Weihnachten

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POV: BastiGHG
„Basti?" rief Kevin durch unsere Wohnung. „Ja?" rief ich zurück. „Weißt du, wo mein Hemd ist?" fragte er. „Schrank, linke Seite, unteres Fach." antwortete ich, während ich die Geschenke für meine Familie in eine Tüte packte. „Danke!" rief Kevin. „Gern geschehen." sagte ich normal laut. Kevin stand hinter mir. Er legte seine Arme um meinen Bauch. „Was machst du denn da?" fragte er wie ein kleines Kind. „Siehst du doch." flüsterte ich. Ich wusste, wie ich ihn nerven konnte. Ihn störte es, wenn ich flüsterte, da man mich dann nicht verstehen konnte. Ich hatte halt eine eher leise Stimme. Und er wusste, wie er mich nerven konnte. Trotzdem liebte ich ihn. „Was hast du gesagt?" fragte er mit einer tiefen Stimme. Mir lief eine leichte Gänsehaut den Rücken runter. „Ach, muss ich mich etwa wiederholen, weil du mir mal wieder nicht zugehört hast?" fragte ich ihn. „Was kann ich denn dafür, wenn ich von deiner Schönheit abgelenkt werde?" flüsterte er mir ins Ohr. Daraufhin wurde ich rot. „Du bist süß, wenn du rot wirst." flüsterte er mir ins Ohr und ich wurde noch röter. „Jetzt uns und los. Sonst kommen wir noch zu spät." sagte ich, um der Situation zu entfliehen. „Na gut." seufzte er und wir gingen los, nachdem wir uns Schuhe und Jacke angezogen hatten. Kevin zog sich noch eine Mütze auf, während ich mir meine Handschuhe und Ohrenwärmer schnappte. Ich mochte Kälte nicht. Mit der Geschenketüte in der einen Hand und Kevins Hand in der anderen ging ich mit ihm zu meinen Eltern. Sie wohnten, wie wir, am Rand von Berlin. Somit wohnten wir sehr nahe aneinander und wir konnten zu ihnen laufen. Dort angekommen klingelte Kevin, da ich die Hände voll hatte. Meine Mutter öffnete uns und schloss mich direkt in eine Umarmung. „Schön das ihr schon da seid. Ich hab mich schon auf euch gefreut." begrüßte sie uns. Dann ließ sie mich endlich los und gab Kevin die Hand. Wir folgten ihr ins Haus, um der Kälte zu entfliehen. Warum musste es auch so kalt sein. Gerade an Weihnachten. „Wo soll ich die Geschenke hinstellen?" fragte ich meine Mutter. „Stell sie erstmal hier hin." antwortete sie und deutete auf die Theke der Küche. Ich stellte die Tüte mit den Geschenken auf die Theke und zog mir erst jetzt Jacke, Schuhe, Ohrenwärmer und Handschuhe aus. Kevin stand schon in Socken vor mir. Ich nahm in an die Hand und wir gingen in die Küche. Ich hatte dort vorhin meinen Vater gesehen. „Hi Dad." begrüßte ich meinen Vater, nachdem ich mich an ihn ran geschlichen hatte. „Boah, hast du mich erschreckt." stieß er aus und Umarmte mich an. „Dann darfst du halt nicht so schreckhaft sein." sagte ich liebevoll. „Sagt der, der sich beim runterfallen eines Glases zu Tode erschreckt." grinste mein Vater und ich schaute weg. Das war mir immer noch peinlich. Aber ich hatte mich halt erschrocken. Kevin hörte ich lachen. Man, warum musste er das sagen? „Kommt, wir stellen schonmal alles auf den Tisch." rief meine Mutter uns zu ihr. Danke! Ich nahm mir die Teller und die Servierten und ging damit ins Esszimmer. Ich stellte alles auf den Tisch und schaute zu den Stühlen, um zu wissen, ob ich genügend Teller und genügend Servierten hatte. Bei einem Stuhl blieb mein Blick hängen. Es war der Stuhl, denn mein Onkel immer benutze. Mir stockte der Atem und im nächsten Moment erinnerte ich mich wieder genau an alles. Dann lief ich aus dem Zimmer.

POV: Papaplatte
Ich hörte ein klappern aus dem Esszimmer. Mit dem Besteck ging ich jetzt auch ins Esszimmer und sah gerade noch, wie Basti aus dem Raum lief. „Basti!" rief ich ihm hinterher. Plötzlich stand Bastis Mutter hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um. „Was ist mit ihm?" fragte ich verwirrt und sehr besorgt. „Ich dachte eigentlich, dass er über die Geschehnisse hinweg ist. Aber ich hatte mich getäuscht." sagte sie nur und ich beschloss, Basti hinterher zu laufen. Er lief ins obere Stockwerk und ich folgte ihm. Oben fand ich nur eine Leiter. Ich war mir aber sicher, dass Basti dort oben ist. Also kletterte ich ebenfalls nach oben. Als ich oben war, hörte ich leises weinen und wimmern. Besorgt folgte ich der Geräuschursache und fand Basti. Ich setzte mich neben ihn und legte einen Arm um ihn. „Hey, was ist los?" fragte ich ihn sanft. Auf meine Frage hin weinte er nur doller. „Hey, hey, hey. Psst. Alles wird gut." redete ich sanft und leise auf ihn ein. Er drückte sich näher an mich und seine Tränen versiegten. Ich nahm ihn in den Arm. „Was war denn los?" fragte ich. „Mein Onkel... er...er." schniefte er. „Hey, alles ist gut. Du musst es mir nicht sagen." beruhigte ich ihn. „Ich möchte es dir sagen, aber ich kann nicht." flüsterte er und stand einfach auf. Ich wollte ihn davon abhalten, doch er war zu schnell für mich. Dann kam er mit einer kleinen Box zurück. „Was ist das?" fragte ich verwirrt. Basti gab mir die Box und ich öffnete sie. Dort drin lagen viele Zettel, die beschrieben waren. „Les sie." sagte Basti zu mir. Ich nahm mir den obersten Zettel raus und begann ihn zu lesen.

Liebes Tagebuch,
heute ist es wieder passiert. Ich kam gerade von der Schule nach Hause und war glücklich, da ich in der Mathe Arbeit eine 1 habe. Leider war mein Onkel auch zu Hause. Ich hatte gehofft, dass er noch nicht da war. Doch das war er. Als er mich sah, zog er mich direkt mit in einen Nebenraum. Dort passierte das, was für mich leider schon Alltag war. Wieso war ich nur so, wie ich bin? Ich kann es nicht mal mehr aufschreiben.

Bis Bald, du hörst von mir.

Ich war geschockt. Was hatte er durch machen müssen. Während ich das hier gelesen hatte, hatte Basti einen weiteren Zettel rausgesucht. Diesen gab er mir.

Liebes Tagebuch,
ich frage mich mal wieder, warum ich schwul sein musste. Warum konnte ich nicht einfach normal sein? Meine Eltern wissen es nicht und mein Onkel heißt es nicht gut. Sobald ich von der Schule nach Hause komme und er mich sah, zog er mich mit und schlägt mich. Heute hatte er mir sogar das Handgelenk gebrochen. Ich musste es meinen Eltern sagen, ohne das ich etwas verrate. Sonst bin ich so gut wie tot. Oder? Mein Onkel redete mir immer ein, dass meine Eltern mich nie akzeptieren werden. Aber soll ich ihm überhaupt glauben? Lügt er mich vielleicht nur an? Ich weiß es nicht. Aber was sage ich jetzt meinen Eltern? Ich überleg mir was.

Bis bald, du hörst von mir.

Mir wurde klar, was er schlimmes erlebt hatte. Sowas konnte man nicht mehr Kindheit nennen. Wie alt er da wohl war? Ich sah auf das Datum. Er musste gerade 14 gewesen sein. Für so eine Geschichte noch echt jung. Aber was wurde ab da mit ihm? Jetzt hatte ich ihn bei mir. Wieder gab Basti mir einen Zettel. Es war der nächste Tag.

Liebes Tagebuch,
heute, oder besser gestern, war der glücklichste Tag in meinem Leben. Noch nie hatte ich einen besseren. Ich bin zwar im Krankenhaus, aber gerade das war meine Rettung. Mit der Lüge, dass ich ungeschickt gefallen war, hatte ich meinen Eltern gesagt, dass ich mir das Handgelenk gebrochen hatte. Sie nahmen es ganz gut auf und meine Mutter fuhr mit mir ins Krankenhaus. Dort wurde ein komplizierter Bruch festgestellt. Ich musste zwar nicht operiert werden, aber ich würde das Handgelenk nie mehr so bewegen können, wie ich es vorher konnte. Aber durch die Untersuchung sind den Ärzten meine blauen Flecke aufgefallen. Sie fragten mich, ob ich wüsste, wie das passiert ist. Ich schwieg. Meine Mutter wusste aber mein Schweigen zu deuten und bat mich, das zu erzählen, was ich darüber wusste. Ich tat es auch. Ich hatte viel geweint. Aber nun wusste ich, das sie mich akzeptieren würden. Aber tun sie es wirklich. Trotzdem hasste ich mich dafür, was ich bin. Manchmal überlegte ich, ob ich es nicht schon längst beendet haben sollen. Doch dann fand ich immer etwas positives am Leben.

Bis bald, du hörst von mir.

Jetzt war ich wirklich geschockt. Ich konnte mir gut vorstellen, wie es weiter ging. Das, was ich als erstes gelesen hatte, war nur ein paar Tage nach diesem geschriebenen. Was ging ihm da nur durch den Kopf. Vor allem hatte mich erschreckt, dass er nicht mehr leben wollte. Ich hatte davon nie etwas mitbekommen. Hab ich was falsch gemacht? „Du hast nichts falsch gemacht. Als ich bei dir war, konnte ich alles vergessen. Das war schon immer so. Danke." sagte Basti zu mir. Ich nahm ihn einfach nur in den Arm und wir beide weinten. „Danke, das du noch lebst." flüsterte ich aufgelöst. „Ich danke dir, das ich noch am Leben bin." meinte er. Ich war wohl auch dafür verantwortlich, dass er noch lebte. Wir sprachen nicht mehr darüber, aber ich war immer für ihn da. Egal, was passierte.


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Hallo. Heute mal ein eher trauriger OS. Sorry dafür. Aber ich finde ihn ganz gut gelungen. Ich hoffe, dass es euch auch gefallen hat.

Tschüss Eulana2011

One Shot BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt