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„Vielleicht schwanger", beeilte ich mich Eleanors Mutmaßung zu vervollständigen.

Doch sie strahlte eine verstörende Zuversicht aus. „Ich weiß, wie unglaublich das klingt, aber ich bin mir sicher, mein Gefühl täuscht mich nicht. Meine Periode ist jetzt schon seit zwei Wochen überfällig."

„Komm schon, Ella! Ist doch kein Wunder, dass nach Jamies Tod deine Hormone verrücktspielen!"

Sie lächelte mich an mit der Nachsicht einer Erleuchteten, die einer Ungläubigen in die gottverlassene Seele blickte. „Ich weiß es, Schwesterchen! Ich weiß es!"

Dann lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und legte die Hände auf ihren Bauch.

Ich starrte darauf und konnte natürlich keine Wölbung erkennen, die sie da zu fühlen glaubte. Ich wünschte mir, ich hätte Ultraschall-Augen, denn mir war es ein Rätsel, woher sie diese Gewissheit nahm. Sie war doch sonst immer so kompromisslos vernünftig.

„Wenn du dir so sicher bist", fragte ich, „wieso ziehst du dir dann ein halbes Dutzend roher Austern rein? Hast du noch nie gehört, wie gefährlich das für werdende Mütter ist?"

„Übertreib nicht, Rage! Es waren nur fünf. Und wärst du nicht zu spät gekommen, wären es noch weniger gewesen. Außerdem sind das nur Ammenmärchen. Du und Jamie, ihr habt doch ständig davon geschwärmt, dass es kein sinnlicheres Potenzmittel gibt als Austern. Und dieses Potenzmittel, dem ich vermutlich mein Baby verdanke, soll jetzt meinem Baby schaden? Komm schon, Rage!"

„Und dein gestriges Besäufnis?"

Nun wurde sie doch verlegen. „Wie gesagt, so viel war es gar nicht. Außerdem war ich gestern noch nicht sicher gewesen. Jetzt bin ich es aber! Als ich heute Früh aufgewacht bin, war mir kotzübel. Ich musste rennen, um noch rechtzeitig aufs Klo-"

„Weil du immer noch besoffen und verkatert warst", fiel ich ihr aufgebracht ins Wort. „Herrje, Eleanor!"

Mit fahler Gefasstheit blickte mich Pallas Athene an, ihre Schultern hatten sich gestrafft und versteift. Ihr Anblick ließ auch mich erstarren.

Der gutaussehende Kellner trat elanvoll an unseren Tisch, platzierte mit geübtem Schwung die Teller vor uns und kommentierte heiter: „Einmal der Sankt Petersfisch, bitte schön! Wussten Sie, dass dieser imposante Meeresbewohner auch Zeusfisch genannt wird? Und für unseren verspäteten Gast den Fagri, den Königsfisch, den wir den Stolz Griechenlands nennen."

Erst nachdem er die Teller abgestellt hatte und uns mit einem sonnigen „Guten Appetit, die Damen", verabschieden wollte, bemerkte er den Temperatursturz. Sein Lächeln gefror, er deutete eine unbeholfene Verbeugung an und verzog sich.

Der Duft des gegrillten Fagri stieg mir in die Nase, doch seine sonst so verführerische Wirkung blieb aus. Ich war viel zu sehr benebelt von Eleanors Offenbarung. Das griechische Wort dafür war übrigens Apokalypse (kein Scheiß!).

Eleanor holte Luft, ihre Gesichtszüge blieben gipsern, doch ihre Stimme klang samtweich: „Arme Rage! Warum lässt du dich nur immer wieder von so viel Negativität zerfressen?"

Was sollte ich sagen? Ich hatte es doch noch geschafft und bekam meine Strafpredigt: „Ich verstehe, dass Jamies Tod auch dir nahegeht. Und dass ich dich mit meiner frohen Botschaft überrannt habe, tut mir leid. Und dafür möchte ich mich entschuldigen. Aber warum attackierst du mich dafür? Warum kannst du dich nicht einfach für mich freuen?"

Ich sank in mich zusammen und wurde im Nacken gepackt von meinem schlechten Gewissen. „Tut mir leid, Ella. Du musst dich für nichts entschuldigen, schon gar nicht dafür, dass du glaubst, du könntest schwanger sein. Das wären wirklich tolle Nachrichten! Wirklich!"

Ich bin dein kleiner TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt