♣️45♣️

1 1 0
                                    

Ja, das sind Sie. Die Pupillen seiner leuchtend blauen Augen begannen, sich vertikal zu vergrößern. Mit versteinerter Miene schaute er zu den riesigen Eingangstüren aus Eisenguss.
 
In all den Jahren, in denen ich bei den Wächtern in den Potomar Highlands gelebt hatte, hatte es noch nie einen Einbruch gegeben, geschweige denn so einen.
 
Mit zitternden Händen ging ich zur Tür und fand sie unverschlos sitzen.
 
Scally, nicht...
 
Ich öffnete die Tür. 
 
Kühle Nachtluft strömte herein und strich über meine nackten Arme. 
 
Meinst du wirklich: Eine Tür hält sie auf, wenn sie es bereits so weit geschafft haben?
 
Zumindest würde es sie kurz bremsen.
 
Als ich hinaustrat, spürte ich den kalten Verandaboden unter meinen Füßen. Ich konnte absolut nichts hören. Nicht einmal einen Nachtvogel oder das Zirpen eines Insekts, als ob die Tiere instinktiv
 
Spürten, dass etwas Unnatürliches vor sich ging. Es war ganz still-zu-still. Zu ruhig. Ich schaute über die von starken Scheinwerfern beleuchtete Einfahrt hinaus in die Dunkelheit. »Kannst du was sehen?«, fragte ich.
 
Misha kam und blieb oben auf der Treppe neben mir stehen. Selbst wenn meine Augen nicht so beschissen gewesen wären, hätte Misha immer noch eine Million Mal besser sehen können als ich.
 
Nichts zu erkennen, erklärte Misha und blickte auf mich herab. 
 
Bis auf das Kleid. Du hättest dich längst umziehen können. Alles, was ein Dämon sehen wird, ist dein […].
 
Halt die Klappe, schnauzte ich ihn an. Vielleicht solltest du auch zur Außenmauer gehen, fuhr er fort. Wenn die Dämonen dich in diesem Kleid sehen, überlegen sie es sich bestimmt noch mal anders, uns zu belagern. Ich stupste Misha an.
 
Du bist echt bescheuert. Zayne meinte, ich sehe aus wie eine Göttin.
 
Misha stieß einen verächtlichen Laut aus. Ach, wirklich?
 
Und er sagte, ich bin wunderschön. Diesmal stieß ich ihn mit dem Ellenbogen an.
 
Derselbe Typ, der deine Küsse nicht erwidert hat? Derselbe Typ, vor dem ich dich gewarnt habe? Misha schob mich rückwärts gegen das Treppengeländer. Hast du geglaubt, ich würde das nicht noch mal ansprechen?
 
 
Ich verdrehte die Augen.
 
Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um mich zu belehren. 
 
 
Warum wartest du nicht, bis wir nicht mehr von Menschen und ihren verbündeten Dämonen belagert werden? Er seufzte. 
 
Du solltest wieder reingehen, Scally. 
 
Mishas Meinung über Zayne war mir gerade gleichgültig, ansonsten folgte ich ja seinen Anweisungen und dem, was er mir so entgegenbrüllte. »Meinst du, Jada geht es gut?«, fragte ich ungefähr zum fünften Mal.
 
Sie ist bei Ty. „Ich bin mir sicher, es geht ihr gut“, beruhigte mich Misha erneut. Außerdem verfügen alle Häuser über Panikräume, nur für den Fall, dass so etwas eintrifft, was aber nicht geschehen wird. Und wo du auch eigentlich sein solltest. Beiden wird es gut gehen. Allen wird es gut gehen. <
 
Es sei denn, die Dämonen durchbrachen die Mauern und verwüsteten die Siedlung, indem sie die Häuser niederbrannten. Das war vor einigen Monaten einer Siedlung westlich von uns passiert, und die Panikräume hatten nicht alle Bewohner geschützt. Einige der Panikräume hatten dem widernatürlichen Feuer, das die Dämonen entfacht hatten, nicht standgehalten.
 
Und wenn es hier genauso kam?
 
Ich schloss die Augen, und ein Schauer durchströmte mich. Das ist alles meine Schuld. <<<
 
Was? Nein, ist es nicht. Mishas Reaktion kam schnell, fast zu
 
Schnell. Das ist nicht deine Schuld. Mir brannte die Kehle, und ich schüttelte den Kopf. Doch. Clay
 
hat mich überrumpelt, und ich habe alles vollgeblutet, Misha. „Ich habe meine Gabe eingesetzt, statt einfach wegzulaufen.“
 
Hättest du deine Gabe nicht genutzt, wärst du gestorben. 
 
 
Misha legte seine warmen Hände an meine Wangen. Ich hätte sterben können. Du hast dich selbst geschützt. Du hast alles getan, was nötig war.
 
Ich öffnete die Augen, und unsere Blicke trafen sich. Im Licht der Veranda wirkten seine Augen wie Tümpel nachtblauen Wassers. Warum musst du nur immer so logisch sein? <
 
Misha senkte den Kopf, sodass sich unsere Augen auf gleicher Höhe glichen.
 
Höhe befanden. Dann strich er mit den Daumen über meine Wangenknochen.
Weil du immer so unlogisch bist.
 

Ich lachte gequält. »Guter Punkt.«

 
 
 
Ein weiterer guter Punkt ist…
 
Plötzlich kribbelte es in meinem Nacken und zwischen den Schuilterblättern derart heftig, dass mir der Atem stockte. Ich krampfte die Finger um die Dolche, bis die Griffe in den Handflächen Abdrücke hinterließen, und flüsterte: Sie kommen.
 
Sofort ließ Misha die Hände sinken und wandte sich wieder der Einfahrt zu. Geh zurück.
 
Diesmal gehorchte ich und machte ein paar Schritte rückwärts, um Misha Platz zu machen. 
 
Denn er war im Begriff, sich in seine wahre Gestalt zu verwandeln, und als er es tat, konnte ich die Augen nicht von ihm abwenden. 
 
 
Das war mir noch nie gelungen, und ich wünschte, ich hätte schon mal den gleichen Moment mitbekommen, wenn Zayne sich verwandelte.
 
Mishas blasse, rötliche Haut veränderte sich als Erstes.
 
Sie nahm einen dunkleren Farbton an, während sie sich steigerte und zu einem tiefen Schiefergrau wurde. Dann wölbten sich seine Hände zu Klauen, die dermaßen scharf waren, dass sie Stein zerschneiden konnten. 
 
 
Kräftige Hörner sprossen auf einmal aus dem Durchei nander rotbrauner Locken auf seinem Kopf. Die Schulterknochen bewegten sich unter der Haut, und schwertscharfe Klingen ragten heraus. Gleichzeitig bildeten sich Flügel, die sich nach beiden Seiten ausbreiteten.
 
Ich hatte Recht. Misha war schon riesig, aber Zayne wäre noch gewaltiger.
 
Er blickte über die Schulter zu mir, und ich sah, dass sich auch sein Gesicht verändert hatte. Die Nasenlöcher waren nun schmale Schlitze. 
 
Der Mund hingegen war breiter und bot jetzt Platz für Fangzähne, die Fleisch und Metall zerstören konnten. Nur die Augen blieben gleich: Wächterblau.
 

Dark Lightning Funkelnde Schwingen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt