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Es war der Freitagmorgen vor zwei Wochen gewesen, es dämmerte allmählich und ich hatte gerade die Dusche abgestellt, als es bei mir an der Tür klingelte. Erst wollte ich es ignorieren, weil es viel zu früh war, doch aus irgendeinem Grund trieb mich die Neugierde zur Gegensprechanlage an meiner Apartmenttür.

„Hallo?", fragte ich möglichst forsch.

„Hey Ray", antwortete mir Jamies vertraute Stimme. Damals lebte er noch (wenn auch nur noch wenige Stunden).

„Was machst du hier?", wunderte ich mich.

„Machst du mir auf? Dann erklär ich's dir!"

„Bist du nicht mit Steven zum Rudern verabredet?"

„Dem hab ich gestern Abend schon abgesagt. Lässt du mich jetzt rein?"

„Und was hast du Ella erzählt?"

Er stöhnte genervt und gab schließlich zu: „Eleanor glaubt, ich wäre zum Rudern. Jetzt komm schon, mach auf!"

„Wenn du deiner Frau gesagt hast, dass du zum Rudern bist, dann solltest du auch zum Rudern fahren – egal ob mit oder ohne Steven!", erklärte ich ihm durch die Gegensprechanlage, während mir das Wasser aus den Haaren den Nacken hinunterlief. Mir war kalt, weil ich bloß in ein Badetuch um mich geschlungen hatte. Ich wollte nur noch ins Bett, um vor der Arbeit wenigstens noch zwei Stunden Schlaf zu bekommen.

„Ich kann immer noch zum Rudern, nachdem du mich reingelassen hast. Lass mich nicht quengeln, Ray, bloß fünf Minuten!"

„Ich hab kein gutes Gefühl dabei, Jamie."

„Komm schon, seit wann bist du so verklemmt?", scherzte er, wurde dann aber schlagartig ernst: „Oder hast du etwa einen Kerl in deiner Bude?"

Ich seufzte und drückte den Türöffner. Sollte er seine fünf Minuten kriegen, um sich davon zu überzeugen, dass ich hier niemandem vor ihm versteckte.

Bis Jamie das nächste Mal klingelte und ich ihm die Apartmenttür öffnete, hatte ich mir hastig eine Yogahose und einen Hoodie übergezogen und um das nasse Haar in ein Handtuch gewickelt.

Jamie trug einen Trainingsanzug, der einen Kontrast bildete zu dem legeren Businessanzug, den er vor wenigen Stunden noch getragen hatte, als wir zusammen mit meiner Schwester und Steven einen Zug durch die Bars in Greenwich Village gemacht hatten. Schwer zu sagen, welchen Jamie ich verführerischer fand. Den smarten Juristen, der seit anderthalb Jahren für meinen Dad arbeitete? Oder den Ruderer, wozu ihn Steven erst vor ein paar Wochen gemacht hatte? Ich war beiden Versionen hoffnungslos verfallen.

„Warum hast du nicht angerufen", fragte ich und winkte mit meinem Handy in der Hand, als müsste ich ihm beweisen, dass darauf kein entgangener Anruf und auch keine Kurznachricht von ihm angezeigt wurde. Er hatte noch nie unangekündigt vor meiner Wohnung gestanden.

„Hab mein Handy daheim liegen lassen", erklärte er mir und fragte dann: „Und du bist schon auf dem Sprung zur Arbeit?"

Ich zuckte mit den Schultern und antwortete: „Hab nicht gut geschlafen und dachte, eine Dusche würde helfen, um wieder in die Spur zu kommen."

Ich wollte ihm lieber nicht erzählen, dass ich erst seit einer knappen halben Stunde daheim war und jetzt ins Bett fallen wollte, um wenigstens noch zwei Stunden Schlaf zu bekommen, ehe ich in die Firma musste. Wenn ich ihm das erzählen würde, hätte ich ihm auch erzählen müssen, dass ich vor anderthalb Stunden noch bei Steven gewesen war.

Nach unserer Bar-Tour waren Jamie und meine Schwester gemeinsam mit Steven in ein Taxi gesprungen, während ich allein mit meinem Taxi in die entgegengesetzte Richtung nach Bedford-Stuyvesant gefahren war. Mitten auf der Brooklyn Bridge hatte ich aber den Fahrer aufgefordert, umzukehren und Steven angerufen, dass ich noch vorbeikommen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 01 ⏰

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Ich bin dein kleiner TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt