sie wollen!", schrie ich.

Ich legte auf und warf das Handy gegen die Wand. Mein Vater ist tot. Er war gestorben. Ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden! Ich warf alles was ich in meiner Nähe fand, auf den Boden. Ich weinte und schrie gleichzeitig und wollte am liebsten sterben.

"Zahra, was ha-?", Emir sah mich geschockt an, als er mich so sah. Er kam auf mich zu und ohne was zu sagen, umarmte er mich. Er strich mir behutsam über den Rücken und ich weinte sein ganzes Hemd voll.
"Er..er hat mich verlassen, Abi. Er ist nicht bei mir. Er hat mich alleine gelassen."
"Süße, wovon redest du?"

Ich entfernte mich von ihm und schrie ihn an: "ER IST TOD! E-e-mir, er ist tot!" Ich wurde am Ende immer leise und sackte zusammen. Ich hatte in meinem Leben noch nie so geheult wie heute.
Emir kniete mich zu mir nieder und packte mich an den Schultern. Er schüttelte mich ziemlich stark, sodass mir schwindelig war.
"Beruhige dich! Komm zu dir, Zahra!"
"Papa, mein Papa, u-unser Papa hatte einen Herzstillstand. Er..er..er ist..."

Ich beendete meinen Satz nicht und diesmal war Emir geschockt.
"Ich..konnte ihn nie kennen lernen!", flüsterte er.
Eine Träne rannte über seine Wange und ich wischte sie weg.
"Er hätte dich geliebt."
"Er hat doch nicht einmal gewusst, dass ich existiere. Dass ich sein Sohn bin."

Nun weinte er auch und mein Herz schmerzte noch mehr als sonst. Wieso musstest du uns verlassen, Papa? Wieso konntest du nicht deine Augen aufmachen und mich anlächeln, so wie du es immer für mich getan hast? Wieso bist du gegangen, ohne zu wissen dass du einen Sohn hast? Du hättest ihn geliebt. Du wärst bestimmt stolz auf ihn gewesen. Das weiß ich.

...

Seit gefühlten Stunden lagen mein Bruder und ich eingekuschelt in meinem Bett und schwiegen. Niemand hatte bisher ein Wort verloren, aber dafür sehr viele Tränen. Wir konnten es immer noch nicht glauben, dass unser Vater gestorben war. Ich wünschte, dass alles bloß ein schlimmer Albtraum ist und das ich gleich wieder aufwache. Aber egal, wie oft ich meine Augen schließe und sie wieder aufmache, es verändert sich nichts. Rein gar nichts.

"Soll ich dich zu Demir fahren?", unterbrach Emir plötzlich die Stille.
"Ich weiß nicht, er soll mich nicht so sehen."
"Er wird dir gut tun. Mach dich fertig, ich warte unten auf dich."
"Tamam!", sagte ich und stand von meinem Bett auf. (Ok)

Ich ging zuerst ins Badezimmer und wusch mein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Danach benutzte ich ein wenig Make-Up, nur um nicht mehr so blass zu wirken. Meine braunen Haare band ich neu zusammen. Ich sah schrecklich aus, aber wer nahm es mir schon übel?
Zurück in mein Zimmer, stellte ich fest, dass Emir nicht mehr hier war. Vermutlich ist er schon nach unten gegangen und wartet in seinem Auto auf mich. Schnell zog ich mich um und hatte wenige Minuten später ein T-Shirt von meinem Bruder an und eine graue Jogginghose von Adidas. Zuletzt zog ich mir meine Schuhe an und ging dann aus der Wohnung in die frische Luft. Auf dem Weg zum Auto sahen mich manche Passanten komisch an. Kein Wunder, wenn ein Zombie am freien Tag durch die Straßen rennt.

Seufzend stieg ich in Emirs Auto ein und schnallte mich an.
"Weine nicht, okay? Er würde das nicht wollen!", sagte Emir während er seinen Motor startete und losfuhr. Er selbst unterdrückte seine Trauer und ich versuchte meine Tränen zu verdränge. Wenn ich alleine bin, dann breche ich vermutlich zusammen. So war ich nun mal. Von außen gab ich mich als Starke, aber wenn ich mal alleine bin, lasse ich alles raus.

"Ich hole dich um 20 Uhr ab, okay?", sagte Emir und erst jetzt bemerkte ich, dass wir schon angekommen waren. Ich war hier noch nie. Aber es sah verdammt riesig aus. Demir lebte in einer Villa. Überall standen Kameras und von weitem erkannte ich sogar Bodyguards vor der Eingangstür.

"Ich hab irgendwie Angst da rein zu gehen."
"Keine Sorge, soweit ich weiß, sind seine Eltern auf Geschäftsreise."
"Tamam, bis später."

Ich küsste seine Wange und stieg aus dem Auto. Mit großen Schritten machte ich mich auf dem Weg zum Eingang, wo mich diese Muskelpackete abfingen.
"Wohin denn?"
"Zu Demir."
"Hör mal Püppchen, Herr Yavuz hat tausend Verehrerinnen und jede hat versucht hier rein zu kommen. Ich habe niemanden reingelassen, du bist keine Ausnahme."
"Schön!", erwiderte ich bissig. "Dann ruft ihn hier her. Ich brauche ihn."

Die Tür öffnete sich und ein emotionsloser Demir stand davor. "Ihr beide könnt gehen. Ich will mit ihr alleine reden."
Die Bodyguards sahen mich kurz an und verschwanden. Ich war wohl nicht die einzige, die unglücklich war.
"Was hast du?", fragte ich leise.
"Ich werde meinen besten Freund verlieren."
"Wovon sprichst du?", fragte ich verwirrt.
"Er wird mich wohl wahrscheinlich nie wieder sehen wollen. Ich nehme ihn das auch nicht übel. Immerhin habe ich seiner kleinen Schwester das Herz gebrochen."
"Was?"
"Hör zu, Ich liebe dich nicht, nicht mehr wie früher. Ich habe dich am Anfang gemocht, aber seit gestern habe ich bemerkt, dass das zwischen uns nichts ernstes war. Ich empfinde nicht genug für dich."
"D..du lügst!", stotterte ich.
"Nein tue ich nicht. Nach unserem Date habe ich versucht Dilara zu erreichen. Wir haben uns ausgesprochen und sie kommt hierher. Ich habe immer noch Gefühle für sie, für dich auch, aber die sind nicht so stark wie für Dilara. Wir wollen uns verloben."

"Ich hasse dich!", schrie ich und rannte weg. Mein Vater hat mich verlassen. Demir hat mich verlassen. Ich will nicht mehr leben. Aber woher hätte ich wissen sollen, dass mein Leben gerade erst angefangen hatte?

EMIRS POV.

Kurz vor acht Uhr Abends, stand ich vor Demirs Haustür und klingelte. Sie wurde mir höchstpersönlich von ihm aufgemacht.
"Wütend siehst du nicht aus!", sagte er.
"Wieso sollte ich? Jedenfalls bin ich hier um Zahra abzuholen."
"Wir sind nicht mehr zusammen."
"Was?"
"Ich habe mit ihr Schluss gemacht. Ich empfinde nichts mehr für sie."
"Das hast du nicht getan! Du Bastard! Wo sie dich am meisten braucht, lässt du sie im Stich? An dem Tag, wo ihr Vater gestorben ist?", brüllte ich und schon landete meine Faust in seinem Gesicht.
"Ich will dich nie wieder sehen!", sagte ich und lies einen alten Freund zurück.
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Das längste und traurigste Kapitel in meiner Geschichte, widme ich @loveegirl1 ♥️
Ich weiß, du hast schon einmal ein Kapitel gewidmet bekommen, aber du verdienst es wirklich, da du immer einen Roman schreibst und mich total motivierst. Danke dafür!

Ps. mrs_tedua bringt mich jetzt wohl um 😂😂

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